Regierungsprogramm bis zur LandtagswahlWüst will Kindern und jungen Familien helfen

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Wüst rechts

Hendrik Wüst (rechts) auf der Regierungsbank.

  • Hendrik Wüst schlägt bei seiner ersten Regierungserklärung neue Töne an.
  • Er kündigt einen früheren Kohleausstieg und ein neues Kinderschutzgesetz an.
  • Jungen Familien will er zu Eigentum verhelfen.

Düsseldorf – Die Rede dauerte gut 45 Minuten. Hendrik Wüst hielt sich weitgehend an sein Manuskript, sprach konzentriert und mit bedachtem Tonfall. CDU und FDP feierten die erste Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten von NRW im Düsseldorfer Landtag am Mittwochmittag mit langem Beifall. Wüst wirkte zufrieden mit seinem Auftritt. Er hatte alle Themenbereiche angeschnitten und die wichtigsten Pläne seiner verbleibenden Amtszeit skizziert. Am 15. Mai 2022 sind Landtagswahlen in NRW. Bis dahin will Wüst sich mit einem eigenen Kurs als Landesvater profilieren.

Dabei setzt Wüst einen Schwerpunkt auf den Kinderschutz und auf die Förderung von jungen Familien. Der 46 Jahre alte Vater einer kleinen Tochter hofft darauf, dass ihm dabei eine besondere Kompetenz zugeschrieben wird.

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Ein neues Kinderschutzgesetz, dass Wüst noch in dieser Legislaturperiode verabschieden will, soll möglichst viele Kinder und Jugendliche vor Gewalt bewahren. „Die widerwärtigen Missbrauchsfälle von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster haben uns alle tief erschüttert“, sagte Wüst. Mehr als 4100 Täter seien bislang angeklagt worden. „Wir lassen im Kampf gegen diese besonders abscheuliche Kriminalität nicht nach“, versprach Wüst.

Grunderwerb soll günstiger werden

Junge Familien will Wüst künftig stärker beim Erwerb von Eigentum unterstützen. „Ich will, dass sich die Polizistin, der Krankenpfleger, alle diejenigen, die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind, ein eigenes Zuhause leisten können“, sagte der Ministerpräsident. „Wir brauchen Freibeträge für den Ersterwerb von selbstgenutzten Wohnimmobilien oder Baugrundstücken“, fügte Wüst hinzu. Es werde Zeit, dass auf der Bundesebene hierfür die Grundlage geschaffen werde. Sollte der Bund hier keinen Rahmen setzen, kündigt Wüst eine eigene Gesetzesinitiative an.

Wüst fordert Corona-Gipfel von Bund und Ländern 

Beim Thema Corona forderte Wüst angesichts rasant steigender Infektionszahlen eine abgestimmte Strategie von Bund und Ländern. Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz halte er es für geboten, dass die Regierungschefinnen und -chefs der Länder „zu einer gemeinsamen Einschätzung“ der Lage kämen und ihr Handeln untereinander und mit der Bundesregierung abstimmten. Grundlage dafür seien die Beratungen der Gesundheitsminister am Donnerstag und Freitag.

Im schulischen Bereich habe die Pandemie große Lücken aufgerissen, sagte Wüst. Umso wichtiger sei es, die entstandenen Defizite wieder aufzuholen und Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven zu eröffnen. So sei die Zahl der Kinder, die nicht richtig schwimmen könnten, in den vergangenen Jahren „bedrohlich“ angestiegen, so der Ministerpräsident. Jetzt erhalte jedes Kind in NRW die Chance, dieses Versäumnis nachzuholen. Das Land setze den schon bestehenden Aktionsplan dafür „mit voller Kraft“ fort.

Digital-Offensive für Brennpunkschulen

Wüst kündigte zudem an, die Schulen in sozialen Brennpunkten komplett mit digitalen Endgeräten auszustatten. Alle 370.000 Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen sollten im Rahmen eines zweiten „Sofortausstattungsprogramms“ ein digitales Endgerät erhalten. „Die Pandemie hat schonungslos offengelegt, dass Deutschland bei der Digitalisierung von Schule und Bildung hinterherhinkt“, sagte Wüst. Der offene Ganztag an den Schulen solle weiter ausgebaut und der Rechtsanspruch auf einen Platz sichergestellt werden. „Dabei wird es nicht allein um Quantität, sondern ganz entscheidend auch um die Qualität der Betreuung und die individuelle Förderung gehen“, so Wüst.

