Köln-UmfrageBeim Öffentlichen Nahverkehr gibt es weiterhin viel zu tun

Lesezeit 6 Minuten
Der Öffentliche Nahverkehr in Köln

Der Öffentliche Nahverkehr in Köln

  • Bei der Köln-Umfrage steht das Thema „ÖPNV-Infrastruktur“ an achter Stelle auf der Liste mit Problemen, die am dringendsten gelöst werden sollen.
  • VRS erhöht mal wieder die Preise, Ticket erreicht 2019 die magische Drei-Euro-Grenze. Was wurde aus den Diskussionen über einen kostenlosen Nahverkehrs?
  • Können E-Busse und die Einführung der KVB-Linie 8 die Situation der Infrstruktur verbessern?

Köln – Zurzeit wird mal wieder fleißig auf allen Ebenen diskutiert, wie dringend doch die massive Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs wäre. Die Debatte über die von Dieselautos verschmutzte Luft hat den Bund zu neuen Förderprogrammen angeregt. Experten und Politiker auf allen Ebenen überbieten sich mit Vorschlägen. Und was machen die Verantwortlichen im Verkehrsverbund Rhein-Sieg? Sie erhöhen mal wieder die Preise.

Zum neuen Jahr erreicht der Preis für ein normales Ticket im Kölner Stadtgebiet die magische Drei-Euro-Grenze. Ein schwacher Trost: Wer das Handyticket nutzt, kommt deutlich günstiger weg. Unterm Strich bleibt jedoch eine durchschnittliche Erhöhung der Preise um 3,5 Prozent. Die Grünen sprechen von einem „falschen Signal“. Und auch der Verkehrsverbund muss einräumen, dass die Preis-Erhöhungen vor dem Hintergrund, dass vor kurzem noch über einen kostenfreien Nahverkehr debattiert wurde „komisch anmuten“, so ein Sprecher. Man müsse aber „den Kostenfaktor weitergeben“.

An der „Logik“ des VRS wird nicht gerüttel

„Weitergeben“ heißt hier: Der Nutzer muss für bessere Gehälter im Öffentlichen Dienst, explodierende Dieselpreise und steigende Materialkosten zahlen. An dieser „Logik“, der der VRS seit Jahrzehnten folgt, wird nicht gerüttelt, weil die Zuschüsse für den Nahverkehr aus Steuermitteln nicht steigen sollen. Doch so logisch ist das gar nicht.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Wenn mehr Menschen die Busse und Bahnen des Öffentlichen Nahverkehrs nutzen, profitiert die Allgemeinheit: Bessere Luft, mehr Klimaschutz, weniger Staus, mehr Platz im Öffentlichen Raum. Warum sollten dann nicht mehr Steuermittel fließen?

Öffentlicher Nahverkehr landet auf achtem Platz

Bei der Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die größten Probleme der Stadt landete der Öffentliche Nahverkehr auf dem achten Platz. Die Sorgen in diesem Bereich verbinden sich mit den anderen Verkehrsthemen – Staus, Baustellen, Radwege – , die ähnliche Platzierungen erzielten.

Die Köln-Umfrage

Bei der Köln-Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“  ist das Thema ÖPNV-Infrastruktur auf dem achten Platz gelandet. Bei der Bewertung der Frage, wie wichtig es ist, die Probleme in diesem Bereich zu lösen, bekam das Thema auf einer Skala von 1 bis 10 den Durchschnittswert 6,94.

Es werden mehrere Aspekte sein, die unsere Leser so abstimmen ließen: Der Fahrpreis, der Ärger über Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit, der schleppende Ausbau oder die nach wie vor miserable Anbindung einiger Stadtteile.

Man kann KVB und Stadt nicht vorwerfen, dass sie sich nicht um Verbesserungen bemühen. Doch es ist wie bei fast allen für die Stadtentwicklung wichtigen Projekten: Man hält nicht Schritt mit dem Tempo des Wachstums. Und angesichts der umwelt- und klimapolitischen Herausforderungen sind es nur kleine Schritte, die hier getan werden. So spricht sich die KVB sogar ausdrücklich gegen einen kostenlosen Nahverkehr aus, weil sie gar nicht in der Lage wäre, den dann angeblich zu erwartenden Ansturm zu bewältigen. Die Kapazitäten würden nicht ausreichen.

Bau eines neuen U-Bahn-Tunnels sinnvoll?

Zurzeit wird darüber diskutiert, ob man für eine leistungsstärkere Ost-West-Verbindung einen neuen U-Bahn-Tunnel bauen soll. Das kann sinnvoll sein. Die Kölner, die in schlecht angebundenen Stadtvierteln wohnen, dürften aber darauf verweisen, dass anderes wichtiger sein könnte. Für die Anbindung von Widdersdorf gibt es immer noch keine exakte Planung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Seit Jahrzehnten wird dem Porzer Süden, Meschenich oder Neubrück die Anbindung versprochen, auch die Verlängerung der Gürtelbahn im Linksrheinischen wie eine rechtsrheinische Gürtelstrecke sind uralte Ideen. Alles dauert ewig. Auch im Verantwortungsbereich der Deutschen Bahn läuft es nicht besser. Das S-Bahn-Netz ist seit langem an der Grenze seiner Kapazitäten angelangt.

Wiedereinführung einer Linie 8

KVB-Chef Jürgen Fenske lieferte vor kurzem ein neues Beispiel für die Zeitplanung im öffentlichen Nahverkehr: Er kündigte die Wiedereinführung einer Linie 8 an, die Porz mit Sülz verbinden soll. Obwohl dafür kein neues Gleis verlegt werden muss, wird als Startzeitpunkt das Jahr 2024 genannt.

