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Seilbahn-Drama in KölnAlle Passagiere gerettet – Reker spricht von Versagen der KVB

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Die Gondel-Passagiere wurden nach und nach abgeseilt. 

Köln – Es sind erschütternde Szenen, die sich ab dem späten Sonntagnachmittag über dem Rhein abspielen: 65 Menschen, darunter 20 Kinder, muss die Feuerwehr aus Gondeln der Kölner Seilbahn durch Abseilen retten – 40 Meter über dem Wasser. Zunächst war die Feuerwehr von 100 Menschen ausgegangen. Viele der Geretteten stehen nach ihrer Bergung sichtlich unter Schock, zittern am ganzen Körper.

Zwei Personen, darunter eine Schwangere, litten unter Kreislaufproblemen, eine davon befindet sich deshalb derzeit im Krankenhaus.

Was genau ist geschehen? Gegen 15.30 Uhr hat sich am linksrheinischen Rheinufer, kurz vor dem Zoo, die Gondel Nummer 38 verhakt, sie gerät in Schräglage. Ab dann geht nichts mehr, die gesamte Seilbahn steht still. In der Kabine mit Schräglage befinden sich zwei Erwachsene und zwei Kinder. Während die äußeren Gondeln, die sich am Ufer rechts und links von der Brücke befinden, von der Feuerwehr mit Drehleitern gerettet werden können, müssen die Menschen in den Gondeln über dem Rhein zum Teil mehrere Stunden auf ihre Rettung warten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Ein sicheres Verkehrsmittel

Seilbahn-Geschäftsführer Thomas Miebach entschuldigt sich am frühen Abend bei allen Betroffenen und unterstreicht, dass die Rheinseilbahn nach wie vor eines der sichersten Verkehrsmittel in Köln sei. Was die Ursache für den heutigen Zwischenfall sei, könne man noch nicht genau sagen. Man wisse bisher nur so viel, dass sich ein Hilfsseil um eine Kabine gewickelt und diese damit zum Entgleisen gebracht habe. Bei einer Windstärke von 60 Kilometern pro Stunde wäre der Betrieb der Seilbahn automatisch eingestellt worden. Aber so stark sei der Wind zu keiner Zeit gewesen.

Laut Miebach handelt es sich um den ersten Vorfall dieser Art seit 50 Jahren, er sei mit dem vor zweieinhalb Jahren nicht vergleichbar. Im Oktober 2014 musste eine Familie aus einer Gondel gerettet werden, weil der Haken der Gondel bei stürmischem Wetter aus dem Seil gesprungen war. Die Familie konnte erst nach Stunden von der Feuerwehr gerettet werden. 

Am Sonntag kann die Familie aus der verkeilten Gondel dagegen schon vergleichsweise schnell, gegen 17.40 Uhr, gerettet werden. Die ersten Geretteten im rechtsrheinischen: Martina (60) und Hans-Peter Rieger (62) aus Dortmund. Sie waren nach Köln gekommen, um ihren 41. Hochzeitstag zu feiern, einen schönen Tag in Köln zu verbringen. „Das wird uns auf jeden Fall immer im Gedächtnis bleiben“, sagen sie. Eine Stunde sitzen sie in der Seilbahn fest, zum Glück nur wenige Meter über dem Boden direkt vor der Station – denn Martina Rieger hat große Höhenangst. „Uns wurden zum Glück auch direkt Handzeichen gegeben, dass wir ruhig bleiben sollen und es nichts Schlimmes ist“, berichtet Rieger.

Die Feuerwehr ist mit zahlreichen Schiffen und Löschbooten im Einsatz. Gegen 18.30 Uhr sind bereits 43 Menschen aus den Gondeln von der Feuerwehr abgeseilt worden. Zahlreiche Schaulustige versammeln sich auf der von der Polizei umgehend für Autos gesperrten Zoobrücke und sehen den Rettungsarbeiten zu. Die Bergungen der Feuerwehr werden von kräftigem Applaus begleitet.

