Weihnachtsgeschichte von Cordula StratmannWas ein Reißverschluss mit Jesus zu tun hat

Lesezeit 5 Minuten
Cordula Stratmann

Cordula Stratmann

  • Die Kölner Autorin und Komikerin erzählt die Weihnachtsgeschichte irgendwie anders als sonst.
  • Außerdem erklärt sie, warum der Trend zu kleinen Weihnachtsgeschichten geht und welche Lehren sie aus dem Jahr 2020 zieht.
  • Außerdem erklärt sie, warum der Trend zu kleinen Weihnachtsgeschichten geht und welche Lehren sie aus dem Jahr 2020 zieht.

Da fragt mich die Redaktion nach einer Weihnachtsgeschichte ... Ja, meine Güte, was soll man denn derzeit für eine Weihnachtsgeschichte schreiben? Die mit der Maria und dem Josef und am Ende mit dem pausbäckigen Jesus in der Krippe kennen ja alle, die ist alles in allem gut ausgegangen und vielerorts nachzulesen.

Und die Bitte an mich, eine heitere, unterhaltsame neue Weihnachtsgeschichte zu erzählen, unterbindet quasi, dass ich mich hier billigerweise daran bedienen würde, indem ich die Geschichte von Flüchtenden erzähle, die ein Kind erwarten und darauf angewiesen sind, dass sie auf Menschen treffen, die nicht ein Herz aus Stein haben. Mit der Realität, die uns umgibt, hat die Weihnachtsgeschichte der Familie ... Shalev? Wie hießen die drei eigentlich mit Nachnamen? Keret? Kishon? Gur?, irgendwie werden sie schon geheißen haben, und bis ihre Herbergssuche am Ende gut ausging, ist es die Geschichte von Unbarmherzigkeit und hat mittlerweile jede weihnachtliche Romantik eingebüßt, denn sie kann uns seit Jahren ganzjährig beschämen.

Worüber schreibe ich also, wenn ich den Auftrag erhalte, Sie, liebe Leserinnen und Leser, gut zu unterhalten? Vielleicht lenke ich bei dieser Gelegenheit einmal Ihre Aufmerksamkeit auf ein Detail, dass soweit meine Kenntnis reicht, bisher nirgends Beachtung fand. „Maria und Josef Keret mit dem kleinen Jesus wünschen frohe Festtage“, stand wahrscheinlich im Jahr eins nach seiner Geburt auf deren Weihnachtskarte an die Freunde.

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Mütze für den wehrlosen Kopf

Als Empfängerin derlei Weihnachtskarten bin ich heute sauer auf Maria – oder ist es auf Josefs Mist gewachsen? – für ihre Idee, dem kleinen Jesus für das mitgeschickte Bild eine Weihnachtsmütze auf den wehrlosen Kopf zu setzen und damit die Saat zu legen für den Mangel an Respekt vor Kindern. Ach, was gerate ich denn schon wieder ins Schimpfen, ich bin doch immer noch auf der Suche nach einer Weihnachtsgeschichte, mit der wir uns am Ende alle in den Armen liegen. In entsprechendem Abstand selbstverständlich blablabla, weiß mittlerweile auch jeder.

Hui, das wird schwierig mit der Weihnachtsgeschichte, merke ich, ich habe aus diesem Jahr 2020 nämlich eine Lehre gezogen, die ich möglichst konsequent anwende: Wenn Du pampig bist, dann lass die anderen damit in Ruhe. Geh’ erst unter die Leute, wenn Du unversucht bist, mit den anderen ins Jammerhorn zu tuten. Jetzt fragen die mich hier nach einer Weihnachtsgeschichte und ich lege direkt los mit öfföfföff!

