Wenn der Notfall eintrittEin Blick in die Kölner Notaufnahmen

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Behandlungsraum in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Merheim. Zuerst gilt es, die Vitalfunktionen der Notfallpatienten zu stabilisieren.

Behandlungsraum in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Merheim. Zuerst gilt es, die Vitalfunktionen der Notfallpatienten zu stabilisieren.

  • Zu wissen, dass es für den medizinischen Notfall Ambulanzen gibt, dürfte viele Menschen beruhigen.
  • Doch wie arbeiten die überhaupt? Welcher Patient wird beispielsweise zuerst behandelt?
  • Wir werfen einen Blick in Kölner Notaufnahmen, auf Ausstattung und Abläufe, und erklären, wann zum Beispiel ein Hubschrauber zum Einsatz kommt – und auf wessen Hilfe Klinikärzte angewiesen sind.

Köln – Niemand möchte hin, jeder ist froh, dass es sie gibt: Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr geöffnet. Als wichtige Säule der Gesundheitsversorgung sind sie in erster Linie für die Betreuung von Akut- und Notfallpatienten zuständig. Tritt der Notfall ein, gibt es drei verschiedene Wege, auf denen Kranke und Verletzte in die Klinik-Notaufnahme gelangen können. Aus eigener Kraft, mit dem Rettungswagen oder per Rettungshubschrauber. Drei Kölner Krankenhäuser verfügen über einen eigenen Hubschrauberlandeplatz: das Universitätsklinikum, das St.-Vinzenz-Hospital und das Krankenhaus Merheim. In Ausnahmefällen dürfen die Helikopter auch auf öffentlichen Flächen und Straßen landen.

Für die Behandlung in der Notaufnahme gilt nicht das Prinzip: Wer zuerst da ist, kommt auch zuerst dran. „Wir entscheiden nach Dringlichkeit. Notfallpatienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen haben Vorrang“, sagt Dr. Jens Müllen. Er ist Leiter der neu konzipierten Zentralen Notaufnahme (ZNA) im Lindenthaler Krankenhaus St. Hildegardis. Sechs Monate dauerte der annähernd 1,5 Millionen Euro teure Umbau. Entstanden ist auf rund 400 Quadratmetern eine Notaufnahme der kurzen Wege. Statt kleiner Räume und verwinkelter Flure gibt es einen großen, überschaubaren Bereich mit hell gestrichenen Wänden und viel Tageslicht. „Die rasche medizinische Hilfe steht im Vordergrund, aber wir möchten den Menschen, die zu uns kommen, auch ein wenig von der Angst nehmen. Das gelingt in einer angenehmen Atmosphäre besser“, sagt Müllen.

Viele Patienten kommen mit dem Rettungswagen, manche müssen per Hubschrauber eingeflogen werden.

Viele Patienten kommen mit dem Rettungswagen, manche müssen per Hubschrauber eingeflogen werden.

„Triage“ steht in großen Buchstaben auf dem Boden im Eingangsbereich. Darunter versteht man ein System, die Schwere der Krankheit oder Verletzung des Patienten innerhalb kürzester Zeit einschätzen und weitere Behandlungsschritte einleiten zu können. „Schwer verletzte Personen in einem kritischen Zustand kommen sofort in den Schockraum, um die Vitalparameter wie Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz zu kontrollieren und den Patienten zu stabilisieren.“

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Der Schockraum liegt in unmittelbarer Nähe zum Eingang, die Teams des Rettungswagens mit ihren Patienten werden sofort in Empfang genommen. Die notwendigen Schritte zur Erstversorgung leitet der Koordinator ein. Außer dem Schockraum stehen sechs Behandlungsplätze sowie ein septischer Behandlungsraum für Patienten mit offenen, verschmutzten Wunden und ein aseptischer Raum zur Verfügung. Über die Monitore an der zentralen Theke können alle Räume überwacht werden.

Ein Internist und ein Chirurg sind immer vor Ort, dazu kommt ein urologischer Arzt in Rufbereitschaft. Bei Bedarf steht ein interdisziplinär arbeitendes Ärzteteam bereit. Neuer Bestandteil der ZNA ist die „Holding Area“. Müssen Patienten stationär aufgenommen werden und ist gerade kein Stationsbett frei, stehen in dem der Notaufnahme angegliederten Bereich vier Betten bereit.