Bessere Hilfe für Hochwasseropfer

Den Menschen in den Hochwassergebieten versprach der Regierungschef verstärkte Anstrengungen beim Wiederaufbau durch beschleunigte Verfahren und mehr Personal. „Als Ministerpräsident verstehe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben, die betroffenen Menschen, Unternehmen und Kommunen beim Wiederaufbau wo immer möglich zu unterstützen“, sagte Wüst.

Nun gelte es, Maßnahmen der Klimaanpassung auf allen Ebenen umzusetzen. In den kommenden Wochen werde ein „Vorsorge-Programm Klimaanpassung“, ein Wassermanagementkonzept sowie ein Zehn-Punkte-Plan mit konkreten Lehren aus der Hochwasserkatastrophe vorgelegt, kündigte der Ministerpräsident an.

Wüst will so viele Dörfer wie möglich erhalten

Beim Streitthema Kohle vollzog Wüst eine Kehrtwende zur Laschet-Politik und kündigte an, hat dass ein früherer Ausstieg aus der Braunkohle in NRW möglich sei: „Für mich ist klar: Wir sind in NRW zu einem Ausstieg aus der Kohle auch schon 2030 bereit und wollen alles dafür tun, dass uns das gelingt“. Die Landesregierung werde noch in den kommenden Wochen eine „Energieversorgungsstrategie 2.0“ vorlegen, erklärte Wüst. Sein Vorgänger Armin Laschet (CDU), hatte bislang kein konkretes Jahr für einen Ausstieg genannt. „Ich möchte, dass diese Menschen und die Region Klarheit bekommen“, sagte der neue Regierungschef. Er wolle „so viele Dörfer wie möglich erhalten“.

Scharfe Kritik von SPD und Grünen

Der SPD-Oppositionsführer im Landtag, Thomas Kutschaty, warf Wüst vor, bei seiner Rede zu sehr in den „Rückspiegel“ geguckt zu haben. Die Landesregierung könne jetzt nicht in einem halben Jahr aufholen, was in den Jahren seit 2017 versäumt worden sei. Der Titel der Wüst-Rede „Wir haben alle Chancen“ müsste eigentlich heißen „Wir hatten alle Chancen und haben keine davon genutzt“, kritisierte der Politiker aus Essen. Kutschaty erinnerte daran, dass Wüst als Verkehrsminister das Sozialticket abschaffen wollte. Deshalb werde der CDU-Politiker nicht der Ministerpräsident sein, der NRW wieder zum sozialen Gewissen Deutschlands mache. Wüst sei lediglich der „Abwickler“ einer Landesregierung, die dem „Sonnenuntergang entgegen“ reite.

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Thomas Kutschaty kritisiert Wüst bei dessen Regierungserklärung.

Josefine Paul, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, warf Wüst ein Versagen in der Coronapolitik vor. „Ab dieser Woche an den Schulen auf die Masken am Sitzplatz zu verzichten, ist ein Signal zur Unzeit“, so die Politikerin aus Münster. Insbesondere angesichts steigender Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen wäre es ein vergleichsweise kleiner Eingriff gewesen, noch eine Weile auf Masken zu setzen und die Entwicklung abzuwarten. Zudem sei es ein Fehler gewesen, die kostenlosen Bürgertests abzuschaffen. Auch Geimpfte mit leichten Symptomen sollten sich gebührenfrei testen lassen können, damit mögliche Corona-Infektionen nicht unerkannt blieben.

Wüst war in der vergangenen Woche als Ministerpräsident zum Nachfolger von Armin Laschet gewählt worden, der bei der Bundestagswahl als Unionskanzlerkandidat gescheitert war und nun einfacher Abgeordneter in Berlin ist.

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