Einkaufen, Spaziergänge, ArbeitWas bedeutet eine Ausgangssperre in Köln?

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Lockdown Symbolbild1

Ab Mitternacht gilt in Köln eine nächtliche Ausgangssperre.

Köln – Ab Mitternacht am Freitag gilt in Köln eine nächtliche Ausgangssperre. Das hat der städtische Krisenstab in seiner Sitzung am Freitag beschlossen, nachdem das Land NRW bereits einen Tag zuvor grünes Licht für diese Entscheidung gegeben hatte. „Es ist ein schwerer Tag für Köln, aber die letzte wirklich starke Maßnahme, die uns als Stadt zur Verfügung steht“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einer Pressekonferenz im Rathaus. „Es ist kein Spiel mehr. Es geht um Leben und Tod und viel Leid“, sagte Polizeipräsident Uwe Jacob.

Hintergrund der neuen Maßnahme sind die steigenden Corona-Infektionszahlen und die sich zuspitzende Situation auf den Intensivstationen. Am Freitagvormittag waren in den Kölner Kliniken nur noch 22 von insgesamt 393 Intensivbetten frei. „Jeder Tag ohne weitere Maßnahmen würde zusätzliche Corona-Tote, mehr Kranke und einen sehr, sehr langen Lockdown, wenn vielleicht auch einen Lockdown light, bedeuten“, sagte Reker. Und genau das müsse verhindert werden.

Was bedeutet die Ausgangssperre für das Leben in Köln? Was ist verboten, was erlaubt? Ein Überblick.

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Was bedeutet die nächtliche Ausgangssperre?

Dass alle Menschen in Köln zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens ihre Wohnung nur noch in Ausnahmefällen verlassen dürfen. Diese Regelung gilt ab heute, Freitag, 24 Uhr.

Warum wurde sie beschlossen?

Das liegt einerseits an den weiterhin steigenden Infektionszahlen. Vor allem die mutierte britische Virusvariante habe eine neue und tückische Dynamik in das Infektionsgeschehen gebracht, „mit der wir so in den ersten beiden Wellen nicht vertraut waren“, sagte Reker. Ausschlaggebend für die Ausgangssperre sei aber die Situation in den Krankenhäusern.

„Unser Gesundheitssystem kommt bedrohlich nah an seine Grenze. Das melden seit Tagen die Ärzteschaft und die Pflegekräfte in den Kölner Kliniken“, sagte Reker. Die Entscheidung für die nächtliche Ausgangssperre beruhe daher nicht auf statistischen Berechnungen, sondern auf den Warnungen der Menschen, „die in den Kliniken am nächsten an der Realität des Infektionsgeschehens sind“, sagte die OB.

In dieser Woche wurde die bisherige Höchstzahl der Corona-Patienten übertroffen. Waren es während der ersten Welle bis zu 74 Patienten und während der zweiten Welle bis zu 107 Patienten, müssen in der dritten Welle aktuell 115 Covid-Patienten auf der Intensivstation behandelt werden. Hinzu komme, dass schon jetzt nicht mehr alle Krankenhäuser medizinische Notfälle umfassend versorgen könnten. „Die Intensivstationen sind am Limit“, sagte Reker.

Wann ist das Verlassen der eigenen Wohnung während der Ausgangssperre erlaubt?

Als triftige Gründe nennt Krisenstabsleiterin Andrea Blome etwa dringende Arzt- und Apothekenbesuche sowie Betreuung und Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen. Außerdem zählen Arbeitsweg, Begleitung und Betreuung von sterbenden Personen und Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen. Einkaufen im Supermarkt oder Spaziergänge sind ab 21 Uhr nicht mehr erlaubt, Gassigehen mit dem Hund hingegen schon. 

Welche Auswirkungen hat die Ausgangssperre?

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) werden ihren Nachtverkehr ab dem 23. April einstellen. Das bedeutet, dass in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag und Sonntag zwischen circa 1.15 Uhr und 4.15 Uhr keine Busse und Bahnen mehr fahren werden. Das abendliche Verkehrsangebot unter der Woche soll hingegen für Berufstätige weiterhin aufrechterhalten werden, so die KVB.

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Obwohl Einkaufen grundsätzlich verboten ist, dürfen Geschäfte wie etwa Supermärkte auch nach 21 Uhr geöffnet bleiben. Eine entsprechende Allgemeinverfügung, mit der eine Schließung verpflichtend werden könnte, hat die Stadt am Freitag nicht vorgelegt. Allerdings spricht Andrea Blome von einem „Automatismus“, mit dem die Händlerinnen und Händler künftig freiwillig ihre Läden zu dieser Uhrzeit schließen werden. Es mache schließlich keinen Sinn, ein Geschäft offen zu halten, wenn niemand komme, der darin einkaufen dürfe, sagt Blome.

