Börsengang geplantKölner Unternehmen will mit Pflastern Herzinfarkte vorhersagen

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Ein Algorithmus soll künftig Herzerkrankungen vorhersagen können.

  • Masod Karimi von Telexiom AG will auf einem Portal die Gesundheitsdaten seiner Nutzer sammeln.
  • Aus diesen Daten und einer EKG-Langzeitüberwachung mithilfe von Pflastern wird die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes errechnet.
  • Potenzielle Kunden wären beispielsweise Krankenkassen. Karimi plant einen Börsengang.

Köln – Sie gehören zu den häufigsten Todesursachen in den westlichen Industrie-Nationen. Laut Erhebungen sind vier von zehn Todesfällen in Deutschland mittlerweile auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen.

Schon in naher Zukunft könnte es möglich sein, Herzinfarkte vorherzusehen und durch gezielte Prävention gegebenenfalls zu verhindern. Das ist die Vision des Kölner Unternehmens Telexiom AG. „Einem Infarkt gehen meist kleinere Beben voraus. Der Schlüssel, diese zu erkennen und die Lage richtig zu deuten, ist eine Langzeit-EKG-Überwachung“, sagt Gründer und Vorstandschef Masod Karimi.

In der Online-Gesundheitsanalyse im Speziellen und der Telemedizin im Allgemeinen sieht der gebürtige Iraner großes Marktpotenzial. „In einer stark alternden Gesellschaft ist sie eine der zentralen Möglichkeiten, die Kosten der Gesundheitssysteme im Rahmen zu halten“, sagt Karimi.

Eine Datenbank sendet eine Warnung ans Handy

Die Geschäftsidee funktioniert wie folgt: Der Nutzer meldet sich in einem Portal an und gibt Daten wie etwa seine Größe, Alter, Gewicht sowie mögliche Vorerkrankungen ein. Im Anschluss werden die Nutzer in verschiedene Risiko-Kategorien eingeteilt. Zwei kleine Pflaster am Körper zeichnen dann die Daten des EKGs sowie Puls und Blutdruck auf und leiten die Werte über das Smartphone des Patienten an eine zentrale Datenbank weiter.

Masod Karimi will mit einer Langzeit-EKG-Überwachung Herzinfarkte verhindern.

Masod Karimi will mit einer Langzeit-EKG-Überwachung Herzinfarkte verhindern.

Dort angekommen, werden sie mit zahlreichen anderen EKGs verglichen. Finden sich in der Auswertung Auffälligkeiten oder Abweichungen, funkt die Datenbank eine Warnung auf das Handy des Patienten. Auf Wunsch werden auch Angehörige, der Hausarzt oder im Ernstfall der Notdienst informiert. In jedem Fall erhält der Anwender eine Rückmeldung sowie bei Auffälligkeiten eine Anleitung zum richtigen Verhalten.

Potenzielle Kunden sieht Karimi in den Krankenkassen, die ihren Kunden in Zukunft raten könnten, das Produkt zu verwenden und später auch die Datenbank betreiben könnten. Nach jetziger Preiskalkulation würde der einmalige Kauf der Pads rund 70 Euro kosten.

Der klassische Arztbesuch könnte überflüssig werden

Monatlich kämen bis zu 30 Euro hinzu – vergleichsweise wenig, findet Karimi, betrachte man die Kosten, die etwa bei der Reha nach einem Infarkt oder Schlaganfall entstehen. Fitnessbewusste könnten von der Messung der Herzfunktionen darüber hinaus ebenso profitieren wie Pharmaunternehmen, die die Datenfülle für Forschung und Entwicklung nutzen.

Mit der Datenbank, die Telexiom derzeit aufbaut und die bereits 10.000 EKGs enthält sowie der entsprechenden Software, könne über den Algorithmus ein Teil der Diagnose ohne Arztbesuch erfolgen. Das spare Geld in einem ohnehin chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystem. Der klassische Arztbesuch und auch die Verbindung und Kommunikation zwischen Mediziner und Patienten werde dadurch aber auch in Zukunft nicht überflüssig, glaubt Karimi.

Derzeit finanziert wird die Entwicklung und der Aufbau der Datenbank aus dem Geschäft mit IT-Beratung und Programmierung, dem derzeitigen Hauptstandbein der Telexiom AG. Rund 20 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet das Unternehmen mit 200 Mitarbeitern bundesweit. Neben dem Firmensitz in den Kölner Spichernhöfen hat Telexiom Niederlassungen in Frankfurt, Berlin und Hamburg. Zu den Kunden gehören hier unter anderem Rewe, Eurowings, Vodafone, Deutsche Bank, Daimler sowie Porsche.

Karimi hat bereits einmal den Sprung an die Börse geschafft

Um die Telemedizin-Sparte weiterzuentwickeln ist das Unternehmen derzeit in Gesprächen mit Investoren. Auch einen Börsengang kann sich Karimi vorstellen, um frisches Kapital zu sammeln. Ende 2020 will er in Produktion gehen. In drei bis fünf Jahren soll das Produkt dann auf dem Markt sein. Auf das Börsen-Parkett hat er es bereits einmal geschafft. 2005 brachte er das Unternehmen Tecon in den „Entry Standard“ für kleine und hochspezialisierte Unternehmen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Hinter Karimi liegt eine bewegte Lebensgeschichte. In den 80er Jahren floh er mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland. Weil sein Studium der Mathematik und der Elektrotechnik nicht anerkannt wurde, schrieb sich Karimi an der Kölner Fachhochschule für das Fach Nachrichtentechnik ein. Nach verschiedenen Jobs machte er sich 1998 selbstständig und gründete das IT-Unternehmen Tecon. Nach dem Börsengang und dem Verkauf seiner Anteile hätte er sich vielleicht auch zur Ruhe setzen können, aber der Neustart in der Telemedizin reizte ihn.

Entscheidend sei jetzt der Faktor Zeit. „Wir müssen schneller am Markt sein als mögliche Wettbewerber aus den USA oder China“, sagt Karimi.

KStA abonnieren