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Interview

Fritz Schramma
„Wenn eine Mannschaft immer wieder verliert, dann muss der Trainer gehen“

5 min
07.05.2024, Köln: Porträt des früheren Oberbürgermeistesr von Köln Fritz Schramma.

Foto: Michael Bause

Fritz Schramma ist aus der CDU ausgetreten.

Nach fast 50 Jahren ist Fritz Schramma aus der CDU ausgetreten. Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt er seine Gründe.

Herr Schramma, welche Rückmeldungen haben Sie nach Bekanntwerden Ihres Austritts aus der CDU erhalten?

Fritz Schramma: Das sind bis jetzt schon mehr als 50. Das ging mit SMS und Whatsapp-Nachrichten schon in der Nacht los. Und was mich freut: Sie sind alle sehr, sehr positiv und befürwortend.

Im kommenden Jahr wären Sie 50 Jahre Mitglied in jener Partei gewesen, für die Sie sich so lange eingesetzt und starkgemacht haben. So ein halbes Jahrhundert schmeißt man doch nicht einfach so weg…

Sicherlich, dieser Schritt ist nicht einfach für mich. Im Übrigen sind auch meine Frau und meine Tochter aus der CDU ausgetreten. Wir haben uns das lange überlegt. Nächstes Jahr hätte für 50 Jahre Parteizugehörigkeit wieder einige verlogene Elogen mit ein paar Auszeichnungen erhalten. So etwas muss ich nicht haben, schon gar nicht von den Personen, die gerade den Ton angeben.

Fritz Schramma: Kritik am Führungspersonal in der Kölner CDU

Was war ausschlaggebend für Ihren Parteiaustritt?

Da gab es nicht nur einen Grund. Nehmen wir nur mal die Kommunalwahl: Die ist ja wie schon die vorherigen Wahlen nicht so verlaufen, wie sich das wahrscheinlich auch Herr Kienitz oder Herr Petelkau gewünscht hatten. Um einen Vergleich mit dem Fußballsport zu ziehen: Wenn eine Mannschaft immer wieder verliert, dann muss der Trainer gehen. Entweder zieht man selbst die Konsequenzen oder jemand anders zieht sie.

Und das macht Herr Petelkau nicht?

Mich ärgert es nach wie vor, dass die Verantwortlichen nicht imstande und nicht willens sind, sich selbst zu reflektieren. Sich selbst zu fragen, woran es liegt, dass wir von Wahl zu Wahl schlechter werden, dass wir wieder einen Misserfolg erzielt haben und unsere Ziele nicht erreicht haben. Nein, das wird völlig übergangen, direkt totgeschwiegen. Stattdessen werden am nächsten Morgen in einer Nacht und Nebel-Aktion der Fraktionschef (Bernd Petelkau, Anm. d. Red) wiedergewählt, ebenso der Geschäftsführer (Niklas Kienitz, Anm. d. Red.). Bevor hier überhaupt irgendeiner was denkt, sagt und fragt, sichert man sich erst mal die Pöstchen.

Gibt es weitere Gründe?

Auch der Umgang mit Herrn Dr. Elster ist für mich unmöglich. Er hat die Stadt als Bürgermeister wirklich würdevoll vertreten – und dann wird der einfach abserviert an so einem Morgen: Weg, kommt eine neue hin (die bisherige Vize-Fraktionschefin Teresa De Bellis-Olinger soll Elster ablösen, Anm. d. Red).

Fühlten Sie sich nicht mehr gehört in der CDU?

Ich bin in all den Jahren immer mal wieder laut geworden innerhalb der Partei. Es ging mir dabei stets um Verbesserungen, auch im Sinne der Transparenz. Heute wird in der CDU aber nicht mehr richtig diskutiert oder es wird geschwiegen, wie jetzt zum Beispiel beim Bundeskanzler und dem Stadtbild-Thema. Da muss doch auch eine Kölner CDU mal was zu sagen. Ich habe die Nase voll von diesem ganzen Getue. Hinzu kommt meine gesundheitliche Situation, die ich aber nicht in den Vordergrund stellen will. Aber ich setze jetzt andere Prioritäten für mich, auch mit Blick auf die Familie. Einer oder eine andere muss das jetzt in die Hand nehmen.

