Vision von Architekt Paul BöhmInstitut prüft die Verlegung des Kölner Hauptbahnhofs

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Animation von Paul Böhm: So stellt sich Böhm die Bahntrasse zum Hansaring vor.

Animation: So stellt sich Böhm die Bahntrasse zum Hansaring vor

Der Kölner Hauptbahnhof im Rechtsrheinischen, eine Hohenzollernbrücke als Fußgängerzone: Eine Gruppe um den Architekten Paul Böhm hat eine Studie in Auftrag gegeben.

Ein Hauptbahnhof in Kalk, eine grüne und schienenfreie Kölner Innenstadt und Ringe, die rechtsrheinisch einfach weitergehen. Mit der Zentralmoschee in Ehrenfeld hat Paul Böhm bereits in den Jahren 2006 bis 2011 einen Ort entworfen, der das Stadtbild prägt. Seine Vision von einem völlig neuen Kölner Zentrum geht weit darüber hinaus: Böhm denkt in die nächsten 40 Jahre, schlägt vor, die Stadt mit einer radikalen baulichen Wende in die Zukunft zu bringen.

Dafür hat Böhm gemeinsam mit weiteren Fachleuten, die seit rund drei Jahren an dem Entwurf feilen, einen ersten wichtigen Schritt getan. Damit das Großprojekt tatsächlich eine Chance haben kann, braucht es zunächst eine Machbarkeitsstudie. Und für diese braucht es zunächst eine sogenannte Vorstudie, in der abgeklopft wird, welche Kriterien für die Machbarkeit überhaupt entscheidend sind. Und die Vorstudie ist nun auf den Weg gebracht: Das renommierte Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie wird die Idee nun erstmalig prüfen.

Kölner Ringe künftig über beide Rheinseiten?

„Wir sind nicht getrieben davon, den Verkehr irgendwie am Laufen zu halten. Wir können in Jahrzehnten denken. Das ist ein Vorteil“, sagt Böhm über sich und seine Mitstreiter, die mit dem tagespolitischen Geschäft nicht viel zu tun haben. Seiner Ansicht nach ist die Kapazität des Hauptbahnhofs bereits ausgereizt und das Zentrum unnötig mit Bahngleisen verstopft. Weil viele Fernlinien ohnehin rechtsrheinisch fahren, wäre es dem Konzept nach effizienter, den Hauptbahnhof nach Kalk zu verlegen. Damit einhergehend könnte die „Schäl Sick“ massiv aufgewertet werden. „Deutz, Kalk und Mülheim sind Stadtteile, die unter dem Strukturwandel gelitten haben“, sagt Böhm mit Blick auf die ehemaligen rechtsrheinischen Industriegelände, von denen viele inzwischen leer stehen oder eingerissen werden.

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Mit einem Hauptbahnhof und einem geschlossenen Ring, der über eine neue Brücke im Süden Kölns führt, könne langfristig die Gleichwertigkeit beider Rheinseiten angepeilt werden, meint Böhm. Zudem müsste das dicht bebaute linksrheinische Zentrum künftig nur noch neun Prozent des Fernverkehrs schultern, es wäre Platz für Grünflächen. Böhms Verein „neue mitte köln“ verspricht sich dadurch langfristig deutlich bessere klimatische Bedingungen.

Wuppertal Institut als „der perfekte Partner“

Bis April 2023 soll die Untersuchung abgeschlossen sein, mit der die Grundlagen für eine Studie zur Umsetzbarkeit und Wirkung der städtebaulichen Vision des Vereins gelegt werden. Paul Böhm beweist mit der Zusammenarbeit, dass er es ernst meint mit seinen Plänen für ein neues Köln. Im kommenden Jahr will sein Verein für die Durchführung der Machbarkeitsstudie Spenden sammeln, bis zu eine Million Euro sind notwendig.

Er hofft, dass seine Stimme in der Stadtentwicklungspolitik durch die Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut, das auch bei Klimakonzepten der Stadtverwaltung mitgewirkt hat, nun ernst genommen wird. Und dass die Pläne in Rat und Verwaltung diskutiert werden. „Das Wuppertal Institut ist mit seinem gesamtheitlichen Ansatz und seiner Kompetenz in Klimaschutz, Ressourceneffizienz, Stadtwandel und Mobilität der perfekte Partner“, betont Böhm.

Institutspräsident Manfred Fischedick sagt, er habe „sehr gerne zugesagt, das Projekt passt genau rein.“ Er betonte jedoch, dass es zunächst bloß darum gehe, ein geeignetes Konzept für die geplante Studie zu finden. Entscheidend sei, dass am Ende eine „informationsbasierte Entscheidung möglich ist.“ Fraglich ist allerdings, inwiefern der Kölner Stadtrat überhaupt befugt ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. In der vergangenen Woche hat der Verein Sabine Pakulat (Grüne), der Vorsitzenden des Stadtentwicklungsausschusses, 5000 Unterschriften von Unterstützerinnen und Unterstützern übergeben.

Sarah N´Sabaka,Thorsten Koska, Anja Bierwirth,  Dr. Günter Harloff, Thomas Müller und Paul Böhm stehen von einem Stadtentwicklungs-Modell.

Wollen ein neues Kölner Zentrum: Sarah N´Sabaka,Thorsten Koska, Anja Bierwirth, Dr. Günter Harloff, Thomas Müller und Paul Böhm.

„Solche Projekte können am Ende nur mit einer breiten Unterstützung in der Gesellschaft umgesetzt werden“, sagte Fischedick. Böhm ist zwar begeistert von den eigenen Skizzen, die eine weitgehende Umwandlung von Schienen in Grünflächen vorsieht – über beide Rheinseiten, im Stil der New Yorker „Highline“. Doch Böhm betont auch, dass er offen ist für Alternativvorschläge des Instituts.

Kölner Stadtrat für wesentliche Beschlüsse nicht zuständig

Und Pakulat? Hat durchaus Sympathien für die ambitionierten Pläne. „Ich finde Visionen immer gut. Und diese ist sehr schön.“ Anfang des kommenden Jahres werde sie sich mit den Vertretern des Vereins treffen, um die neuen Pläne zu besprechen. Sie lässt jedoch durchblicken, dass sie das Projekt in seiner aktuellen Form für nicht realistisch hält. „Die Rechnung müsste man am Ende mit der Bundesbahn machen. Und die restauriert nun erstmal mit großem Aufwand fünf Weichen am Hauptbahnhof.“

Man müsse für eine Umsetzung der Pläne „die halbe Stadt umbauen“, so Pakulat weiter. „Wer soll das bezahlen?“ Am Ende sei der Kölner Stadtrat aber ohnehin nicht das entscheidende Gremium. Die Umgestaltung würde den Verkehr weit über Köln hinaus betreffen. „Das ist keine lokale Sachlage.“ Zwar sei sie begeistert gewesen von der „Highline“ in New York, betont aber auch: „Da handelt es sich um ein aussortiertes Gleis.“ In Köln würde man die Hohenzollernbrücke aktiv vom Bahnverkehr lösen.

Wie realistisch die Pläne von Paul Böhm am Ende sind, werden erst die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zeigen können. Dass es diese geben wird, gilt mit der nun beauftragten Vorstudie zumindest als wahrscheinlich. Dem Architekten ist es schon jetzt gelungen, eine neue Tonlage in der Stadtentwicklungspolitik zu finden: Nicht von Projekt zu Projekt, sondern zu einer Vision hin denken, das ist sein künstlerisch-architektonischer Anspruch.

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