„Mehr Extremwerte“Experte warnt vor häufigen Hoch- und Niedrigwassern in Köln

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Rhein Hochwasser 070221 GOYERT

Hochwasser am Sonntag auf der Höhe von Köln-Rodenkirchen

  • Dr. Wolfram Tauer ist Ingenieur und auf Wasserbau spezialisiert.
  • Bei der Beratungs-Firma Arcadis verantwortet er den Bereich Wasser.
  • Im Interview erklärt er, warum Köln zwar gut auf Hochwasserlagen vorbereitet ist – Extremwerte wie Hoch- und Niedrigwasser in Zukunft aber noch zunehmen werden.

Köln – Herr Tauer, der Rhein schwappt auf die Altstadt-Promenade, aber die Fachleute sind alle ganz entspannt. Haben wir auf längere Zeit nichts mehr zu befürchten? Wird es keiner Jahrhundert-Hochwasser mehr geben? Wolfram Tauer: Köln hat durch die lokalen Hochwasserschutzmaßnahmen in der Tat einen Hochwasserschutz auf hohem Niveau geschaffen. Dazu kommen die vielen bereits realisierten Schutzmaßnahmen wie Rückhalteräume und Deichrückverlegungen am Rhein und den Nebenflüssen oberhalb von Köln. Dies zahlt sich in solchen Situationen definitiv aus.

Besteht also keine Gefahr mehr?

Auch wenn in den letzten Jahren Extremhochwasser selten war und Niedrigwasser dominierte, dürfen die Bemühungen des vorbeugenden Hochwasserschutzes nicht nachlassen. Dazu gehört, dass die vereinbarten Maßnahmen am Oberrhein zu 100 Prozent umgesetzt werden,

Alles zum Thema Klimawandel

Haben die Kölner ihren Job erledigt oder müssen sie mehr tun?

Es empfiehlt sich eine Überprüfung hinsichtlich der Schutzhöhe, denn durch den Klimawandel werden die Extrema ausgeprägter, was beispielsweise durch Anpassung der mobilen Elemente berücksichtigt werden kann. Damit das nicht sofort geschehen muss, wird seit vielen Jahren bei der Bemessung bereits ein „Klimazuschlag“ berücksichtigt. Aber irgendwann ist dieser natürlich auch „aufgebraucht“.

Es gibt also keinen Grund zur Nachlässigkeit.

Wenn es dieses Mal in Köln noch „entspannt“ zugeht, haben die Kölner dies auch der Wetterlage zu verdanken: Die ausgiebigen Regenfälle bis in hohe Lagen einhergehend mit Schneeschmelze gab es fast nur in Südwestdeutschland. Dort ist der Niederschlag zwischendurch sogar wieder in Schnee übergegangen. Der Norden Deutschlands war geprägt durch Frost und nur geringe Schneefälle und in den Bergen hat es weiter geschneit. Eine sicher deutliche höhere Hochwasserspitze hätte es gegeben, wenn es auch im Flachland zur Schneeschmelze hätte kommen können und die Regenfälle länger und ergiebiger ausgefallen wären. Dann wäre auch der Rheinwasserstand eher bei den zehn Metern gewesen.

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Aber in den letzten Jahren hatten wir am Rhein doch eher Probleme mit extremen Niedrigwasser.

Das stimmt. Aber dennoch dürfen wir nicht davon ausgehen, dass Hochwasser seltener werden oder niedriger ausfallen. Gerade durch die Klimaveränderungen muss mit mehr Extremwerten gerechnet werden. Dazu gehören leider auch die von Ihnen angesprochenen Niedrigwasserperioden mit all ihren negativen Auswirkungen auf Mensch, Natur und Wirtschaft. Darüber hinaus gilt auch in diesem Fall: Vernetzt und großräumig denken.

Was heißt das konkret?

Über Jahrhunderte wurden Feuchtgebiete in landwirtschaftliche und städtische Nutzflächen umgewandelt und Flüsse von ihren natürlichen Überschwemmungsgebieten abgekoppelt. Solche Baumaßnahmen haben auch das Risiko von Überschwemmungen weiter flussabwärts durch höhere oder kumulierende Wasserspitzen und höhere Wassergeschwindigkeiten erhöht. Wir haben im Jahr 2017 für die Europäische Umweltagentur eine Studie zur Wiederherstellung von Überschwemmungsgebieten oder Feuchtgebieten durchgeführt. Im Ergebnis zeigt sich klar, dass die Wiederherstellung von Auen und Feuchtgebieten nicht nur ökologisch wertvolle Flächen schafft, sondern auch vergleichsweise kostengünstige Lösungen für den Hochwasserschutz bietet.

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