Die 72-Jährige gilt vielen als „Gesicht der Kölner SPD“, steht für die Kommunalwahlen im Herbst aber nur noch auf Platz 18 der Ratsreserveliste.
„Entwürdigend und ungerecht“Elfi Scho-Antwerpes muss um ihr Mandat bangen

Elfi Scho-Antwerpes beim Come-Together-Cup 2024 – der Kampf für Vielfalt, gegen Rassismus und das Wohl der queeren Community liegen der Kölner SPD-Politikerin besonders am Herzen.
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Es ist ein sonniger Dienstag, die Luft ist kühl. Elfi Scho-Antwerpes betritt das Café mit blauer Mütze und blauem Schal, die Augen hinter der kreisrunden Brille mit rotem Rand sind mit blauem Lidstrich umrandet. Frisch sieht sie aus, die 72 Jahre alte Ratsfrau, die vielen als „das Gesicht der Kölner SPD“ gilt. Seit 2004 gehört die Diplom-Bauingenieurin dem Stadtrat an, bis 2020 war sie erste Bürgermeisterin, von 2015 bis 2017 saß sie zudem im Bundestag. Sie möchte weitermachen, netzwerken, helfen, Dinge anschieben. Sie liebt, was sie tut.
Doch seit dem vergangenen Samstag steht fest: Elfi Scho-Antwerpes muss um ihr Mandat bangen. Möglicherweise wird sie dem neuen Stadtrat nach den Kommunalwahlen am 14. September nicht mehr angehören. Die Führungsriege der Kölner SPD hat ihr lediglich Platz 18 in der Ratsreserveliste zugeteilt. Das heißt: Sie muss ihren neuen Wahlkreis Dellbrück (Mülheim III) direkt gewinnen.
Aktuell hat die Kölner SPD-Fraktion 19 Mitglieder. 2020 hatten zwölf SPD-Kandidaten ihre Wahlkreise (45 gibt es in Köln) direkt gewonnen. Die übrigen sieben Ratsmitglieder zogen über die Liste ein, darunter Scho-Antwerpes, die in ihrem damaligen Wahlkreis Porz I knapp der CDU-Konkurrentin Anna-Maria Henk-Hollstein unterlag. Dellbrück ging 2014 an die SPD, 2020 setzten sich hier die Grünen durch. Scho-Antwerpes, die in Klettenberg wohnt, übernahm den Wahlkreis 2023.
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„Ich gebe alles“, sagt sie, „ich bin sehr präsent in Dellbrück“. Ihre Devise: „Mit den Menschen reden, nicht über sie.“ Dass die kommenden Monate ihre letzten als Mitglied des Kölner Stadtrats sein könnten? „Damit will ich mich nicht beschäftigen.“ Ihr wichtigstes Anliegen ist es, für soziale Gerechtigkeit einzutreten, dafür ist Scho-Antwerpes in der Stadt bekannt. Sie nennt das „die Kern-DNA der SPD“ und sich selbst „eine Kümmerin“.
Ihren späteren Mann lernte Scho-Antwerpes beim Volleyball kennen
Vor ihrer politischen Karriere war Elfi Scho als Bauingenieurin im Städtebau tätig, zuletzt bei der Bezirksregierung Köln. Dort traf sie beim Mitarbeiter-Volleyball auf Franz-Josef Antwerpes, den damaligen Regierungspräsidenten. 1983 heirateten sie und bekamen eine Tochter, vier Jahre später kam der gemeinsame Sohn zur Welt. Mutter und Ehefrau zu sein, habe ihr nicht gereicht, sagt Scho-Antwerpes: „Ich brauchte zusätzlich etwas zu tun.“ Und so begann 1984 ihr ehrenamtliches Engagement, vor allem im sozialen Bereich.
Scho-Antwerpes ließ sich zur Stillberaterin und Babymasseurin fortbilden und bot kostenlose Kurse an. Außerdem schloss sie sich bereits in den Anfängen der Aidshilfe an, sie war über 30 Jahre im Vorstand der Aidshilfe Köln und gehört heute dem Stiftungsrat der Deutschen Aids-Stiftung an. Sie steht, wo es geht, gegen Rassismus auf, stemmt sich gegen Diskriminierung und unterstützt die queere Community. „Ich bin eine Kämpfernatur“, sagt diese zierliche Person mit dem hellblonden Haar.