Bei der Beschreibung der Kapazitätsgrenzen geht es offensichtlich nicht mehr nur um den Ausbau der Infrastruktur. Bei der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses des Stadtrates beschrieb der KVB-Vertreter ein neues Wachstumshindernis: Man suche dringend nach Busfahrern, finde aber nicht genug.

Ideen für die Zukunft

Freie Fahrt für Mülheim und Stammheim

Auch wenn sich die KVB und eine politische Mehrheit bislang  der Idee eines fahrscheinlosen Nahverkehrs verweigert, ließe sich in Mülheim, Stammheim und Flittard – vielleicht auch in einem größeren Radius – mal ein Anfang machen. Da der Stadt nichts einfällt, was zur Einhaltung der Dieselwerte am Clevischen Ring hilft, und bislang völlig unklar ist, wie Mülheim die Folgen der Brückensanierung verkraften soll, sind hier konsequente Lösungen erforderlich: Alle, die hier wohnen oder regelmäßig durch das Nadelöhr pendeln, bekommen freie Fahrt für Bus und Bahn.

Vorfahrtsregelungen und intelligente Ampelschaltungen garantieren ein schnelles Fortkommen. Es wäre nicht nur eine schnell wirksame Maßnahme für bessere Luft, sondern auch ein Feldversuch, von dem man sich Erkenntnisse für eine Ausweitung und Zukunfts-Projekte erwarten kann.

Eigene Spuren für Busse

Busse haben im Vergleich zu Bahnen den Nachteil, dass sie  während des Berufsverkehrs auf den völlig überfüllten Straßen nur langsam vorankommen.  Um das Angebot zu verbessern, könnte die Stadt insbesondere  auf zentralen Achsen wie der Inneren Kanalstraße und dem Clevischen Ring durchgängige Busspuren einrichten. Das Angebot wäre schlagartig attraktiver, es würde zudem den Schadstoffausstoß reduzieren.

Freie Bahntrassen asphaltieren

Auch wenn die Gleise für neue Bahnverbindungen noch nicht gelegt sind,  wissen KVB und Stadt doch genau, wo die Bahnen irgendwann man fahren sollen. Die Trassen für die Gleiskörper sind freigehalten worden. Der Aufwand, diese Verbindungen für große schnelle E-Busse zu asphaltieren, ist überschaubar.

Alle Stadtteile, die zum Teil seit Jahrzehnten auf einen Bahnanschluss warten, können so eine schnelle Anbindung bekommen. Die großen Busse halten nicht an jeder Milchkanne, sondern fahren genau so, wie es irgendwann die Stadtbahnen tun sollen.

Schnellere Informationen für Fahrgäste

Dass die Bahnen und Busse der KVB  oft unpünktlich sind, hängt unter anderem mit überlasteten Trassen  und U-Bahn-Tunneln zusammen – ein Problem, das sich nicht schnell lösen lässt. Der Ärger ließe sich senken, wenn die Kunden über Verspätungen zeitnah erfahren würden. Ein modernes Informationssystem, das die Fahrgäste in Echtzeit über unpünktliche Busse und Bahnen in Kenntnis setzt,  könnte hier Abhilfe schaffen.

Anreize für Neukunden

Die  Verkehrsbetriebe in Essen motivieren mit Prämien  und  Gutscheinen für „Schnupper-Wochenenden“ zum Umsteigen. Wer als Neukunde ein Abonnement über 24 Monate abschließt, erhält eine Prämie. Das gilt ebenso für neue Inhaber von Jobtickets und die Erstkäufer von digitalen Monatstickets über das Smartphone. Ergänzt wird die Initiative durch ein umfangreiches Marketingkonzept. So gewinnen man neue Kunden.

Das läuft bereits

Die KVB haben ein Programm zur Erneuerung ihrer Bahn-Flotte gestartet. Neue Niederflurwagen sind bestellt. Langfristig sollen alle Stadtbahnen gegen neue ausgetauscht werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, mehr Fahrgäste transportieren zu können. Letztlich entscheidend wird der Einsatz von längeren Zügen sein. Dafür müssen Haltestellen umgebaut werden. Unabhängig von der Frage, ob in der Innenstadt eine neue U-Bahn-Strecke gebohrt werden soll, ist der Umbau der kompletten Ost-West-Achse für längere Züge Bestandteil des Ausbauprogramms für die nächsten Jahre.

Solange keine neuen Bahntrassen gebaut werden, setzten Politik und KVB auf Verbesserungen beim Busangebot. So wird zum nächsten Fahrplanwechsel der Takt der „Unibus-Linie“ verbessert.  Eine neue Linie verbindet die Uni mit Hürth. Weitere Linien werden verlängert, einige neue Verbindungen in den Fahrplan integriert, so zum Beispiel über eine neue Linie 124 oder 179. Neubaugebiete oder Gerbegebiete werden besser angebunden.  Die KVB wollen ihr Busnetz bis 2030 vollständig auf batteriebetriebene Elektrobusse umstellen, um den Ausstoß von Luftschadstoffen zu reduzieren.  Das Unternehmen will ab 2020 ausschließlich emissionsfreie Busse kaufen, sofern diese in ausreichender Anzahl am Markt verfügbar sind.

Bei der Finanzierung soll das  Bundesumweltministerium helfen. Der Bund übernimmt bis zu 80 Prozent der Mehrkosten, die beim Kauf im Vergleich zu Bussen mit Dieselantrieb entstehen. Die KVB hat jüngst  auf der Messe „Hypermotion“ in Frankfurt eine Auszeichnung für ihr  E-Bus-Projekt auf der Linie 133 erhalten, die vollständig elektrisch unterwegs ist.

KStA abonnieren