Köln-Deutz – Maxau ist zwar nur ein kleines Nest bei Karlsruhe, doch hier liegt eine der Ursachen für die steigenden Pegelstände im großen Köln. Der Scheitelpunkt von 8,60 Metern wird für Samstag erwartet, die Schutzvorkehrungen sind längst angelaufen.
Zu verdanken haben die Kölner die aktuelle Prognose den Rechenkünsten von Can Kemerdere. Der 41-Jährige ist Mitarbeiter der Hochwasserschutz-Zentrale der Stadtentwässerungs-Betriebe (Steb) und sitzt in letzter Zeit meistens schon um 6 Uhr morgens am Computer. Denn der Rhein zeigte sich zuletzt immer wieder auffällig, da ist Wachsamkeit gefragt. „Dieses Jahr passiert was“, sagt Kemerdere.
Steb-Berechnungen sind ausschlaggebend
Er und vier seiner Kollegen sind für die 24-Stunden-Prognosen verantwortlich, die derzeit zwei Mal täglich aktualisiert auf der Homepage der Zentrale veröffentlicht werden. Auf ihre Berechnungen kommt es an, ob Hochwasserwände aufgebaut oder Vorkehrungen zum Schutz des Kanalnetzes getroffen werden müssen. „Ich spüre die Verantwortung“, sagt Can Kemerdere. Was er tue, sei kein gewöhnlicher Job. Trotzdem wirkt er an diesem Morgen keineswegs nervös. Der Wasserspiegel steige langsam an, so wie auch Anfang Januar schon. Das sorge für Entspannung bei den Schutz-Vorkehrungen. Das könne sich aber in den kommenden Wochen schnell wieder ändern: „Jede Hochwasser-Welle ist anders.“
Can Kemerdere in der Abfluss-Steuer-Zentrale der Steb, von der aus schon ab einem Pegel von 4,50 Kanalzuflüsse zum Rhein geschlossen werden. Die Hochwasser-Schutzvorkehrungen hängen stark von seinen Prognosen ab.
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Der gebürtige Bielefelder wertet Daten verschiedener Quellen aus, um die speziell für Köln interessanten Werte herauszuarbeiten. Die Steb-Experten beobachten naturgemäß vor allem, wie sich der Rhein und seine Nebenarme südlich von Köln verhalten: „Ab Düsseldorf interessiert er mich nicht mehr“, sagt der Umweltwissenschaftler und lacht. 688 Kilometer – so lang ist der Rhein von seiner Quelle bis Köln. Alles, was in diesem Abschnitt passiert, kann darüber entscheiden, ob der Campingplatz in Rodenkirchen geräumt werden muss oder nicht.
Was sich in Köln bemerkbar macht
„Ich schaue mir als erstes die Wetterprognose im Einzugsgebiet des Rheins an“, sagt Kemerdere: „Dann die Pegelstände des Rheins und seiner Zuflüsse von der Quelle bis Köln.“ Auch der Abfluss der Nebenflüsse, also die Wassermassen, die pro Sekunde an einer bestimmten Stelle vorbeifließen, spielt eine Rolle. „Aus diesen Daten versuchen wir herauszukristallisieren, welche Auswirkungen die Pegelstände auf den Standort Köln haben.“ Das sei zum einen harte Mathematik, zum anderen Erfahrungswerte.
Nicht jeder Niederschlag am Ober- und Mittelrhein macht sich in Köln bemerkbar. Aber die starken Regenfälle, die am Montag im Bereich Maxau am Oberrhein gefallen sind, seien in jedem Fall mitverantwortlich für das jetzige Hochwasser, sagt Kemerdere: „Das ist eine Menge, da weiß man ganz genau, jetzt passiert was.“ Zwei Tage habe es gedauert, bis sich der Regen aus Süddeutschland beim Kölner Pegel bemerkbar gemacht habe: „Dazu kommen Niederschläge im gesamten Mittelrhein auch am Freitag.“ Auch die Schneeschmelze in den Alpen hält die Hochwasser-Schutzzentrale im Blick. Die habe aber zumindest aktuell kaum Auswirkungen auf die Wasserstände: „So schnell schmilzt der Schnee anscheinend nicht.“
Zwar gibt auch das Bundesamt für Gewässerkunde 24-Stunden-Prognosen für alle Rheinpegel ab. Darauf wollen sich Kemerdere und seine Kollegen aber auf keinen Fall verlassen. „Wir brauchen für Köln exaktere Werte“, sagt er. Dafür beobachten die Kölner Experten auch die Sieg, die bei hohen Wasserständen das Fass zum Überlaufen bringen kann. „Die Sieg kann darüber entscheiden, ob Hochwasserwände überspült werden oder nicht“, so Kemerdere. Diese Gefahr bestehe aktuell zum Glück nicht. Zur Sicherheit rechnet ein Kollege noch einmal nach, was Kemerdere für Köln vorhersagt. „Wir streiten dann darüber, wer Recht hat“, so der Pegel-Experte. So richtig daneben lag zum Glück noch keiner.
Der Hochwasserscheitel von 8,60 Metern wird für Samstagmorgen erwartet. Das ist weniger als der Höchststand des Hochwassers von Anfang Januar (8,78 Meter). Am Freitag wird der Pegel bei 8,15 Metern liegen. Das Hubtor in Rodenkirchen ist bereits geschlossen, außerdem eine mobile Hochwasserschutzwand am Rodenkirchener Lüchbaumplatz. Die ab 8,50 Meter umspülten Häuser am Kasselberger Weg 101 bis 127 werden mit Stegen ausgestattet, den Transport von Anwohnern übernehmen Unimogs. (cht)