MehrwertsteuerKölner Gastronomen fürchten Schließungen und deutlich steigende Preise

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18.08.2020  Köln Maureen Wolf mit Zigeunerschnitzel bei Oma Kleinmann Zülpicher Straße

Foto: Csaba Peter Rakoczy

Maureen Wolf, Wirtin bei Oma Kleinmann, spürt die Zurückhaltung der Kunden schon heute

Die Mehrwertsteuer wird im Januar wieder auf 19 Prozent steigen. Der Branchenverband erwartet, dass am Ende andere als die Gastronomen dafür tiefer in die Tasche greifen müssen.

Restaurantbesucher müssen nach Einschätzung des Gastronomie-Branchenverbandes Dehoga im neuen Jahr mit steigenden Preisen für Speisen rechnen. „Die Mehrwertsteuererhöhung wird die anhaltende Kostendynamik verschärfen“, sagte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Nordrhein-Westfalen, Patrick Rothkopf. Zum Jahreswechsel steigt die Mehrwertsteuer für Speisen von 7 zurück auf die üblichen 19 Prozent.

Der in der Pandemie und der Energiekrise reduzierte Steuersatz habe in der Gastronomie geholfen, die Kostensteigerungen in der Branche bislang zu dämpfen. „Ab kommendem Jahr wird es diesen Ausgleich nicht mehr geben“, sagte der Verbandschef. Viele Gastronomen müssten seinen Angaben zufolge die steigende Steuer auf die Gäste umlegen. Dehoga NRW geht nach Umfragen unter Mitgliedern davon aus, dass die Preise für Speisen in der Gastronomie um durchschnittlich 14,3 Prozent steigen werden. Rein rechnerisch macht die Steuererhöhung nur 11,2 Prozent aus.

Bereits in fünfter Generation betreibt Hagen Norhausen die Gaststätte Norhausen in Leverkusen-Rheindorf. 151 Jahren entspricht das, in einem Viertel, in dem das gastronomische Angebot von 25 Gasstätten auf eine Handvoll gesunken ist. „Mir fällt es schwer, mir Gedanken darüber zu machen, in einem so alten Betrieb etwas zu verändern“, sagt er jüngst im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich bin keiner, der aufgibt, aber irgendetwas werde ich ändern müssen.“

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„Wir haben im letzten Dreivierteljahr sehr viel versucht, um das zu verhindern“, sagt Norhausen, der Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Leverkusen ist. „Nach den Krisen der vergangenen Jahren – Pandemie, Krieg, Energiekrise, Preissteigerungen – sind das für uns schlimme Nachrichten. Das bedeutet, dass es bald weniger Gastronomie geben wird.“ Er selbst rechnet damit, sein Geschäft zumindest verkleinern zu müssen. „Vielleicht öffnen wir an weniger Tagen in der Woche. Das spart immerhin Energie- und Personalkosten.“

Noch Anfang der Woche machten sich die Gastwirte Hoffnung

Als Reaktion auf die Corona-Krise hatte die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz ursprünglich befristet bis Ende 2022 auf sieben Prozent reduziert, die Maßnahme aufgrund der Energiekrise dann noch einmal um ein Jahr verlängert. Die Bundesregierung bezifferte die jährlichen Kosten auf 3,4 Milliarden Euro. Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt und bei der Lieferung wird grundsätzlich mit 7 Prozent besteuert.

 Hagen Norhausen

Hagen Norhausen betreibt die Gaststätte Norhausen bereits in fünfter Generation.

„Unsere Gewinne liegen noch immer ungefähr 20 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau“, sagt Norhausen. „Wir werden nicht drum herum kommen, die Preise jetzt weiter zu erhöhen. Aber nicht jeder wird bereit sein, das zu zahlen.“

Die Sorge teilt er mit Maureen Wolf, Wirtin der Kölner Gaststätte Oma Kleinmann. „Das ist ein richtiger Schlag. Wir werden die Erhöhung an die Gäste weitergeben müssen“, sagt sie kürzlich. „Aber wir haben Sorge, dass sie diese Preise nicht stemmen wollen und können.“

Gäste konsumieren schon heute weniger 

Denn schon in den vergangenen Jahren haben die Gastronomen infolge der Energiekrise und Inflation die Preise angehoben. Das wirke sich schon heute auf das Verhalten der Gäste aus. „Wir haben sehr verständnisvolle Gäste, aber wir bemerken schon den ratlosen Blick auf den Kassenzettel“, so Wolf. Wer früher drei Gläser Wein getrunken habe, trinke heute nur noch zwei, andere Menschen kämen grundsätzlich seltener ins Restaurant.

„Die Leute werfen uns manchmal vor, die Senkung der Mehrwertsteuer damals nicht weitergegeben zu haben“, so Wolf. „Aber die Preissteigerungen waren um ein Vielfaches höher als die Senkung.“ Sie befürchtet, dass viele Gastronomen nun aufgeben könnten.

Branchenverband Dehoga warnt vor Schließungen in NRW

Davor warnt auch der Branchenverband Dehoga NRW eindringlich. In der jüngsten bundesweiten Konjunkturumfrage, an der sich mehr als 1000 Unternehmen aus NRW beteiligten, gaben 58,8 Prozent der befragten Betriebe im Land an, dass sie der künftige Mehrwertsteuersatz auf Speisen wirtschaftlich hart treffen werde. 12,9 Prozent der Unternehmen gingen demnach davon aus, dass sie die Umstellung an den Rand des Ruins treiben werde. Jeder 20. Betrieb gehe laut Umfrage von einer Schließung mangels Perspektive aus.

Als einen Lichtblick bezeichnet der Dehoga NRW steigende Beschäftigungszahlen. Mit mehr als 400.000 Beschäftigten habe das Gastgewerbe in NRW zumindest wieder das Niveau von 2019 erreicht. Das gelte auch für die neuen Ausbildungsverträge. Aber es gebe weiterhin einen Fachkräftemangel. Während der Corona-Pandemie sei viel Know-how verloren gegangen und es sei weniger ausgebildet worden. „Das müssen wir Schritt für Schritt in einem herausfordernden Umfeld wieder aufholen. Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird uns also perspektivisch noch lange beschäftigen“, sagte Rothkopf. (mit dpa)

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