52. Art Cologne eröffnetKunst zeigt ihre Muskeln – Eindrücke aus der Kölner Messe

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Janina Christine Brügel mit Sohn beim Hängen ihrer Portraits aus der Serie „Age“

Janina Christine Brügel mit Sohn beim Hängen ihrer Portraits aus der Serie „Age“

Köln – In Kassel wird derzeit anscheinend fieberhaft daran gearbeitet, die Weltkunstausstellung Documenta auf Provinzniveau zu stutzen; hier und da wurde deshalb schon geäußert, dass sie an einem anderen Ort vielleicht besser aufgehoben wäre. Infrage kämen dafür eigentlich nur das bereits als Documenta-Spielstätte erprobte Athen oder – falls man doch in Deutschland bleiben will – die beiden Kunststandorte, die es an Dysfunktionalität mit der griechischen Hauptstadt aufnehmen können: Berlin und Köln.

Masken von Sebastian Herzau werden bei Dieho-Galerie aufgehängt.

Masken von Sebastian Herzau werden bei Dieho-Galerie aufgehängt.

Kölns Historie spricht für sich

Für Köln spräche dabei nicht nur die antike Herkunft und dass es hier mittlerweile auch die von jungen Künstlern so heiß geliebten No-Go-Zonen gibt. Sondern vor allem die lange Geschichte als Kunsthandelsplatz. Selbst Art-Cologne-Chef Daniel Hug versuchte zuletzt, internationale Gäste mit dem mittelalterlichen Kölner Reliquienhandel und elftausend angeblichen Jungfrauen auf seine Messe zu locken. Dass der kölsche Knochenmarkt auf Legendenbildung und massenhaftem Betrug basierte, störte Hug offensichtlich nicht: Auch an den Wert einer Beuys’schen Fettecke muss man schließlich erst mal glauben.

Sollte die Documenta doch nicht kommen, können sich die Kölner weiterhin mit der Art Cologne trösten, die sich im 52. Jahr ihres Bestehens allmählich wieder den eigenen legendären Zeiten anzunähern scheint. War der erste Kölner Kunstmarkt noch eine gewagte Pioniertat, so sind die großen Weltkunstmessen heute geschäftige Logistikzentren, in denen die Biennalen- und Festivalkunst in Windeseile auf Sammlerhaushalte und gelegentlich sogar Museen verteilt wird. Am Ende entscheidet sich dann auf den Sechstage-Märkten in Basel, Hongkong oder Köln, was von der Documenta, dem Museum der Hundert Tage, übrig bleibt.

Als quirliger Marktplatz nimmt die Art Cologne naturgemäß das Kurzzeitgedächtnis der Sammler und Kuratoren ins Visier – oder setzt auf Memory-Effekte. Gerade die an der neuen Messeplaza angesiedelten Großgalerien prunken gerne mit Waren, die man so ähnlich schon in Museen hängen sah: Bei Ropac lässt der österreichische Scherzkeks Erwin Wurm Steine auf kurzen Beinen aufmarschieren, Zwirner erlaubt sich einen Jeff Koons’schen Scherz mit alten Meistern und Daniel Buchholz zeigt ein fein ausgewogenes Anne-Imhof-Allerlei mit zwei schwarz-weißen Kratzbildern als Höhepunkten. „Mehr habt ihr nicht zu bieten?“, scheint dagegen das Motto von Larry Gagosian zu sein.

Omnipotenter Kunstmarkt-Rüde markiert sein Revier

Bei seiner zweiten Art-Cologne-Teilnahme präsentiert das internationale Kunsthandelsunternehmen einen reinen Skulpturenpark mit Alberto Giacometti, von John Chamberlain gepresstem Autoschrott oder einem lebensechten Fensterputzer von Duane Hanson. Wer sich für derlei Klassiker zu jung fühlt, dem bietet Gagosian stattdessen einen Mülleimer oder einen elektronisch animierten Schäferhund. Ganz eindeutig markiert hier ein omnipotenter Kunstmarkt-Rüde sein Revier.

