Marcel Winter von go.Rheinland soll Stefanie Haaks beerben. Der Aufsichtsrat entscheidet am 19. September.
Finanzen, Fahrplan, FahrzeugeAuf den neuen KVB-Chef Marcel Winter warten viele Baustellen

Marcel Winter von go.Rheinland soll an die Spitze der Kölner Verkehrs-Betriebe wechseln.
Copyright: Foto: Smilla Dankert/go.Rheinland
Mit Krisen kennt Marcel Winter (51) sich aus. Immer mehr Bahnfahrer, viele Baustellen, Rekord-Verspätungen und Ausfälle bei den Regionalzügen und S-Bahn im Rheinland, Mangel an Fahrpersonal und Kürzungen beim Angebot, um wenigstens den einigermaßen stabil zu fahren und den Fahrplan nicht ganz zum Fantasieprodukt verkommen zu lassen. Das sind die Probleme, mit denen sich der künftige Chef der Kölner Verkehrs-Betriebe in seinem bisherigen Job als Geschäftsführer von go.Rheinland und des Aachener Verkehrsverbunds (AVV) herumschlagen muss.
Das zwar erst seit Juni 2024, doch der desolate Zustand des öffentlichen Nahverkehrs in NRW ist ihm seinem vorherigen Job als Geschäftsführer von National Express auch täglich vor die Füße gefallen. Nur aus dem Blickwinkel des Managers eines Eisenbahnverkehrsunternehmens.
Am 19. September wird der Aufsichtsrat über Winters Berufung an die KVB-Spitze entscheiden. Der Wechsel auf den Chefsessel an der Scheidtweiler Straße könnte Anfang April 2026 erfolgen. Die bisherige KVB-Chefin Stefanie Haaks hat angekündigt, ihren Vertrag Ende März kommenden Jahres vorzeitig auflösen zu wollen.
Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe
- Kritik von Pro Bahn Im VRS gibt es bald keine Kurzstrecke mehr – Köln betroffen
- Deutschland gegen Nordirland KVB verstärkt Stadtbahnbetrieb für Fußball-Länderspiel in Köln
- Kommunalwahl 2025 Wie die Parteien in Köln für mehr Sicherheit sorgen wollen
- Baustellen beendet Bushaltestellen an KVB-Haltestelle „Porz Markt“ werden zurückverlegt
- Starktrinker- und Drogenszene So könnte der Wiener Platz in Köln nach einer Umgestaltung aussehen
- Lücken bei Kölner KVB Linie 13 kehrt nicht zum alten Fahrplan zurück
- Aus für Kiosk am Neumarkt Pächter muss nach fast 20 Jahren weichen – Stadt hat neue Pläne
Alexandra Rohlmann soll Führungsposition bei KVB übernehmen
Winter ist nicht der einzige Personalvorschlag, über den der Aufsichtsrat abstimmen muss. Neue Vorständin für Technik und Finanzen soll Alexandra Rohlmann (50) werden. Dieser Job ist seit September 2024 verwaist. Damals wechselte der umstrittene Thomas Schaffer zur Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG (BoGeStra).
Rohlmann, studierte Wirtschaftswissenschaftlerin, arbeitet seit 2016 bei der Deutschen Bahn und verantwortet aktuell das Management der Fahrzeugflotte und die Instandhaltung bei DB Regio in Frankfurt. Zuvor leitete sie die Bereiche Fahrplanung und Infrastrukturentwicklung.

Testfahrten mit 90-Meter-Langzügen auf der Ost-West-Achse zwischen Bahnhof Deutz/Messe und Neumarkt im April 2024 Foto: Martina Goyert
Copyright: Martina Goyert
Im Februar hatte der Aufsichtsrat der KVB beschlossen, dass der Vorstand künftig nur noch aus drei statt bisher vier Mitgliedern bestehen soll. Der Dritte im Bunde ist Arbeitsdirektor Peter Densborn. Der Vertrag des KVB-Urgesteins und ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden läuft noch bis 31. Mai 2028. Die FDP-Fraktion im Kölner Stadtrat wollte ihn vorzeitig auflösen, um einen kompletten Neustart zu ermöglichen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.
Ich freue mich, dass wir dem Aufsichtsrat am 19. September zwei hervorragende Personen zur Bestellung empfehlen können
„Ich freue mich, dass wir dem Aufsichtsrat am 19. September zwei hervorragende Personen zur Bestellung empfehlen können“, sagt der KVB-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Richter auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Beide, Winter und Rohlmann, gehören keiner Partei an. Das ist schon deshalb erwähnenswert, weil es bisher üblich war, die Spitzenposten bei der KVB auch nach politischen Präferenzen zu vergeben.
Aber warum will ein erfahrener Bahn-Manager, der erst im November 2024 einen Fünf-Milliarden-Euro-Auftrag für 90 neue S-Bahn-Züge unterschrieben hat, die ab 2029 durchs Rheinland und das Ruhrgebiet fahren sollen, der noch mindestens ein Jahrzehnt am Ausbau des Bahnknotens Köln maßgeblich mitarbeiten könnte, zu einer KVB wechseln, die vor schier unlösbaren Aufgaben steht? Kann Marcel Winter die KVB retten?
Eine Antwort auf diese Frage wird es erst nach dem 19. September geben, sollte der Aufsichtsrat die Personalie absegnen. Offenbar hat Winter aber einen überzeugenden Plan in der Tasche, wie er die Probleme der KVB in den Griff kriegen will.
Und die sind mannigfaltig.
Das erwartet den neuen KVB-Chef Marcel Winter
Die Finanzkrise: Im vergangenen Jahr haben die Verkehrs-Betriebe einen Rekordverlust von 185,1 Millionen Euro eingefahren, 53,7 Millionen mehr als 2023. Bisher werden diese Verluste von den Stadtwerken abgedeckt, doch die hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt könnte angesichts der wirtschaftlichen Lage und einem Investitionsbedarf, der bis 2035 auf rund zehn Milliarden Euro beziffert wird, dazu nicht mehr in der Lage sein. Maximal 160 Millionen Euro, mehr soll pro Jahr nicht mehr an die KVB fließen.

