Comiczeichner Brösel„Werner ist nicht moralisch – das finden Kinder geil"

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Comiczeichner Brösel

  • Comiczeichner-Legende Brösel alias Rötger Feldmann hat die Kultfigur Werner erschaffen.
  • Im Interview spricht er über Spaß in Köln, teuren Sprit und seine aufgemöbelten Werner-Hefte.

Köln – Rötger oder Brösel?

Brösel ist okay.

Sie sind der erfolgreichste deutsche Comic-Autor. Mit 20 haben sie von Arbeitslosenhilfe gelebt. Böse Menschen sagen: Sozialschmarotzer. Trifft Sie das?

Alles zum Thema Wolfgang Niedecken

Ich hatte eine Lehre als Lithograf beendet, wurde 1970 zur Bundeswehr eingezogen. Nach 14 Tagen Grundausbildung wurde bei mir Tbc festgestellt. Ich glaube heute noch, dass ich damals krank geworden bin, weil ich das nicht wollte. Am schlimmsten war, dass mir die langen Haare abgeschnitten wurden.

Und wie ging das dann weiter?

Ich kam acht Monate zur Behandlung ins Waldsanatorium »Rüsselkäfer«. Toller Name, oder? Ich musste Pillen schlucken, durfte mich nicht an-strengen. Dann bekam ich einen Job in einer Lithografie-Firma in Flensburg, wurde aber entlassen, weil ich nebenher Comics gezeichnet habe.

Sie sind Auto- und Motorradfreak. Fürchten Sie durch die kommende Regierung eine Spritpreiserhöhung?

Ich glaube schon, dass die Grünen uns die Benzinautos wegnehmen, die Spritpreise erhöhen. Andererseits habe ich mein Benzin-Zeitalter ausgelebt.

Wenn Werner, Ihre Hauptfigur, Party macht, gibt’s Bölkstoff und viel Fleisch auf dem Grill. Bei Ihnen auch?

Nee, das habe ich erheblich eingeschränkt. Diese Rindfleischfresserei produziert ja einen ungeheuren Wasserverbrauch. Ich bin aber jetzt kein strikter Vegetarier, sondern esse auch schon mal ein Steak vom Galloway-Rind.

DREI LEGENDÄRE RENNEN

1988 trat Brösel mit seiner Horex gegen den roten Porsche seines Kumpels Holgi Henze an. Mehr als 250 000 Zuschauer kamen nach Hartenholm. Brösel verlor, weil er sich verschaltet hatte. Auch bei der Neuauflage 2004 ging er als Verlierer vom Feld. Erst 2018 gelang ihm der Sieg.

Über alle Events gibt es das aktualisierte Heft „Werner – Das Rennen“. Darin erinnert sich auch Wolfgang Niedecken daran, wie er 1988 mit BAP einen chaotischen, aber umjubelten Auftritt hatte. Der Veranstalter von damals, Holger Henze, erfand übrigens ein Jahr später das inzwischen legendäre Wacken Open. (cer)

Schmeckt Ihnen das Bier wenigstens noch?

Ja schon, aber selbst in Hopfen und Malz gibt es Glyphosat-Rückstände. Unser »Bölkstoff« allerdings ist sauber.

Sie waren gerade auf Köln-Besuch. Fühlen Sie sich als Nordfriese wohl im Rheinland?

Aber klar. Ich habe eine enge Verbindung zu Köln. 1988 habe ich Frank Hocker und Gerd Köster kennengelernt, als die noch »Schröder Roadshow« machten. In der »Kaschämm« haben wir so manche Kölsch-Stange weggelötet. Ich gönne es sogar dem FC, dass er wieder so »jot drop es«, obwohl der in der Relegation mein Holstein Kiel geschlagen hat.

Ihre Comics beziehen eindeutig Position gegen alles, was rechts ist. Gab es da nie Ärger?

Ach wo! Diese rechten Glatzen sind doch alles Feiglinge. Als so einer mal bei einer Signierstunde im Osten ein Autogramm wollte, habe ich dem gesagt: „Du kriegst keins, zieh’ dir erst mal was Anständiges an und lass dir die Haare wachsen.“ Der ist wortlos abgedackelt. Ich muss fairerweise sagen: Hinter mir stand ein Schrank von einem Security-Mitarbeiter. Der musste nur die Arme vor der Brust verschränken – das reichte.

Finden Comics in Deutschland ausreichend Anerkennung?

Nö! Das ist ganz anders als in Belgien oder Frankreich. Dort werden Comic-Künstler regelrecht hofiert, sind dort wahre Götter. Bei uns werden Comics eher belächelt.

Woran liegt das?

Das hat seine Wurzeln in der Nazizeit. Die Nazis haben Comics als entartete Kunst angesehen. Bilder mit Sprechblasen galten als Schund. Da gab es zum Beispiel B. E. O. Plauen, der den Comic »Vater und Sohn« zeichnete. Dem sollte wegen Wehrkraftzersetzung 1944 der Prozess gemacht werden. Einen Tag vor dem Prozess hat er sich erhängt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg besser?

Nein, im Wirtschaftswunderland war das auch nicht gern gesehen. Die meisten Kinder mussten ihre »Batman«- und »Sigurd«-Heftchen quasi unter der Ladentheke kaufen. Zum Glück hatten meine Eltern nix gegen Comics.

Können jüngere Menschen heute mehr damit anfangen?

Ich weiß nicht. Die schauen doch nur auf ihre Smartphones. Die meisten kennen zum Beispiel Werner gar nicht. Anders ist es, wenn mal ein Werner-Film im Fernsehen läuft. Dann haben die auch ihren Spaß, weil das ein anderer Humor ist als dieser Ami-Schmalz, den sie sonst vorgesetzt bekommen. Werner ist nicht moralisch – das finden Kinder geil!

Pädagogen sind da vermutlich eher anderer Meinung, oder?

Genau, die finden Werners Gossensprache und den Fäkalhumor schon mal gar nicht gut. Und eins meiner Themen – Motorräder bauen oder Autos auseinandernehmen – das interessiert die nicht. Die könnten nicht einmal bei einem VW den Motor wechseln.

Gendergerecht ist Werner auch nicht gerade...

Stimmt! Das werde ich auch noch mal ordentlich auf die Schippe nehmen. Da habe ich in meinem Notizbüchlein schon einige Ideen: Der Hermann-Löns-Weg wird wohl demnächst in Herfrau-Löns-Weg umbenannt, Schuhgeschäfte heißen „Salafrauder“. Es gibt als Werbegag schon Student*Innenfutter. Da frage ich mich: Darf man das auch draußen essen?

Sie haben Ihre alten Comic-Bände „schön gemacht“. Nur die Nummern 7 und 12 fehlen noch. Warum?

Weil sie mir am wenigsten gefallen. Ich wurde vom alten Verlag bedrängt: Wir brauchen neues Material, ein neuer Band muss her. Und da leiert man sich auch schon mal Geschichten aus dem Kreuz, die nicht ganz so gut sind.

Sie bezeichnen sich selbst übrigens als schlechten Zeichner. Ist das nicht ein bisschen Koketterie?

Nein. Wenn ich sehe, wie die Kollegen in den angesagten Graphic Novels echte Menschen zeichnen, da quäle ich mich mit. Das kann ich nicht. Ich kann nur meine Nasenmenschen.

KStA abonnieren