Schillergymnasium in Köln-Sülz„Viele Kinder entwickeln sich erst nach der Klasse 4“

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Georg Scheferhoff vor seinem Arbeitsplatz

  • Georg Scheferhoff ist der neue Schulleiter des Schillergymnasiums in Köln-Sülz.
  • In der Rückkehr zu G9 sieht er die größte Herausforderung in diesem Schuljahr.
  • Ein Gespräch über Fridays for Future, die Problematik der frühen Selektion der Kinder schon nach der Klasse 4 und Klassengrößen von 30 Kindern.

Sülz – Herr, Scheferhoff, Sie sind der neue Leiter des Schillergymnasiums, waren aber schon vorher stellvertretender Leiter und Lehrer an der Schule. Wie hat es Sie denn ursprünglich einmal hierher verschlagen?

Georg Scheferhoff: Ich war neun Jahre lang bis 2007 Lehrer an einer Gesamtschule in Grevenbroich. Das hat mich geprägt. Ich wollte dann an ein Gymnasium, weil das die Schulform ist, für die ich ausgebildet worden bin. Ich habe mir aber dann eines ausgesucht, das für viele Prinzipien der Gesamtschule steht. Selbstverständlich ist das Schillergymnasium eine leistungsorientierte Schule, aber ich habe hier auch etwas von dem Geist der Gesamtschule gespürt, die gute Teamarbeit, die Förderung der Selbstständigkeit, individuelle Förderung und die Offenheit. Ich hatte Informationen, dass es eine Schule ist, die sich um jeden Schüler kümmert, die weniger selektiert als fördert. Das ist das, was ich hier vorgefunden habe und erhalten möchte.

Wäre es in einer Demokratie nicht gerechter, wenn man das dreigliedrige Schulsystem abschafft?

Das System, in dem die Schulformen nebeneinander existieren, ist gesellschaftlich so gewollt. Das Gymnasium ist nach der Gesamtschule bei den Eltern die beliebteste Schulform. Die Politik kommt daran nicht vorbei. Wir versuchen das Gymnasium so zu gestalten, dass die Schüler möglichst individuell gefördert werden. Die frühe Selektion nach der Klasse Vier ist schwierig, weil sich viele Kinder später entwickeln. Sie bedeutet einen künstlichen Einschnitt. Ein Ziel des Schiller-Gymnasiums ist es, insbesondere die Erprobungsstufe so zu gestalten, dass den Kindern der Übergang von der Grundschule möglichst leicht gemacht wird.

Eine individuelle Förderung, von der Sie sprechen, ist aber angesichts einer Klassengröße von 30 Schülern eher schwierig...

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Das stimmt. Die Zahl von 30 aber ist eine Vorgabe der Stadt, an die ich mich halten muss. Wir haben in den vergangenen Jahren immer viel mehr Anmeldungen gehabt und es besteht stadtweit ein großer Druck, was die Zahl der Gymnasialanmeldungen betrifft.

Was sind denn noch andere Herausforderungen, mit denen Schule heute zu kämpfen hat?

Wenn ich aus meinem Büro blicke, kann ich die Bauarbeiten sehen, die eigentlich für den Ganztag G8 geplant waren. Jetzt werden sie zu G9 fertig, Ende 2020. Das ist für die Schulgemeinde eine Herausforderung, was den Lärm angeht, gerade bei der Hitze. Und es gibt natürlich die große Baustelle G9. Das wurde relativ hektisch auf den Weg gebracht und die Hektik schlägt sich auch in der Schulgemeinde nieder. Es müssen plötzlich Stundentafeln erstellt werden, obwohl die dafür notwendigen vom Landtag verabschiedeten Stundentafeln noch nicht vorliegen. Es müssen Lehrpläne angeschaut werden. Ich bin Befürworter von G9, aber der Zeitraum, in dem sich ein Kollegium mit Schülern und Eltern auf den Weg machen konnte, war relativ knapp und ich höre zu Recht manchmal aus der Schulgemeinde Stimmen, die sagen, wir hätten uns doch eigentlich mehr Zeit nehmen müssen. Das wird eine Mammutaufgabe für das neue Schuljahr.