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Das Klinikum Merheim ist auf einem Massenanfall von Verletzten vorbereitet. Auf dem Dach des Klinikums können zwei Hubschrauber gleichzeitig landen. Zur Not kann ein zusätzlicher Helikopter auf dem Dach des benachbarten Parkhauses aufsetzen, ein weiterer fände Platz auf dem früheren Landeplatz auf der Grünfläche am Boden. Am schnellsten geht es, wenn der Hubschrauber auf dem Klinikdach landet. Von dort aus geht es per Direktfahrt sieben Etagen runter in das Notfallzentrum im Erdgeschoss. Etwas überraschend beginnt unser Besuch im dritten Stock in der „Medical Decision Unit“. Erst seit wenigen Wochen gibt es diese Aufnahmestation, in der Patienten für maximal 24 Stunden beobachtet und danach entweder entlassen oder auf eine Station der jeweils passenden Fachrichtung verlegt werden.

Dr. Thomas Laaf, Leiter der Zentralen Notaufnahme, stehen hier sechs Betten zur Verfügung. „Darf ich Ihnen eine Patientin vorstellen, die heute entlassen wird? Sie ist ein gutes Beispiel dafür, was diese Station ausmacht und warum sie so wichtig ist.“ Die betreffende Dame sitzt gerade beim Frühstück und nickt uns freundlich zu. Der Arzt spricht kurz mit der Patientin, wünscht ihr alles Gute und verabschiedet sich. Was daran spektakulär sein soll? Die Geschichte und die Menschen dahinter.

Klinik- und Hausärzte müssen eng zusammenarbeiten

„Die Frau ist in ihrem Pflegeheim bewusstlos aufgefunden worden und mit dem Rettungswagen zu uns gekommen. Sie war unter anderem dehydriert, litt an einem Infekt und einer beginnenden Blutvergiftung. Wir haben sie stabilisiert und standen vor der Frage, wie geht es nun weiter?“ Für eine sofortige Rückkehr ins Heim war sie noch zu schwach. Die Verlegung auf eine Normalstation erschien den Ärzten verfrüht. Sie entschieden sich für die weitere Überwachung auf der Aufnahmestation im dritten Stock.

24 Stunden später ist die 89-Jährige wieder zu Kräften gekommen, sitzt aufrecht am Tisch und freut sich, rasch zurück in ihre vertraute Umgebung zu kommen. „Darum geht es. Gerade bei betagten Menschen kann ein längerer Krankenhausaufenthalt in einer fremden Umgebung inmitten von unbekannten Menschen problematisch werden. Manche geraten in ein Delir, in einen Zustand akuter Verwirrtheit. Die schnelle Rückkehr nach Hause oder wie in dem Fall ins Heim bei paralleler Behandlung durch den Hausarzt ist mitunter erfolgversprechender“, sagt Laaf. Bei dieser Patientin hatten die Klinikärzte umgehend mit dem Hausarzt Kontakt aufgenommen und etwas über ihre Vorerkrankungen und ihr soziales Umfeld erfahren. „Der Hausarzt ist eine wichtige Säule in der Behandlung. Wir müssen so eng und so gut wie möglich zusammenarbeiten. Ich sage ganz deutlich: Ich brauche die Kollegen da draußen.“

Dr. Thomas Laaf, Leiter der Notaufnahme im Klinikum Merheim

Dr. Thomas Laaf, Leiter der Notaufnahme im Klinikum Merheim

Das ärztliche Team der Notfallambulanz besteht aus vier Fachärzten der Unfallchirurgie, der internistischen Medizin und der Anästhesie. Für die Behandlung der Patienten stehen zwei Triage-Räume, zwei Schockräume und mehrere Behandlungsräume mit insgesamt 20 Plätzen bereit. Die etwa 1400 Quadratmeter große Notaufnahme hat – neben Anmeldung, Wartebereichen, Funktionsräumen – zwei zentrale Bereiche. Im chirurgischen Teil werden zum Beispiel schwere Verkehrs- und Arbeitsunfälle oder Verbrennungen behandelt.

Im internistisch-neurologischen Teil werden schwer erkrankte Patienten etwa nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder Asthma-Anfall erstversorgt. „Oberstes Ziel ist stets, die Vitalfunktionen, Atmung und Herz-Kreislaufsystem zu stabilisieren und aufrechtzuerhalten. Oder einfacher ausgedrückt: Zuerst das in den Griff bekommen, was töten könnte. Danach kümmern wir uns um Diagnostik und Therapien“, sagt Laaf. Damit auch im ärgsten Stress alles rund läuft, gibt es einen ZNA-Koordinator. Über ein zentrales Board in einem separaten Raum, dem Stützpunkt, werden die Patienten in allen Räumen überwacht. Auch die in den sechs Betten in der Aufnahmestation.

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