Kölner Handelsexperte„In den Veedeln kommt es zum Ladensterben“

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Severinstraße (1)

Die Kölner Severinstraße

  • Hans-Peter Grawe ist Handelskümmerer der Kölner Interessen- und Werbegemeinschaften.
  • Er sagt, das Motto „Et hätt noch immer jot jejange“ funktioniere nicht mehr im Einzelhandel, die Unternehmer müssten sich ändern.
  • Grawe spricht auch die Probleme in der Stadt an und fordert die Verwaltung zur Kooperation auf.

Köln – Hans-Peter Grawe ist Handelskümmerer der Kölner Interessen- und Werbegemeinschaften. Er vertritt die Interessen der Kölner Einzelhändler gegenüber Verbänden und Politik. Im Interview spricht er über die schwierige Situation der Ladeninhaber und stellt gegenüber der Stadt Forderungen.

Herr Grawe, wie hat sich die Situation der Kölner Einzelhändler in den vergangenen Jahren verändert?

Es reicht heute nicht, als kleiner Händler morgens die Ladentür auf- und abends wieder abzuschließen. „Et hätt noch immer jot jejange“ funktioniert nicht mehr. Die Händler müssen sich auch im Netz präsentieren, verschiedene Verkaufskanäle nutzen, immer auffindbar sein. Sie brauchen gute Konzepte, um Kunden, die genauso gut im Internet einkaufen könnten, in ihre Läden zu locken.

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Was bedeutet das konkret?

Sie müssen ihr Sortiment schärfen und ihre Geschäfte attraktiver gestalten. Genauso wichtig ist aber, dass sie gut erreichbar sind. Die Geschäfte an der Aachener Straße sind zum Beispiel massiv auf Parkplätze angewiesen: Die Menschen in Braunsfeld und Müngersdorf gehen mit dem Auto einkaufen. Aber auch das Thema Radfahrer darf nicht vernachlässigt werden. Wir brauchen einfach eine vernünftige Infrastruktur, die dafür sorgt, dass die Kunden sich wohlfühlen. Der Einzelhandel hat nun einmal kein Onlineangebot. Er muss also in anderen Bereichen punkten.

Welche können das sein?

Wenn ich als Schuhhändler ein paar Schuhe nicht vorrätig habe oder ein Kunde nicht mit schweren Tüten durch die Stadt laufen möchte, muss ich dafür eine Lösung finden. Ende November starten wir deshalb in Dellbrück ein Logistik-Pilotprojekt: Dort testen wir gemeinsam mit dem Start-up Newweys Lieferungen durch einen Fahrradkurier. Kunden, die eine Lieferadresse im Umkreis von sechs Kilometern angeben, bekommen ihre Ware dann nach persönlicher Absprache gebündelt zugestellt. Das verbessert den Service der Händler, verringert Zweite-Reihe-Parken und hält die Luft sauber.

Gleichzeitig versuchen Sie aber auch, die Händler ins Netz zu bekommen…

Ja. Denn es geht nicht darum, den Onlinehandel zu verteufeln – es geht darum, dass wir uns mit dem auseinandersetzen, was wir selbst anzubieten haben. Daher wollen wir im kommenden Jahr Online-Marktplätze für die Veedel aufbauen. Den Anfang sollen Lindenthal und Rodenkirchen im Sommer 2020 machen: Beide Viertel sollen dann eine eigene Plattform haben, auf der alle Dienstleister, Händler, Gastronomen, Handwerker, Vereine und Kirchen in den Veedeln sich und ihr Angebot präsentieren, aber zum Beispiel auch Veranstaltungen kommuniziert werden. Außerdem soll es ein Loyalitätsprogramm geben, das ähnlich wie Payback funktioniert: Wenn Sie bei den Händlern und Gastronomen im Viertel eine bestimmte Anzahl an Treuepunkten gesammelt haben, dann bekommen Sie dafür, sagen wir, einen Kaffee.

Fühlen Sie sich bei Ihren Bemühungen angemessen unterstützt?

Die Lage der Händler ist ernst: In den kommenden Jahren wird es zu einem Ladensterben kommen. Das IFH Köln hat zuletzt in einer Studie errechnet, dass bis 2030 rund 20 000 Geschäfte in Nordrhein-Westfalen schließen könnten. Wir haben in Köln aber bislang keine Strukturen, die sich in angemessener Weise mit dem Thema Handel auseinandersetzen. Unsere Hoffnung liegt aktuell auf der neugegründeten Wirtschaftsförderungs-GmbH. Denn bislang sind viele Probleme liegengeblieben. Die Türen der Stadt müssen für uns offen sein. Bislang arbeiten wir alle punktuell mit kleinen Teelichtern – es fehlt die Osterkerze, die große Vision.  

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