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Mein Gesicht dazu können Sie sich sicher schon vorstellen: An miesen Tagen guckt Ihnen genau so eins aus dem Spiegel entgegen, pampig sehen wir alle gleich aus. Flunsch um die Mundpartie und ein Mmpffrrrggrmpf im Blick. Dabei waren wir wirklich mal richtig gutaussehend. Aus rein optischen Gründen habe ich mir eines Tages gesagt: Das geht so nicht, das kriegt man auch mit einer OP nur noch schlecht in den Griff. Außerdem haben wir ja alle für derlei Restauration demnächst kein Geld mehr. Hui, jetzt tun mir aus dem Stand fast schon die plastischen Chirurgen leid, siehste, wieder was gelernt.

So. Wo war ich? Weihnachtsgeschichte. Jetzt aber.

Es war einmal: Ein Riesenbus der KVB in der Kölner Südstadt. Die Aufgabe, das Geschoss am Chlodwigplatz um die Ecke zu hieven, war schwer lösbar durch den falschgeparkten Wagen eines aufgeweckten Mitbürgers. Der stand in der Kurve. Da mussten wir rum. Der tapfere Fahrer nahm postwendend die Herausforderung an und kurvte los. Vor, zurück, vor, zurück. Draußen fand sich augenblicklich Hilfe durch wedelnde, winkende Passanten, die uns alle mit dem Problem nicht allein lassen wollten: „Jou!“ „Wigger, wigger!“ „Noch’n Stück, noch’n Stück, he eröm, eröm!“ . Die Insassen des Busses gaben ihr Bestes mit: „Isch könnt’ dat nit!“, „Sarenhaft!“ und „Gleich hammert!“

Das Ende der Geschichte ist tosender Applaus für den Busfahrer, halb Köln stand draußen, vor und drinnen im Bus, und gab dem Helden Standing Ovations. Ich heule fast vor Glück.

Widerspenstiger Reißverschluss

Es war ein anderes Mal: ein Kölner Zahnarzt-Wartezimmer. Ein älterer Herr betritt nach der Behandlung das Wartezimmer, nimmt seine Winterjacke vom Ständer und ist ab dem Moment einem widerspenstigen Reißverschluss ausgesetzt, er bekommt seine Jacke nicht zu. „Wissu jeht dat dann jetz nit zo?! Wat es dat dann alld widder?!“, murmelt er im Kampf versunken vor sich hin. Er steht direkt neben dem Jackenständer und damit ebenso direkt vor einem sitzenden Wartenden. Der nun seine Zeitung weglegt und sich zur Verfügung stellt: „Soll ich Ihnen dat ma eben machen? Ich hab von hier aus die bessere Perspektive!“

Sechs Leute im Wartezimmer hauen sich vor Vergnügen auf die Schenkel und leisten mit guter Laune mentale Unterstützung, während zwei sich fremde Herren an der Jacke herumfummeln und über Zwei-Weg-Reißverschlüsse fachsimpeln. Zum Schluss wird der perfekt gekleidete Erstgenannte von der gesamten Wartezimmer-Besetzung mit einem fröhlichen Hallo und Tschüss aus der Praxis verabschiedet. Und ich heule schon wieder fast vor Glück.

Der Trend geht zu vielen Geschichten

Das, liebe Leserinnen und Leser, ist in diesem Jahr meine Weihnachtsgeschichte für Sie, ich glaube, der Geschichten-Trend geht eh zu vielen kleinen, die wir alle jederzeit aufsammeln können beim Rumleben das ganze Jahr. Machen Sie sich doch zu Weihnachten selbst ein Geschenk: Besorgen Sie sich ein schönes Blanko-Büchlein und sammeln darin alle kleinen Juwelen, die so in unserer Stadt herumliegen, wie die zwei, die ich Ihnen gerade aus meiner Sammlung gezeigt habe.

Bei der Vorstellung, wie Sie in Zukunft nach Hause gehen und sich lustige und herzerweichende Geschichten aus der Bäckerei, an der Kasse oder in der Bahn aufschreiben, könnte ich schon wieder heulen vor Glück.

Ich wünsche Ihnen von Herzen ein freundliches Gemüt, Tapferkeit, Unverdrossenheit, ein gesundes weiches Herz – und kommen Sie gut durch die Zeit!

Ihre Cordula Stratmann 

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