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DomgeschichtenWarum sich unter dem gotischen Bau ein Vorgänger-Dom verbirgt

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Unter dem Kölner Dom liegen Fragmente eines Vorgängerbaus aus dem 11. Jahrhundert.

  • Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
  • Regelmäßig haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  • In dieser Folge geht es um den Vorgänger-Bau des Kölner Doms aus dem 11. Jahrhundert, der nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde.

Köln – Aus alten Quellen war immer bekannt, dass auf dem Areal des heutigen Doms ein karolingischer Vorgängerbau stand. Der Hillinus-Kodex aus dem 11. Jahrhundert etwa enthält eine für diese Zeit erstaunlich genaue Abbildung des Alten Doms, einschließlich der Bischofskapelle. Man wusste also, dass es diesen Bau gegeben hatte. Aber man wusste nicht genau, wo. Irgendwo unter dem gotischen Dom – präziser konnte man es nicht angeben. Bis 1946.

Nach dem Krieg war der Chor zeitweilig vom Langhaus abgetrennt, weil dessen Gewölbe eingestürzt waren. Der Archäologe Otto Doppelfeld nahm das zum Anlass für Grabungen im Dom: Solange oben gearbeitet wurde, konnte man unten auch den Fußboden öffnen. Das geschah dann Joch für Joch, von Osten kommend in westlicher Richtung. Doppelfelds Vorhaben folgte aber nicht nur wissenschaftlicher Neugier, sondern sollte auch klären, ob die Domfundamente durch die ringsherum gefallenen Fliegerbomben in Mitleidenschaft gezogen waren, was glücklicherweise nicht der Fall war.

Über die Domgeschichten

Eine Sammlung der schönsten Domgeschichten aus Geschichte und Gegenwart haben Barbara Schock-Werner und Joachim Frank unter dem gleichnamigen Titel im DuMont-Buchverlag veröffentlicht: Domgeschichten. Mit der Dombaumeisterin a.D. durch die Kölner Kathedrale, 176 Seiten mit zahlreichen Fotos von Csaba P. Rakoczy, Köln 2020, 18 Euro.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Den besten Überblick über die Ausgrabungen unter dem Dom gibt der Band: Georg Hauser: Schichten und Geschichte unter dem Dom. Die Kölner Domgrabung (= Meisterwerke des Kölner Doms Band 7, herausgegeben von Barbara Schock-Werner und Rolf Lauer), Verlag Kölner Dom 2010, 91 Seiten, 15 Euro.

Wenn Sie an einer Führung durch die Ausgrabungen interessiert sind, finden Sie die entsprechenden Informationen hier.

Areale dauerhaft zugänglich

Doppelfeld zog also zwei Suchgräben: einen im Westen, einen im Osten. Und manchmal hat man dann ja als Wissenschaftler einfach Glück. So fand er im Westen die Fundamente der Westapsis des Alten Doms und im Osten die Fundamente der Ostapsis. Dabei stellte sich heraus, dass der Fußboden des Alten Doms fast zwei Meter unter dem des gotischen Doms lag.

Man entschloss sich daher, die ausgegrabenen Areale nicht wieder zuzuschütten, sondern abschnittsweise mit Betondecken zu überspannen und so dauerhaft zugänglich zu halten. Das hatte zugleich den ungemein praktischen Effekt, dass man auf der Unterseite sehr leicht sämtliche Kabel und die Elektronik verlegen konnte, für die man sonst mühsam von oben den Boden hätte öffnen müssen. Im Bereich des Chormosaiks wäre das gänzlich ausgeschlossen gewesen.

Wenn Sie heute durch den Dom gehen, laufen Sie also in weiten Teilen auf dieser Betondecke herum. Im Osten, wo die Grabungen begonnen hatten, ist sie noch sehr – sagen wir – rustikal gehalten. Weiter im Westen hat man dann schon elegant mit Stahlbeton gearbeitet.

Arbeiten bis ins Jahr 2000

Im Südteil wurde insgesamt mehr ausgegraben, im Norden weniger. Die Arbeiten zogen sich insgesamt von 1946 bis etwa ins Jahr 2000 hin. Als letztes beseitigten wir, archäologisch begleitet, einen Erdblock, der die beiden in Ost-West-Richtung verlaufenden ergrabenen Gänge voneinander trennte. Mit dem Verbindungsstück wurde ein Rundgang in den Ausgrabungen möglich. Bei mehreren Führungen gleichzeitig kommen Besuchergruppen sich damit nicht mehr in die Quere.

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Forschung nicht abgeschlossen

Ein Gipsmodell gibt Aufschluss über die erschlossenen und die nicht erschlossenen Teile des Untergrunds. Einige Bereiche blieben bewusst ausgespart, um auch den Archäologen der nächsten und übernächsten Generation noch etwas Arbeit übrig zu lassen. Das ist nicht bloß eine Frage der Kollegialität, sondern hat auch damit zu tun, dass sich die Fragen und die Methoden der Archäologen im Lauf der Zeit ändern können.

So sind die Ausgrabungen aus der Nachkriegszeit schon heute nicht mehr völlig befriedigend. Obwohl Doppelfeld zweifellos ein großer Archäologe war, stellte er sich manche Fragen nicht, die seine Nachfolger heute gern beantwortet wüssten.

Wir haben heute jedenfalls etwa 3000 bis 3200 Quadratmeter ausgegrabener Fläche unter dem Dom – genug, um die Forscher auf Trab zu halten und die Neugier der Besucher zu stillen.

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