Das musste sie auch sein, vor allem 2001, als sie die Diagnose Darmkrebs bekam. „Ich bin jeden Morgen demütig und dankbar, dass ich noch da sein darf“, sagt Scho-Antwerpes an diesem sonnigen Dienstag im Café: „Das ist ein Geschenk des Himmels, das war neben der ärztlichen Kunst nicht nur die Chemie.“
Scho-Antwerpes: Vertreterin von Schramma, Roters und Reker
Nur drei Jahre später zog sie zum ersten Mal in den Stadtrat ein und wurde erste Bürgermeisterin von Köln, die Stellvertreterin des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma (CDU). „Für mich hatte ich es geschafft“, sagt Scho-Antwerpes, „jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich für ein besseres Leben für die Menschen in Köln sorgen muss“. Sie blieb auch unter Jürgen Roters erste Bürgermeisterin und während der ersten Amtszeit von Henriette Reker. Diese nach dem Attentat am Tag vor ihrer ersten Wahl zur Oberbürgermeisterin vertreten zu müssen, gehört zu den eindrücklichsten Politik-Erfahrungen von Scho-Antwerpes.

Nach den Kommunalwahlen im Herbst 2015 leitet Elfi Scho-Antwerpes (im Bild mit dem damaligen Stadtdirektor Guido Kahlen) die erste Ratssitzung in Köln – die neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker war nach einem Attentat noch nicht wieder einsatzfähig.
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Ihr schlimmstes Erlebnis sei der Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 gewesen, sagt die 72-Jährige. Jeden Morgen um 7 Uhr habe es Sitzungen des Krisenstabs gegeben, man habe um das Leben der beiden vermissten jungen Männer gebangt, die schließlich nach fünf und neun Tagen tot geborgen wurden. Die schwierige Aufgabe, die Familie des Zweiten zu informieren, fiel Scho-Antwerpes zu. „Das Ausmaß des Unglücks werde ich nie wieder aus meinem Kopf bekommen“, sagt sie.
Ihre Kämpfernatur blitzte auch am vergangenen Samstag auf. Bei der Wahlkreisdelegiertenkonferenz der Kölner SPD stellte sie klar, dass ihr Platz 18 auf der Ratsreserveliste zu wenig ist. Unter Christian Joisten, seit 2018 Fraktionsvorsitzender der Kölner SPD im Stadtrat, verlor Scho-Antwerpes zunächst ihr Bürgermeisteramt und muss nun womöglich bald auch ihr Ratsmandat abgeben. „Ich bin keine Ja-Sagerin“, lautet ihre Erklärung.
Scho-Antwerpes über Listenplatz: „Entwürdigend und ungerecht“
Joisten und die Kölner Parteichefs Claudia Walther und Andre Schirmer dagegen bezeichneten die Erstellung der Reserveliste als „Quadratur des Kreises“. Man habe zu viele gute Leute und der selbst auferlegte Kriterienkatalog zur geschlechtergerechten, diversen, fachlich ausgeglichenen und alle Stadtbezirke berücksichtigenden Verteilung der Top-Zehn-Plätze habe kaum Spielraum zugelassen. Persönlich solle das doch bitte niemand nehmen.
Platz 18 habe sie verletzt, sagt Sho-Antwerpes: „Ich finde das entwürdigend und ungerecht und wenig strategisch gedacht.“ Also trat sie bei den Wahlen am Samstag gegen die Kollegin Eva Bürgermeister auf Rang acht an. Eine Frau über 60 gegen eine andere Frau über 60. Kulturpolitikerin gegen Sozialpolitikerin. Kampf-Kandidatur nennen sie das in der Politik. Davon gab es diesmal gleich vier, auch andere waren mit der vom SPD-Parteivorstand abgesegneten Reihenfolge nicht zufrieden. Sehr irritierend war etwa der Kampf um Platz sechs: Sevim Ayfer, die Frau mit Migrationshintergrund, wurde von Lisa Steinmann, der Frau im Rollstuhl herausgefordert. Sevim Ayfer gewann.
Elfi Scho-Antwerpes lag nach dem ersten Wahldurchgang nur zwei Stimmen hinter Eva Bürgermeister, die als Vertreterin des Bezirks Lindenthal in den Top-Zehn platziert worden war. Da eine absolute Mehrheit für den Sieg nötig gewesen wäre, wurde noch einmal gewählt. Diesmal reichte die einfache Mehrheit und Bürgermeister bekam den achten Platz, der relativ sicher den Einzug in den Stadtrat bedeutet. Elfi Scho-Antwerpes muss bangen. Aber sie will kämpfen. Für sich. Für soziale Gerechtigkeit. Für Köln, die Stadt, die sie so liebt.