Kölner Corona-Protokolle„Ich will raus aus der Ohnmacht — mit meinem ganzen Körper"

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Klimaaktivistin Pauline Brünger

  • „Die Krise macht etwas mit uns“, heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
  • In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihren Beruf, ihre Träume, ihre Zukunft.
  • In dieser Folge erzählt die Studentin und Klimaaktivistin Pauline Brünger über ihre Angst vor dem nächsten Lockdown und den nächsten Klimastreik in Köln am 19. März.

Köln – Gerade fällt es mir schwer, bei mir die Moral hoch zu halten. Ich bin am Ende meines ersten Semesters in der Klausurphase. Teilweise schreibe ich die Klausuren in Präsenz, teilweise online. Es ist nicht einfach, dafür zu lernen. Schon das Studium war ja einsam vor dem Computer. Aber in der Klausurvorbereitung fühlt man sich noch einsamer.

Ich habe mir zwar Online-Lerngruppen gesucht, aber wir reden natürlich am Bildschirm nur über den Stoff. Was so sehr fehlt, sind Kleinigkeiten, wie in den Lernpausen was gemeinsam kochen, zwischendurch zwanglos über was anderes quatschen oder lachen. Klar ist das alles irgendwie machbar, aber die Freude ist halt weg.

Ich habe im Herbst und Winter gedacht, das stehe ich durch. Und dann kommt der Frühling und das Sommersemester wird ganz anders. Aber diese Perspektive ist für mich jetzt verloren gegangen und das drückt auf meine Stimmung.

Angst vor dem nächsten Lockdown

Gleichzeitig beunruhigt mich, wie jetzt angesichts dieser Lage alle nur über Öffnungen reden. Ich sehe keine Strategie dahinter und habe Angst, dass wir dann in ein paar Wochen wieder im harten Lockdown sind.

Ein sehr harter Lockdown im Herbst wäre sehr viel effektiver gewesen. Da haben noch alle über Herrn Lauterbach und Frau Merkel gelacht, die gewarnt haben, dass wir auf eine katastrophale Lage zulaufen. Wo ist die Lernkurve? Wir haben doch gesehen, was passiert, wenn wir die Wissenschaft ignorieren.

Ich habe Angst, dass wir aus dieser Corona-Krise die Erfahrung mitnehmen, dass unser System nicht stabil genug ist, um Krisen gut zu meistern. Das macht mir ein ungutes Gefühl, da das ja — Stichwort Klima — nicht die einzige Krise bleibt, mit der wir werden umgehen müssen. Wir stabilisieren unser System immer nur soweit, dass es nicht zusammenbricht. Aber es fehlt die Kraft, aus der Krise gesellschaftlich Schlüsse zu ziehen.

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Es fehlen die progressiven Gedanken, auch weil es ja keinen organisierten öffentlichen Austausch gibt. Ich habe Angst, dass das Bewältigen der Krise zu vielen Menschen die Kraft nimmt, Veränderungen anzugehen. Dass nach Corona die Energie fehlt, das alles aufzuarbeiten. Ich merke ja auch an mir, dass ich weniger Kraft habe als vor einem Jahr.

Erster Klimastreik in Köln nach Corona-Zwangspause

Gerade deshalb ist jetzt ein öffentliches Zeichen so wichtig. Am 19. März findet nach einem halben Jahr wieder der erste globale Klimastreik statt und wir werden corona-konform auf die Straße gehen.

Schon die Organisationsarbeit hat mir neue Kraft gegeben. Vergangenes Jahr haben wir es auch schon geschafft, diesen Protest corona-konform zu gestalten: 10.000 Menschen sind in einem Demonstrationszug unterwegs gewesen und haben konsequent den ganzen Weg 1,5 Meter Abstand zum Vordermann gehalten. Das war eindrucksvoll.

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Pauline Brünger bei der Vorbereitung des Klimastreiks von Fridays for Future.

Um das Geschehen noch mehr zu entzerren, werden wir diesmal zeitgleich um 12 Uhr auf sechs Kölner Plätzen eine Kundgebung veranstalten. Pro Kundgebung dürfen 300 bis 600 Leute kommen. Das hat die Stadt unter Vorbehalt genehmigt.

Es ist so wichtig, ein starkes Zeichen zu setzen: 2021 ist ein so bedeutendes Jahr mit einer Weichen stellenden Bundestagswahl. Wenn wir nicht ganz schnell strukturelle Veränderungen vornehmen, werden wir das 1,5 Grad-Ziel nicht erreichen. Wir müssen einfordern, dass die mit Corona einhergehenden Strukturveränderungen klimapolitisch gedacht werden und die Parteiprogramme 1,5-Grad-konform werden. Darum ist so wichtig, dass viele kommen.

Davon abgesehen, müssen die Menschen dringend auch physisch wieder spüren, dass sie etwas ändern können. Gemeinsam mit anderen. Ich will raus aus der Ohnmacht – und zwar nicht digital, sondern mit meinem ganzen Körper. Darauf freue ich mich.

Hier finden Sie alle Corona-Protokolle im Überblick.

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