Solche Verkaufs-Ausstellungen sind auf der Art Cologne ansonsten Mangelware, während Gagosians Doppelstrategie mit teuren Lockstoffen und „günstigen“ Gelegenheiten die Regel ist. Bei Karsten Greve hängt etwa ein Kissenbild von Gotthard Graubner im Schaufenster, um für die französische Künstlerin Pierrette Bloch zu werben. Sie setzt schwarze Pünktchen auf weiße Hintergründe, um aus ihnen wacklig-poetische Linien zu ziehen. Bei Nagel/Draxler baumeln die kapitalen Fänge derweil schon kopfüber an der Leine: Mark Dions große Fische wirken so lebenswirklich, dass sich besorgte Betrachter erkundigen, ob die Tiere auch artgerecht gestorben sind. Bei Sies + Höke ist man auf derlei Nachfragen ebenfalls bestens vorbereitet und versichert, dass sich der Süßwasserfisch, den Julius von Bismarck in einer Wasserkapsel im Eismeer aussetzte, auf die wohlverdiente Rente freut.

Bei so viel etablierter zeitgenössischer Kunst müssen sich die jungen Galerien auf der oberen Hallenebene schon etwas einfallen lassen, um aufzufallen. Bei Ruttkowski strecken uns daher mehrere Dutzend Stofftier-Paviane das rote Hinterteil entgegen und bei Martinetz stecken zwei Kälber die Köpfe zusammen, während vom Band die Texte frauenfeindlicher Youtube-Filme eingeflüstert werden. Bei Jan Kaps ist dagegen nur der Name des Künstlers kurios: Peppi Bottrop malt mit Kohlestift abstrakte Bilder auf geritzte Gipsfaserplatten und wurde damit schon Seite an Seite mit Albert Oehlen ausgestellt.

Auch die klassische Moderne war mal jung und frech

Auch die klassische Moderne, die sich wie gewohnt im unteren Geschoss befindet, war übrigens mal jung und frech. Am Stand von Valentien hängen Max-Ernst-Werke, soweit das Auge reicht, darunter vor allem Papierarbeiten und einige frühe, noch ganz und gar nicht surreale Werke. Für schlappe 980 Euro ist bei Valentien zudem ein von Man Ray mit Tapeziernägeln verziertes Bügeleisen zu sehen. Allerdings gehört das wunderbare Stück zu einer späten Edition in hoher Auflage – was nichts daran ändert, dass man damit, wie Man Ray erfreut feststellte, Kleider zerreißen kann. Ansonsten wiederholt sich vieles auf glücklicherweise gleichbleibend hohem Niveau: Es gibt weiterhin viel gestische Malerei und Zero-Kunst, wobei Bernard Aubertins „Nagelbrett“ aus roten Farbnasen bei Maulberger einen besonders frischen Eindruck macht.

Auffallend neu ist auf der 52. Art Cologne eigentlich nur der freie Platz in Halle 11.2. Diese Plaza bietet umlaufende Sitzgelegenheiten und in der Mitte eine erdfarbene Fläche, die sich, wie Stephan Diederich vom Kölner Museum Ludwig juxte, auch gut für Ringkämpfe eignen würde. Tatsächlich liegt Daniel Hug ja symbolisch mit der Schweizer Messegesellschaft im Clinch, seitdem sich diese als Kooperationspartner der Art Düsseldorf im Rheinland breitzumachen versucht.

Im Moment scheint die Art Cologne wieder vor Kraft zu strotzen, zumal man von der Schweizer Messe zuletzt vor allem Verlustmeldungen zu hören bekam. Aber sicher kann man sich nie fühlen, und wer nicht aufpasst, steht im Kampf der Giganten plötzlich als Scheinriese da.

Zur Art Cologne

Art Cologne, Koelnmesse, Halle 11, Eingang Süd, Do.-Sa. 11-19 Uhr, So. 11-18 Uhr, bis 22. April.

Preise: Tageskarte 25 Euro, 2-Tage-Karte 35 Euro, Abendkarte (ab 16 Uhr) 20 Euro.

Ermäßigungen: Tageskarte 20 Euro für Schüler (ab 13 Jahre) Studenten und Rentner.

Kinder bis 12 Jahre haben in Begleitung der Eltern freien Eintritt.

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