Noch voller Optimismus: Im Juli 2022 steht KVB-Chefin Stefanie Haaks im Straßenbahn-Museum Thielenbruch vor einem 1:1-Modell der neuen Generation von Niederflur-Stadtbahnen. Bisher hat Alstom noch keinen Zug ausgeliefert. Foto: Martina Goyert
Copyright: Martina Goyert
Die Fahrzeugkrise: 48 Millionen Euro muss das Unternehmen investieren, um 40 Stadtbahnen einer Generalsanierung zu unterziehen, damit sie länger fahren können. Dafür hat die KVB eigens 28 Millionen Euro zurückgelegt. Die Bahnen, größtenteils 30 Jahre alt, sollten im Jahr 2024 nach und nach ausgemustert und durch 62 neue Züge des Bahnherstellers Alstom ersetzt werden. Bis heute wurde aber kein einziger geliefert. Vor 2028 wird das auch nicht der Fall sein. Die Züge werden für den Betrieb der Linie 1 zwischen Weiden-West und Bensberg dringend gebraucht. Sollten nicht nur 40, sondern alle alten Züge aufgemöbelt werden müssen, würde das 148 Millionen Euro kosten.
Die Fahrplankrise: Das Personalproblem ist gelöst, die Fahrplankrise geblieben. Sie ist eine Folge der maroden Bahnflotte. Seit 2023 ist das Fahrtenangebot deutlich eingeschränkt. Vor 2030 wird die KVB mit Ausnahme der Buslinien nicht zum regulären Fahrplan zurückkehren können.
Die Ausbaukrise: Ende 2024 hat der Aufsichtsrat drei Ausbau-Szenarien analysiert und die Kosten berechnet. Selbst die Basisvariante würde im Jahr 2035 ein Jahres-Minus von 227 Millionen Euro bedeuten. Damit läge der Verlust 67 Millionen Euro über dem Kostendeckel liegen, den die Stadtwerke einziehen wollen. Bleibt es dabei, wäre die Verkehrswende am Ende. Mehr als die Inbetriebnahme der Nord-Süd-Stadtbahn und der Ausbau der Ost-West-Achse sowie der Linien 4, 13 und 18 wäre dann nicht drin.
Streit um die Ost-West-Achse in Köln
Die U-Bahn-Krise: Oben oder unten? Der politische Streit um die Ausbauvariante bei der Ost-West-Achse lähmt das gesamte Unternehmen. Kommt die vom Stadtrat beschlossene U-Bahn-Variante, oder zieht sich das Thema ohne klare Entscheidung wieder in die Länge? Wie geht es nach der Kommunalwahl weiter? Muss die KVB sich darauf einstellen, dass es am Ende doch keine Gelder von Bund und Land für die von ihr favorisierte U-Bahn-Variante geben wird?
Die Führungskrise: Der KVB-Vorstand muss sich nach der Einsparung eines Führungspostens völlig neu sortieren. Dass es nur noch ein Führungstrio gibt, hat zumindest einen Vorteil: Bei strittigen Themen kann es kein Abstimmungspatt mehr geben. Das dürfte die Position des Arbeitnehmervertreters Peter Densborn schwächen.
Die Sicherheits- und Sauberkeitskrise: Die U-Bahnhaltestellen werden nachts immer häufiger von Wohnungslosen und drogenabhängigen Menschen als Unterschlupf genutzt. Mit unterschiedlichen Plänen, die von der nächtlichen Schließung der Stationen zwischen zwei und fünf Uhr, der Einrichtung eines Wärme-Raums bis kürzeren Reinigungsintervallen und einer 24-Stunden-Überwachung problematischer Haltestellen reichen, soll dem entgegengewirkt. Allein das zusätzliche Personal würde jährlich 2,5 Millionen Euro kosten, die tägliche Reinigung der Haltestellen weitere sechs Millionen.