Köln – Kein Glühwein, sondern Wasser ist in dem dunkelroten, bauchigen Becher vom Weihnachtsmarkt in der Altstadt. Wasser statt Glühwein? Manfred Steinke bleibt gelassen. Er steht nicht auf dem Heumarkt, sondern in seinem Labor in Ossendorf und sagt nur: „20 Grad Temperatur muss es haben.“ Der 53-Jährige arbeitet für den Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen, dessen Direktion und Kölner Betriebsstelle in Ossendorf liegen. Das ganze Jahr über prüft er, ob die Mengenangaben auf Verpackungen der tatsächlichen Füllmenge entsprechen. „Unser Anliegen ist Verbraucherschutz“ sagt Steinke.
Gerade misst er, ob die Eichstriche der Glühweinbecher, die auf drei Kölner Weihnachtsmärkten verwendet werden, tatsächlich einen Füllstand von 0,2 Liter anzeigen. „Wir prüfen aus Eigeninitiative und gehen Kundenbeschwerden nach“ sagt Steinke, „Beschwerden gab es dieses Jahr aber keine.“ Ohne sich als solcher zu erkennen zu geben, kaufte der Eichamtmann Becher auf dem „Markt der Engel“ auf dem Neumarkt, dem Weihnachtsmarkt am Dom und der „Heimat der Heinzel“ in der Altstadt.
Steinke stellt den weißen Becher vom Neumarkt, den ein Weihnachtsengel mit Clownsnase ziert, in eine kleine Vitrine aus Plexiglas. Viele Glühweinbecher auf den Kölner Märkten sind als Sammlerstück konzipiert, werden jedes Jahr mit einem neuen Motiv produziert – und deswegen jedes Jahr aufs Neue vom Eichamt geprüft.
In der Vitrine erhält der Becher aber nicht seine Museumsreife, nein, so beginnt die eichamtliche Prüfung: Die Vitrine umgibt den Boden einer Präzisionswaage, die „auf ein Hundertstel Gramm genau“ wiegt und „sehr windempfindlich“ ist. „Deshalb die Plexiglasscheiben.“ Aus einem Messbehälter gießt Steinke Wasser in den Glühweinbecher, es ist „destilliert und 20 Grad warm“, damit es die richtige Dichte für den Test hat. Als der Glühweinbecher fast voll ist, setzt Steinke den Messbecher ab, nimmt eine medizinische Spritze zur Hand, saugt damit wieder etwas Wasser ab, fügt wieder etwas hinzu: Solange bis die Waage 199,64 Gramm anzeigt. Das entspreche 200 Millilitern. Die im Haushalt übliche Daumenregel, dass ein Milliliter Wasser ein Gramm wiege, „die können wir uns beim Eichamt nicht erlauben.“
Die Gegenprobe liefert ein zweites Testverfahren. Dabei wird der außen am Becher aufgedruckte Eichstrich per Stichmaß ins Innere übertragen und Wasser eingefüllt, bis die Spitze des Werkzeugs sichtbar die Wasseroberfläche spannt. Das abgemessene Wasser gießt Steinke in einen Kolben, an dem er die Füllmenge auf einer Skala genau ablesen kann. „Fehlerhaft“ seien die Messungen freilich, „allein dadurch, dass die Oberfläche im Becher leicht benetzt bleibt.“ Deshalb ist das Eichamt tolerant: „Wir haben eine Fehlergrenze von fünf Prozent.“ Mindestens 190 Milliliter müssen die geprüften Becher fassen. Diesen Wert erfüllen die drei vom Eichamt geprüften Glühweinbecher nicht, sie übertreffen ihn sogar: Bei 203 Millilitern liegt der Eichstrich des Altstadt-Bechers, 210 sind es beim Becher vom Neumarkt und 225 bei dem Becher vom Weihnachtsmarkt am Dom.
Nachdem das Eichamt 2002 dort rund 64.000 Becher aus dem Verkehr zog, weil sie nur 184 Milliliter fassten, seien „die Hersteller vorsichtiger geworden“, sagt Steinke. Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeit. Für die Hersteller von Bechern, die weniger fassen, als der Eichstrich anzeigt, seien „Bußstrafen von bis zu 10.000 Euro“ möglich. Das Eichamt beanstandet nur, wenn die Füllmenge unterschritten, nicht aber überboten wird: „Der Kunde darf nur nicht zu wenig bekommen.“ Selbst getrunken hat Steinke dieses Jahr bisher „zwei Becher Glühwein. Beide nicht im Dienst.“