Auch der Bereich um die Rheinuferstraße ist über Stunden gesperrt, der Schiffsverkehr auf dem Rhein eingeschränkt. Nach Angaben von Malte Witt, einem Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst in Essen, betrug die Windstärke am Sonntag gegen 16 Uhr am Flughafen 25 bis 30 Kilometer in der Stunde.  

Alle Geborgenen medizinisch untersucht

Um 19.45 Uhr sind von 32 Gondeln 28 leer. In den restlichen vier Gondeln mit Menschen sitzt überall eine Person der Feuerwehr in der Gondel. 60 Personen  bereits gerettet worden.  Alle Geborgenen sind medizinisch untersucht worden. Bis auf Kreislaufprobleme bei einer Schwangeren und einer weiteren Person mit Kreislaufbeschwerden gehe es den Menschen „den Umständen entsprechend gut“, sagte eine Pressesprecher der Feuerwehr. Man gehe davon aus, dass die Evakuierung bis Sonnenuntergang beendet sei.

Einsatzleiter der Feuerwehr: „Der Einsatz ist sehr gut gelaufen bislang. Das Zusammenspiel mit der Feuerwehr aus den anderen Städten hat vorbildlich funktioniert.“ Kurze Zeit später, um 20.10 Uhr sind dann alle Personen befreit.

Reker dankt den Helfern – und fordert Aufklärung

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprach einen großen Dank aus an die Kölner Feuerwehr und alle anderen, die Hilfe geleistet hätten. „Ich fand sehr beeindruckend, wie das Ineinandergreifen bei dem Einsatz funktioniert hat. Das ist vorbildlich auch für die Region, weil uns das ein großes Gefühl von Sicherheit gibt.“ Die Kölner Verkehrsbetriebe forderte Reker hingegen auf, in der morgigen Sitzung des Hauptausschusses einen Bericht „zu diesem – man muss es leider sagen – erneuten Versagen“ abzugeben.

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Der technische Leiter von der KVB, Jörn Schwarze, sagte, er sei in Gedanken bei den Menschen, die in den letzten vier Gondeln säßen, ihm täte die Situation sehr leid. Die Fahrgäste hätten einen entspannten Nachmittag auf dem Rhein verbringen wollen. Die KVB werde sich erkenntlich zeigen und am Montag noch einmal Kontakt zu allen Betroffenen aufnehmen. Zur möglichen Ursache sagte er, dass die Seilbahn ab Montag umfangreich untersucht werde. Das Einzige, was derzeit auszuschließen sei, sei ein Bedienungsfehler. „Alles andere ist Spekulation.“ Die verkeilte Gondel wird noch am Sonntag von einem Colonia-Kran runtergeholt und ab dann unmittelbar untersucht. 

Drama im Jahr 2014

Die bis zum Sonntag dramatischste Rettungsaktion an der Seilbahn fand am 21. Oktober 2014 statt. Damals war das Rad einer Gondel bei stürmischem Wetter aus dem Seil gesprungen. Die Familie konnte erst nach stundenlangem Ausharren aus 40 Meter Höhe von der Feuerwehr gerettet werden. Zuschauer hielten damals den Atem an, als das Seil, an dem Vater und Kind hingen, im Sturm hin und her baumelte, bis beide sicher auf einem Löschboot der Feuerwehr in Empfang genommen werden konnten. Anschließend ließ die Feuerwehr die Frau herab, während der zweijährige Sohn mit einem Retter in der Gondel als Letzter gerettet wurde.  Damals hatte es eine Sturmwarnung des Deutschen Wetterdienstes am Morgen gegeben.

Noch am Donnerstag, 20. Juli, hatten die Höhenretter an der   linksrheinischen Seilbahnstütze geprobt, wie sie im Ernstfall Menschen von hohen Gebäuden, Brücken oder eben der Seilbahn retten können.  (sbs)

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