Besetztes Haus in Köln-RaderthalWieso wurde die geplante Räumung abgesagt?

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Der Polizeieinsatz zur Räumung in der Marktstraße wurde erst kurzfristig abgesagt.

  • Nachdem die Stadt am Donnerstag die geplante Räumung eines von 30 zuvor obdachlosen Menschen besetzten Hauses an der Markstraße in der Südstadt kurzfristig wieder abgesagt hat, bleibt unklar, wie es nun weitergeht.
  • Die Oberbürgermeisterin steht offenbar hinter der Räumung. Wir erklären den aktuellen Stand und beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Köln – Wer hat entschieden, dass das Haus geräumt werden soll? Verkehrsdezernentin Andrea Blome, die auch die Verantwortung für das zuständige städtische Liegenschaftsamt trägt, hat die Räumung veranlasst.

Seit wann wusste Oberbürgermeisterin Henriette Reker von der Absicht, zu räumen?

Die Oberbürgermeisterin war nach Auskunft einer Stadtsprecherin bereits seit dem 8. Mai darüber informiert, dass eine mögliche Räumung ansteht. Sie erfuhr davon während einer Sitzung des Krisenstabs, der aufgrund der Corona-Pandemie eingerichtet wurde, weil es in dem Haus eine Infektion mit dem Virus gab. Bei diesem Termin sei Reker dargelegt worden, dass die verstärkte Nutzung der Räume die bauliche Gefährdungssituation weiter verschärft habe, so die Stadtsprecherin. Am Dienstag erhielt sie die Information, dass die Räumung am Donnerstagmorgen um 5.30 Uhr stattfinden soll.

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Wie bewertet die Oberbürgermeisterin die Räumung?

Henriette Reker hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Räumung des Hauses für richtig hält. „Die Sicherheitsmängel haben sich verschärft. Wir können es nicht verantworten, dass den Menschen etwas passiert“, sagte sie. Sie stehe dennoch dafür, dass Köln zusammenhält. Deswegen werde es für die Menschen, die das Haus besetzen, auch konkrete Hilfsangebote und alternative Unterkünfte geben. „Niemand wird auf der Straße landen“, versicherte Reker.

Wie wird die Hausbesetzung in Kreisen der Grünen gesehen?

Die Grünen hatten die Oberbürgermeisterin bereits am Mittwochabend offiziell dazu aufgerufen, die Räumung vorerst auszusetzen. Vor Beendigung der Corona-Pandemie halte die Ratsfraktion das für falsch. Wie zu erfahren war, sind Teile der Grünen enttäuscht und verärgert, dass die von ihnen unterstützte Oberbürgermeisterin die Räumung für richtig hält. Dem Vernehmen nach hat die Partei bereits Zuschriften erhalten mit der Aufforderung, Reker die Unterstützung zu entziehen und sich stattdessen hinter den SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Andreas Kossiski zu stellen – er fordert, den 30 Bewohnern eine Perspektive an einem anderen Standort zu ermöglichen. Innerhalb der Grünen gibt es zudem die Befürchtung, dass die geplante Räumung Stimmen bei der Kommunalwahl am 13. September kosten könnte.

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Warum hat die Stadt den Hausbesetzern keine Alternative angeboten?

Den Besetzern seien laut Stadt seit Anfang April verschiedene Angebote zur Unterbringung und zur Vermeidung von Obdachlosigkeit gemacht worden. Auch gestern seien noch einmal die Hilfsangebote vorgestellt worden. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ schickte ein Mitarbeiter des Liegenschaftsamts den Bewohnern per E-Mail einen Hinweis zur städtischen Internetseite mit einer Übersicht der Hilfsmöglichkeiten und bot an, bei Bedarf Flyer an die Besetzer zu verteilen.

Was sagen die Hausbesetzer?

Die Bewohner betonen, sie seien keine politischen Aktivisten. „Wir sind einfach Menschen, die sich ein Heim wünschen“, sagt eine. Viele der etwa 30 Bewohner, von denen nicht alle Deutsch sprechen, hätten nun zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ein Zuhause gefunden, in dem sie sich wohl fühlten. „Wir waren von Anfang an bereit, das Gebäude hier friedlich aufzugeben, aber nicht unsere Gemeinschaft“, sagt die Bewohnerin. „Wir bitten die Stadt um ein anderes ungenutztes Gebäude.“ Notunterkünfte aber, in denen oft Gewalt und das Recht des Stärkeren herrschten, seien keine akzeptable Alternative. „Was wir hier machen, könnte auch für andere Städte ein Pilotprojekt gegen Wohnungslosigkeit werden“, sagt die Bewohnerin, „Und für uns könnte es ein Sprungbrett in die Gesellschaft sein, in ein normales Leben.“

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