AdventuresRetter der Abenteuerspiele

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Vorbild: Maniac Mansion aus dem Jahr 1987. (Bild: ksta)

Vorbild: Maniac Mansion aus dem Jahr 1987. (Bild: ksta)

Deutsche Spiele-Entwickler können nur zwei Sachen wirklich gut: Fußballmanager oder Handelssimulationen. Dieses Klischee hat mit der heutigen Wirklichkeit, die in diesem Tagen auf der Gamescom, der größten Messe für Video- und Computerspiele, in Köln präsentiert wird, nur noch wenig gemeinsam. Längst hat sich Spiele-Deutschland die Ärmel hochgekrempelt, und den verstaubten Rechenschieber gegen fantasievolle und mythische Abenteuer in Sibirien oder im viktorianischen Indien eingetauscht.

Erfolgstitel wie „Geheimakte Tunguska“, „Jack Keane“ oder zuletzt „The Whispered World“ bestimmen das Geschehen und haben dem vor sich hin darbenden Adventure-Genre auch über die Landesgrenzen hinaus zu einem zweiten Frühling verholfen. Statt vom einstigen Klassen-Primus Lucas Arts, kommt ein Großteil des Nachschubs an humorvoll verpackten Kopfnüssen für den europäischen PC-Markt nun plötzlich aus Hamburg (Daedalic Entertainment), Halle (Animation Arts)oder Berlin (Silver Style Entertainment). Etwas überspitzt kann man vielleicht sogar behaupten, dass deutsche Entwickler das Abenteuerspiel-Genre für den Computer vorerst gerettet haben.

Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man die Vorgeschichte kennen: Nach dem die klassischen Point-Click-Adventure wie „Monkey Island“ oder „Indiana Jones“ den Spielemarkt in der erste Hälfte der 90er Jahre dominiert hatten, führte der technische Fortschritt zu einer Verlagerung der Vorlieben des jungen Zielpublikums. Bessere Grafikkarten und die CD-Rom ermöglichten schon bald, Spiele mit atemberaubenden 3D-Grafiken anstelle des gewohnten 2D-Comic-Looks auszustatten. „Das Adventure wurde erst von Ego-Shootern und 3D-Actionspielen und am Ende der 90er vom Echtzeit-Strategie-Boom abgehängt“, erinnert sich Christian Schmidt vom Fachmagazin „Gamestar.“

ksta.tv: Bewegungsspiele auf der Gamescom

Auf seinem Tiefpunkt im Jahr 2003 war der Adventure-Markt ein verlassenes Dorf. Eine Situation, die das frisch gegründete Hamburger Entwicklerstudio Deck 13 als Chance sah: „Zu dieser Zeit gab es kaum Spiele, die humorvolle Themen zu bieten hatten“, sagt Creative Director Jan Klose. „Alles musste realistisch und in möglichst dunklen Tönen rüberkommen. Gleichzeitig aber wurden Filme wie Shrek oder Ice Age sehr beliebt. Wir sahen hier eine Lücke.“ Sie brachten „Ankh“ auf den Markt. Das Spiel handelt von einen jungen Ägypter namens Asil, der sich bei einer nächtlichen Party in einem Grabmal einen Todesfluch einfängt. 100 000 Exemplare des mit Anspielungen und Parodieelementen gespickten Abenteuers wanderten alleine in Deutschland über die Ladentische. Es ist die erste Erfolgsmeldung des Genres seit vielen Jahren. Auch auf dem internationalen Markt gelingt der Durchbruch.

Das Deck 13 dort schon bald Gesellschaft von anderen deutschen Entwicklern bekam, hat für Christian Schmidt einen simplen Grund: „Deutsche Studios und Publisher sind arm. Sie können auf wenig bis gar keine Wirtschaftsförderung rechnen. Deshalb fangen viele von ihnen mit einem Genre an, das mit wenig Geld umsetzbar ist: dem Adventure.“ Und noch etwas eint Spiele wie „Ankh“, „Ceville“ oder „The Book of Unwritten Tales“: das für deutsche Maße recht ungewöhnlich hohe Maß an Humor und skurrilen Figuren.

Deutsche Tugenden

Parallel zum Erfolg der „Ankh“-Reihe war es jedoch das etwas ernster gehaltene Spiel „Geheimakte Tunguska“ von Animation Arts, das der Fangemeinde ein wahres Stoßgebet abringen konnte. Die Geschichte um die Studentin Nina, die auf der Suche nach ihrem verschleppten Vater irgendwann sogar in Sibirien landet, kam mit einer sogenannten Hot-Spot-Anzeige. Mit dieser konnte sich der Spieler auf Tastendruck alle einsammelbaren Objekte und Interaktionsmöglichkeiten anzeigen lassen. Die kleine aber feine Hilfe wurde von weiteren Entwicklern übernommen und sorgt seitdem, vor allem bei ungeübten Spielern dafür, Frustmomente gering zu halten, wenn mal etwas wichtiges übersehen wurde. Eine kleine Revolution wenn man sich vor Augen hält, dass das Genre ansonsten relativ konservativ ist. „Es gibt einige klassische Stilvorbilder, deren Muster käut die Branche wieder und wieder", meint Gamestar-Experte Schmidt.

Dass sich das Experimentieren mit frischen grafischen und thematischen Akzenten aber durchaus auch lohnen kann, zeigt das Erfolgsmärchen von Daedalic Entertainment: Der Erstling „Edna bricht aus“ gewann 2008 den Deutschen Entwicklerpreis und auch der indirekte Nachfolger „The Wispered World“, rund um den melancholischen Clown Sadwick, verkauft sich, nicht zuletzt wegen der traumhaft gemalten Hintergründe und Figuren, international bereits über 50 000 Mal. „Unser Ziel war es, Spiele zu machen, die außergewöhnliche Geschichten erzählen und starke Charaktere besitzen, die den Spieler in ihren Bann ziehen. Das sind Dinge, die in den meisten Spielen immer noch vernachlässigt werden", erklärt Claas Paletta Daedalic den Anspruch, mit dem man die gesamte Branche voranbringen will.

Diese hat sich laut Schmidt nicht zuletzt deswegen erholt, weil deutsche Spielehersteller ihr Geld in ausländische Firmen investiert und so damit dazu beigetragen haben, dass auf Adventures spezialisierte Entwickler überleben konnten. Und wie „The Tales of Monkey Island“ von Telltale beweist, finden selbst die Publisher in den USA wieder gefallen am Genre.

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