Kino trotz Corona in Köln„Manche hatten im Lockdown ihr erstes Date bei uns“

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Odeon-Theater-Leiter Martin Roelly

Köln – „Ist das Kino oder kann das weg?“, „Freie Bahn mit Marzipan!“: Martin Roelly klettert mehrmals die Woche auf die Leiter und verpasst dem Lichtkasten am Odeon Kino an der Severinstraße einen neuen Schriftzug. 

Wo normalerweise das neuste Filmprogramm prangt, füllen pfiffige Wendungen wie diese oder Widmungen der Anwohner aus dem Veedel die Leere. Manche Passanten, so Roelly, empfinden die Botschaften in roten Lettern mittlerweile als tröstend in einer Zeit, in der die Säle seit mittlerweile sechs Monaten im Dauer-Lockdown verharren. Aktionen wie „Kino zwei“ seien da regelrechte Lebenszeichen.

Solidarität im ersten Lockdown

„Im ersten Lockdown haben wir so viel Solidarität in Form von Gutscheinkäufen und Spenden erfahren, dass wir den Menschen etwas zurückgeben möchten“, sagt der Theaterleiter. Das Team stellt drei Abende in der Woche seinen Saal als Wohnzimmer zur Verfügung: Und die Ausgelosten dürfen ihren Film der Wahl mitbringen, der dann extra für sie auf die Leinwand projiziert wird.

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Der Lichtkasten des Odeon Kinos in der Kölner SÜdstadt wird im Lockdown regelmäßig mit Sprüchen oder Grüßen von Anwohnern bespielt.

Von „Blade Runner“, 80er-Jahre Arthouse-Film bis hin zu eigenen Urlaubsvideos war schon alles dabei. Besonders in Erinnerung geblieben sind dem 43-Jährigen ein junger Mann, der mit einem Rentner kam oder Eltern mit ihren Kindern. „Es gab schon Paare, die hier ihr erstes Date bei uns hatten.“ Insgesamt seien es mittlerweile rund 700 Anfragen.

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Odeon-Geschäftsführer Jürgen Lütz ist fasziniert von der Resonanz: „Manchmal kommen welche mit einem Blockbuster und sehen ihn erstmals auf großer Leinwand. Sie nehmen die Nebendarsteller und Töne anders wahr. Manche sagten schon: Eigentlich habe ich den Film gerade das erste Mal überhaupt gesehen“. 

Odeon Kino in Köln wird weiter bestehen

Die Krise unterstreiche die Bedeutung des Kinos, findet Lütz. Dieses biete im Gegensatz zum heimischen Sofa Erlebniskultur. Und auch jetzt im Lockdown sei „Kino für zwei“ mehr als nur „Beschäftigungstherapie“ für das Personal: „Man redet mit den Leuten, diese erfahren, wie sehr sie Kino vermissen und wie wichtig unser Kulturmedium noch in der Gesellschaft verankert ist“.

Das mittlerweile zeitaufwendige Projekt stärke aber auch das Team in dieser schweren Zeit, sagt Theaterleiter Roelly. Fest steht: Das Odeon wird es weiter geben. Den größten Schaden habe Corona beim Personal verursacht: „Unsere Festangestellten halten wir auf 80 Prozent Kurzarbeit, die geringfügig Beschäftigten mussten wir freistellen“, sagt Geschäftsführer Lütz. Natürlich müsse man sich nach der Pandemie seine Attraktivität wieder erkämpfen. Doch Filme wie der gerade Oscar-prämierte „Nomadland“ zeigten, weshalb flimmernde Großleinwände unentbehrlich seien.

Kino sei eben ein Ort zum Träumen, findet auch Thorsten Schiers, Theaterleiter des Autokinos in Porz. Vergangenes Jahr erlebte diese Form des Freiluftkinos eine nicht mehr geglaubte Renaissance. Plötzlich wurde es zur sicheren Bühne für Konzerte von Brings oder Comedy-Veranstaltungen. „Wir waren schon vor Corona coronakonform“, sagt Schiers und lacht.

Autokino in Köln-Porz trotz Ausgangssperre

Zwar hat die Ausgangssperre in Köln ihm zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht – der Laden musste kurzerhand dicht gemacht werden – aber nach nur zwei Wochen ist es wieder mit Programm zurück – allerdings nur bis 20 Uhr. Autokino im Hellen, wie geht das? „Wir haben uns jetzt eine LED-Wand besorgt, die strahlt von sich aus, sodass man auch bei Licht sieht, denn Autokino findet traditionell im Dunkeln statt. Die Projektion an der Wand ist normalerweise passiv“, erklärt Schiers.

Von vielen vergessen, dabei nicht zu übersehen: Das Autokino Porz.

Von vielen vergessen, dabei nicht zu übersehen: Das Autokino Porz.

Die Idee habe schon länger im Raum gestanden. Die Ausgangsbeschränkungen hätten diesem Vorhaben nun einen positiven Schub verpasst. „Und es spricht nichts dagegen, das auch in Zukunft weiter anzubieten: Tagsüber mit Familienprogramm, was sonst schwierig ist, weil wir im Sommer teilweise erst um 22.30 Uhr starten. Und abends mit normalem Programm“.

Krise klingt anders, könnte man meinen, schließlich steht Schiers derzeit praktisch ohne Konkurrenz da. Doch Grund zur Freude ist das für ihn nicht, denn geschlossene Säle bedeuten, dass auch der gesamte Filmmarkt stagniert. „Ich hoffe, dass die Kinos bald aufmachen, damit neue Filme kommen. Wir haben keine Variationsmöglichkeiten und zeigen Filme von vor einem Jahr.“

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