Stadtplaner Hans-Jürgen Greve will Ehrenamt und Literatur auf einem zentralen Platz zusammenbringen.
100 Ideen für Köln„Ich wünsche mir eine Freiluftbibliothek auf dem Ebertplatz“

Offene Pavillions voller Bücher, eine Bibliothek die 24x7 an 365 Tagen geöffnet sein soll, das ist die Vision des Kölner Stadtplaners Greve für den Ebertplatz.
Copyright: Hans-Jürgen Greve
Hans-Jürgen Greve (61) hat in Aachen Architektur mit dem Schwerpunkt Stadtplanung studiert. Neben seiner Arbeit als Architekt entwickelte er vor 18 Jahren das erste Modell eines wetterfesten Bücherschranks für den öffentlichen Raum. Für Greve ist der offene Bücherschrank das, was der Dorfbrunnen früher war, ein Treffpunkt der Menschen im Veedel. Der Kölner hat inzwischen bundesweit über 1300 Bücherschränke aufgestellt, davon 65 in Köln. Mit seiner „Stiftung Neuer Raum“ organisiert er zudem Kulturveranstaltungen rund um den Bücherschrank.
Was ist meine konkrete Idee für Köln?
Ich möchte den Ebertplatz zur größten Freiluftbibliothek Europas umgestalten. Auf dem gesamten Platz sollen mehrere Pavillons mit insgesamt einer Million Büchern aufgestellt werden. Die Pavillons sind bis zur drei Stockwerke hoch, können kostenfrei besucht werden und sind das ganze Jahr für die Bürger geöffnet. Die XXXL-Bücherschränke sind nach Themen geordnet, es gibt das Krimihaus, das Kinderbuchhaus, das Liebeshaus. Ich könnte mir auch das Haus der verbotenen Bücher vorstellen. So ähnlich wie auf der documenta 14 in Kassel: das Highlight war ein Tempel, in dem nur Bücher ausgestellt waren, die weltweit auf den Zensurlisten von Regimen standen.
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Hans -Jürgen Greve vor seinen Bücherschränken
Copyright: Inge Swolek
Der Ebertplatz soll aber auch ein Zentrum für das Ehrenamt werden. Alle Institutionen, die ehrenamtlich arbeiten, sollen hier, gebündelt, ihren Sitz haben, ein neues kostenloses Zuhause. Damit könnten wir das Ehrenamt sichtbarer machen und viel mehr Menschen dafür gewinnen. Hier setze ich in den nächsten Jahren gerade auch auf die Babyboomer. Das ehrenamtliche Engagement liegt in Köln im Vergleich zu anderen Städten deutlich niedriger, bei nur 25%. Da ist noch viel Luft nach oben.
Warum ist die Idee gut für Köln?
Köln ist eine Kulturstadt, die Heimat einer Million Menschen, die bunt, offen und kreativ sind. Dieses Potenzial muss sichtbarer werden, die Bürger und Bürgerinnen müssen die Chance bekommen, den öffentlichen Raum mitzugestalten, ihn für sich zu nutzen. Dieses bürgerliche Engagement im Veedel und auf Plätzen ist eine starke Säule für das Funktionieren unserer Demokratie. So, wie es mit den Bücherschränken in unserer Stadt bereits passiert.
Der Ebertplatz würde in seiner neuen Form ein Ort der Begegnung, des Austausches und vor allem der Integration werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Kraft des Ehrenamts und die Anziehungskraft der Bücher, dieses „Zusammen“, die Lösung für die vielfältigen Probleme auf diesem schwierigen Platz ist. Der Ebertplatz funktioniert nicht, weil er keine dauerhafte Funktion hat. Die Kulturveranstaltungen, die hier punktuell stattfinden, müssen zu einer Dauerveranstaltung ausgebaut werden. Die Lösung lautet 24/7 an 365 Tagen, nur dann löst sich das aktuelle Problem der Verwahrlosung und Drogenkriminalität.
Wie könnte die Umsetzung gelingen?
Der Platz bekommt ein freischwebendes transparentes Dach aus Makrolon, dieses Material ist unkaputtbar. Das Dach hat die Form einer Ellipse und ist 150 Meter mal 75 Meter groß. Die Wände der Pavillons können mit alten Büchern gedämmt werden und auch die Sitzmöbel kann man aus Büchern gestalten. Regenwasser wird über Rinnen aufgefangen und für die Bewässerung der Bäume genutzt. Der alte Baumbestand bleibt erhalten.
Die Kosten für das Dach und die der Pavillons liegen bei ungefähr 10 Millionen Euro. Diese Summe kann man am besten über Privatspenden und Schenkungen gewinnen. Das Zepter für die Umsetzung dieser Idee darf aber auf keinen Fall die Stadt übernehmen, dieses Projekt muss in die Hände der Kölner Bürger gelegt werden. Das Ganze muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Ich würde eine eigenständige unabhängige Stiftung zu gründen. Die aktiven Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt haben das Potenzial, den öffentlichen Raum neu, innovativ und offen zu gestalten. Aber natürlich mit einem eigens entwickelten Konzept, sodass die Stadt involviert ist und später auch die notwendigen Genehmigungen geben kann.
Was braucht es dafür?
Ich denke es braucht einen Anstoß, einen Weckruf. Wir müssen die Bürger und Bürgerinnen aktivieren, sie für die Idee der aktiven Stadtgestaltung gewinnen und diese dann einfach machen lassen.
Dass so etwas funktioniert, zeigen Beispiele aus einigen Kölner Veedeln. In Widdersdorf oder in Holweide haben Anwohner auf öffentlichen Plätzen nicht nur Bücherschränke finanziert und aufstellen lassen, sondern diese Plätze nach und nach auch begrünt und bestuhlt. So wurden aus verwahrlosten Plätzen gepflegte Orte der nachbarschaftlichen Begegnung. Diese Menschen haben sich den öffentlichen Raum zurückerobert. Was im Kleinen funktioniert hat, wird auch auf den großen Kölner Plätzen funktionieren. Der Ebertplatz hat ein solches Potential. Bibliotheken mit ihren kilometerlangen Bücherregalen waren und sind immer noch Orte voll wunderbarer Atmosphäre, sie strahlen Ruhe und Geborgenheit aus, da liegt die Chance für ein friedliches Miteinander, für einen wahren „Bürgerplatz“.