Ist Ihr Parteiaustritt also zugleich als Appell zu verstehen?

Ja, das kann man so sehen. Außer der Tatsache, dass ich jetzt mehr Ruhe für mich persönlich habe, hätte es auch noch den Sinn, dass die Partei aufgerüttelt wird und dass jemand vielleicht jetzt anfängt, diesen Widerstand im Reformprozess erneut anzustoßen.

Sie waren als Oberbürgermeister selbst nicht unumstritten innerhalb der Partei. Zum Beispiel, als der Bau der Zentralmoschee genehmigt wurde…

Das ist richtig. Da habe ich die Interessen der Stadtgesellschaft vertreten, und zwar ganz bewusst und nicht die der Partei. Ich war nie Oberbürgermeister der CDU, sondern der aller Kölner. Und wenn man in der Demokratie für gewisse Dinge einsteht oder Sachen verändern will, dann kann es auch mal in der eigenen Fraktion oder Partei krachen.

Wenn die CDU derzeit so ruhig nach außen hin erscheint, stehen Sie dann mit Ihrer Meinung nicht doch recht allein dar?

Nein, absolut nicht. Das höre ich tagtäglich in Gesprächen und an den Meldungen, die ich bekomme. Die Parteibasis ist mehrheitlich sehr unzufrieden. Wenn ich Ihnen die ganzen Mails schicken würde, könnten Sie ein Buch daraus machen.

Warum wird dann dennoch nach außen hin geschwiegen?

Weil natürlich bestimmten Leuten von Herrn Petelkau bestimmte Dinge in Aussicht gestellt werden. Und deswegen sind sie ruhig, jedenfalls in der Spitze. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Und wenn sich da an diesem Kopf nichts ändert, dann bleibt das so, und dann wird unsere Partei wirklich den Bach runtergehen. Das hat sie aber nicht verdient, weil da auch gute Leute drin sind.

Oliver Kehrl galt bei vielen in der CDU als Hoffnungsträger.

Den hätte ich mir gut vorstellen können, zum Beispiel als Parteivorsitzender oder als Fraktionsgeschäftsführer. Dass er sein Ratsmandat aus Enttäuschung über die fehlende Erneuerung in der Kölner CDU nicht antritt, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Dass ein vom Volk direkt gewählter Kandidat sein Mandat nicht antritt, kritisieren Sie nicht?

Ich sagte ja, ich sehe es auch mit einem weinenden Auge. Er hat jetzt erkannt, dass er innerhalb dieser Fraktion plötzlich keine Rolle mehr spielt. Das war ihm anders zugesagt worden, das ist definitiv so.

Sind Sie auch enttäuscht von der Parteivorsitzenden Serap Güler?

Leider wird die Serap ihrer Rolle – und das kann sie von Berlin aus auch gar nicht – nicht gerecht. Eigentlich ist der Parteivorsitz ein Job, der erfordert, Tag für Tag hier in Köln zu sein. Du musst immer da sein, schnell reagieren können. Das schafft sie natürlich gar nicht. Ihre Arbeit in Berlin macht sie ja ordentlich. Da sie im Außenministerium tätig ist, ist sie auch ganz viel im Ausland. Bei so vielen Außenterminen kann man nicht eine Partei so nebenbei führen. Und wenn man das tut, dann ist das auch eine Frage der Wertschätzung dieser Partei und ihrer Mitglieder.


Zur Person: Fritz Schramma, geboren am 27. August 1947 in Nippes. Philosophie-, Latein- und Pädagogik-Studium in Köln, danach arbeitete er als Lehrer und Studiendirektor. CDU-Mitglied seit 1976, seit 1989 Mitglied des Kölner Stadtrats. Oberbürgermeister von Köln vom 17. September 2000 bis 20. Oktober 2009