Zur Person

Georg Scheferhoff (Jg. 1968) ist Lehrer für Geschichte, Latein und katholische Religion, und wurde in Westfalen (Soest) geboren. Er hat in Bonn studiert, sein Referendariat in Siegen absolviert. Er geht gerne ins Theater und ins Konzert, spielt Klavier, singt in einem Chor, spielt Badminton und joggt gerne. 

Haben Sie Ideen, wie Sie die Schule außerdem weiter gestalten wollen?

Sehr gut ist ja schon unser kultureller Bereich mit Theater, Musik, Kunst und Tanz. Wir haben einen sportlichen Schwerpunkt und einen digitalen. Im naturwissenschaftlichen Bereich bieten wir Chemie, Physik und Informatik als Leistungskurs an, ebenso Philosophie. Wir versuchen, gemeinsam mit unserer Nachbarschule, dem Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium, ein breiteres Portfolio an Leistungskursen bereit zu stellen. Eine Idee ist, dass wir die Lernzeiten, die es bereits für die Fünf und Sechs gibt, auch in der Acht bis Zehn vorsehen und die Kinder dort ihre Schulaufgaben machen können und dort auch gefördert werden. Ein Herzstück der Schule könnte in Zukunft der Bereich „Verantwortung übernehmen“ sein. Es könnte vier Punkte geben: Verantwortung für sich, für andere, gesellschaftlich und global.

Können Sie das konkretisieren?

„Verantwortung für sich“ könnte bedeuten, dass die Kolleginnen und Kollegen Schüler coachen, mit ihnen Lernarrangements vereinbaren, im Rahmen der Teamstunde Schüler stärken, sie anleiten sich gesund zu ernähren. „Verantwortung für andere oder füreinander“, können die Schüler jetzt schon übernehmen beispielsweise als Streitschlichter. Ich möchte, dass die Klassenlehrerteams, die wir schon haben, Teamarbeit noch mehr fördern. Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen könnte auch bedeuten, dass wir künftig ein Sozialpraktikum anbieten, so dass man beispielsweise ein Jahr lang einen Nachmittag in der Woche in ein Altenheim, eine Kindertagesstätte oder Hausaufgabenbetreuung geht. Da wird gesellschaftliche Verantwortung konkret erlebbar.

Apropos „globale Verantwortung“. Es gibt ja jetzt die Fridays-for-Future-Bewegung. Sind viele Schüler des Schillergymnasiums dabei?

Ja, wir haben eine sehr engagierte Schülervertretung. Die haben sich das Thema „Klimaschutz“ schon lange auf die Fahnen geschrieben. Anhand der Fridays-for-Future-Bewegung lernen sie nun, dass sie auch etwas bewegen können. Ich bin stolz, dass unsere Schüler politische Verantwortung übernehmen und unterstütze das auch voll. Es gibt in diesem Schuljahr eine Nachhaltigkeits-AG und im Rahmen der Städte-Partnerschaften eine Klimapartnerschaft mit Peru. Unsere SV hat Kontakt mit einer vom Palmölanbau betroffenen Stadt im peruanischen Regenwald. Die Schülerinnen und Schüler sollen global denken lernen, dass es Folgen für die Menschen hat, die tausende Kilometer entfernt leben, wenn ich hier Produkte mit Palmöl verzehre.

Sie wohnen ja in Junkersdorf. Unterscheidet sich das sehr von Sülz, wo sich die Schule befindet?

Ja, Sülz/Klettenberg ist ein sehr junges, sehr lebendiges Viertel. Ich würde es auch als sehr kreativ empfinden. Sülz ist allerdings auch sehr dicht besiedelt. In Junkersdorf ist jeder ein bisschen mehr für sich. Dort ist es aber ein bisschen grüner. Das schätze ich sehr. Ich komme jeden Morgen mit dem Fahrrad. Ich liebe diesen Weg durch den Stadtwald und wenn ich am späten Nachmittag zurück radele kann ich dabei gut Abstand bekommen.

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