Zudem habe sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker noch einmal an die großen Unternehmen in der Stadt gewandt: „Präsenz muss in den kommenden Wochen die Ausnahme sein und Homeoffice die Regel“, so Reker. Jeder solle den Arbeitsweg so reduziert wie möglich bestreiten, denn „jeder Arbeitsweg, der nicht notwendig ist, ist einer zu viel“.

Wie wird die Ausgangssperre kontrolliert?

Stadt und Polizei kündigten an, „Augenmaß“ und „Verhältnismäßigkeit“ bei den Kontrollen walten zu lassen. Das heißt konkret, dass nicht jeder direkt zur Kasse gebeten wird, der sich draußen aufhält. Erst bei renitentem Verhalten oder groben Verstößen soll das passieren. „Wir werden bei den Bürgern um Verständnis für die Maßnahmen bitten. Aber ich sage auch deutlich: Diejenigen, die sich nicht an die Auflagen halten, müssen mit Platzverweisen rechnen“, sagte Polizeipräsident Uwe Jacob. „Wer unbelehrbar ist, wird auch die Zwangsmittel zu spüren bekommen.“

Im Zweifel könnten Menschen auch in Gewahrsam genommen werden. Grundsätzlich werden Verstöße gegen die Ausgangssperre mit 250 Euro belegt. Ordnungsamts-Leiter Wolfgang Büscher sagte, ein „Passierschein-Verfahren“, mit dem man nachweisen müsse, dass man beruflich unterwegs ist, gebe es nicht. „Wir erkennen unsere Pappenheimer“, sagte Büscher.

Sind Polizei und Ordnungsamt verstärkt im Einsatz?

Zunächst nicht. Beide Kontrollbehörden seien mit normalen Kräften im Einsatz. „Das heißt, dass etwa zehn bis zwölf Zweier-Teams in der Nachtschicht in der Stadt unterwegs sind“, sagte Büscher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die normalen Dienstzeiten – am Wochenende bis 2 Uhr in der Früh – würden zunächst nicht ausgeweitet, ebenso sei die Hotline des Ordnungsamts, bei der Bürger größere Verstöße melden können, auch in Zeiten der Ausgangssperre nur bis 1 Uhr morgens geschaltet.

Eine längere Erreichbarkeit in der Nacht hätte aus technischen und personellen Gründen einer längeren Vorlaufzeit bedurft, sagte Büscher zur Erklärung. Für die Zeit danach verwies er an den Polizeinotruf 110. Mehr Personal von der Tag- in die Nachtschicht zu verlagern, sei ebenfalls nicht geplant. „Wir haben im Vorfeld darüber nachgedacht, aber uns dagegen entschieden“, sagte Büscher. All das könne sich aber innerhalb der nächsten Woche ändern, falls es die Lage nötig mache.

Und was macht die Polizei?

Auch die Polizei geht davon aus, dass sich die meisten Kölner an die Ausgangssperre halten werden und schickt mit etwa 450 Polizisten in der Nacht das übliche Personal eines Regeldienstes auf die Straßen. „Da werden aber auch Sonderdienste dabei sein, die sehr flexibel im Stadtgebiet unterwegs sind“, sagte Jacob. Wenn es erforderlich wäre, könnten auch Kräfte der Bereitschaftspolizei kurzfristig an diesem Wochenende mobilisiert werden.

Ist die Ausgangssperre verhältnismäßig?

Ja. Das sagt jedenfalls Henriette Reker. Ihr sei bewusst, dass dieser Schritt ein gravierender Eingriff ist, der „wahrscheinlich eine Menge Kritik auslösen und vielleicht sogar Gerichte beschäftigen wird“, so Reker. Doch die Maßnahme sei vorab gründlich juristisch geprüft worden.

Bis wann gilt die Ausgangssperre?

Einen genauen Zeitpunkt gibt es noch nicht. Die Aufhebung der Maßnahme seit laut Oberbürgermeisterin Henriette Reker vom Inzidenzwert und der Situation in den Krankenhäusern abhängig. Sollten sich beide Faktoren deutlich verbessert haben, werde die Ausgangssperre wieder aufgehoben. Aber: „Die Maßnahmen, die wir heute treffen, wirken nicht unmittelbar. Es dauert einige Tage, bis wir die Wirkung sehen“, so Reker.

Wie wirkt sich die Maßnahme auf den Ramadan aus?

Während des Fastenmonats Ramadan, der am 13. April begonnen hat und am Abend des 12. Mais endet, fasten gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das sogenannte „Fastenbrechen“ findet in der Nacht statt – also fast zeitgleich mit dem Beginn der nun beschlossenen nächtlichen Ausgangssperre, die von 21 bis 5 Uhr gilt. Aus diesem Grund finden die Iftāressen nicht wie üblich in der Moschee oder in großer Runde mit Familie und Bekannten statt. Vielmehr appellieren die Verantwortlichen der Ditib, dass das Fastenbrechen zu Hause im engen Familienkreis begangen wird. „Es gibt im Ramadan keine Ausnahme für abendliche Treffen“, sagt auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Und das gelte für die Gläubigen aller Religionen.

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