So feiern die Briten in KölnEin Besuch in der All Saints Church in Marienburg

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Ein grauhaariger Mann mit Schnauzer steht im weißen Messgewand und einem schwarzen Schal in einer Kirche inmitten von halb besetzten Kirchenbänken.

Der anglikanische Pfarrer Richard Gardiner feierte gemeinsam mit seiner Gemeinde das Festival "Nine Lessons and Carols".

Die anglikanische Kirche in Köln-Marienburg füllt sich ebenfalls an den Weihnachtstagen. Wie wird dort das Heilige Fest gefeiert?

„Alle Jahre wieder“ feiern die Menschen Weihnachten. Weihnachtslieder laufen in Dauerschleife, auf den Weihnachtsmärkten herrscht Gedränge und selbst die Kirchen füllen sich an Heiligabend. Aber eben nur an Heiligabend.

Das Gefühl, häufig vor leeren Bänken zu stehen, kennt auch Reverend Richard Gardiner. Er ist seit drei Jahren der Gemeindepfarrer von All Saints, der anglikanischen Kirche in Köln-Marienburg. „Richtig voll ist es bei uns nur an Heiligabend zur Christmette, die um 23.30 Uhr beginnt, und dieses Jahr am vierten Adventssonntag, denn dann feiern wir einen ganz traditionellen englischen Gottesdienst, das ‚Festival of Nine Lessons and Carols‘“, erzählt der Pfarrer, der auch die anglikanische Gemeinde in Bonn-Beuel betreut.

Vor Corona waren es fast 300 Menschen, die extra wegen dieser typischen englischen Weihnachtsmesse in unsere Kirche gekommen sind
Richard Gardiner, Pfarrer der anglikanischen Gemeinde Köln

Dieser besondere Gottesdienst, bei dem im Wechsel neun Bibelstellen, die Lessons, mit neun Weihnachtsliedern, den Carols, vorgetragen werden, wird in der Weihnachtszeit weltweit in allen anglikanischen Kirchen gefeiert. „Vor Corona waren es fast 300 Menschen, die extra wegen dieser typischen englischen Weihnachtsmesse in unsere Kirche gekommen sind, nicht nur Engländer, auch viele Kölner aus Bayenthal, Marienburg und Rodenkirchen. Im Anschluss an die Messe gibt es immer mince pies, Glühwein und wunderbare Gespräche“, erzählt der Pfarrer, der mit 19 Jahren im Rahmen seines Theologiestudiums zu einem Praktikum aus England nach Köln gekommen ist.

Sängerinnen mit Noten in der Hand und ein Chorleiter stehen im Halbkreis in einer Kirche.

Der Chor The Bonn English Singers unter der Leitung von Stephen Harrap sang beim Vorweihnachtsgottesdienst Nine Lessons and Carols.

Er arbeitete damals in der Diakonie Michaelshoven, verliebte sich in eine Deutsche – und blieb. „Ich habe Theologie studiert und wollte immer Priester werden, aber meine Frau wollte nicht in England leben. Deshalb habe ich bis zu meiner Rente in der IT-Branche gearbeitet und parallel dazu immer als Laienpriester in der All Saints Church ausgeholfen“, berichtet der heute 71-Jährige. Vor elf Jahren hat er sich seinen Berufstraum erfüllt und wurde als Priester der Church of England ordiniert, deren weltliches Oberhaupt König Charles III. und geistliches Oberhaupt Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, ist.

Pfarrer dürfen in der Church of England heiraten, Frauen dürfen seit 1992 Priesterinnen, seit 2013 auch Bischöfinnen werden. „Wir sind da schon ein bisschen weiter als die katholische Kirche“, erklärt Reverend Richard Gardiner nicht ohne Stolz, fügt aber zugleich hinzu, dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zwar auch in den höchsten Gremien der anglikanischen Kirche diskutiert wird, aktuell aber immer noch verboten ist.

Die anglikanische Gemeinde in Köln wurde bereits 1850 gegründet. Hintergrund war die zu dieser Zeit zunehmende Reiselust der britischen Oberklasse. In wohlhabenden englischen Kreisen war damals die sogenannte „Grand tour“, eine mehrmonatige Europareise, angesagt. Ausgangspunkt war oft der Rhein. „Wir als Kirche, wir haben Köln, lange vor der englischen Besatzung besetzt“, erzählt Gardiner mit einem Schmunzeln. Vor dem Zweiten Weltkrieg, Anfang der 30er Jahre, stellte der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer der anglikanischen Gemeinde die Rathauskapelle für ihre Gottesdienste zur Verfügung.

Als dann nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Besatzung und durch die große Militärpräsenz der britischen Rheinarmee in Köln die Gemeinde stark anwuchs, wurde 1951 an der Bonner Straße ein eigenes Kirchengebäude nach den Entwürfen des Architekten Rudolf Schwarz erbaut. Mit dem Abzug der britischen Rheinarmee aus Köln in den 90-er Jahren und dem Wegzug der Bundesregierung nach Berlin und damit auch der vielen Botschaftsangehörigen ist die anglikanische Gemeinde in Köln immer kleiner geworden.

Ich werde wieder alle einladen, ob jemand kommt, das weiß ich nicht
Richard Gardiner, Pfarrer der All Saints Kirche

Und da die Gemeinde sich ausschließlich durch Spenden und die Kollekte finanziert, konnte sie sich das Kirchengebäude nach dem Abzug der britischen Armee nicht mehr leisten, es wurde an die Bundeswehr übergeben, in deren Eigentum es sich noch heute befindet.„Wir sind hier Mieter, zahlen pro Gottesdienst, Hochzeit, Kommunion oder Taufe eine Pauschale an die Bundeswehr. Der Militärpfarrer ist seit drei Jahren weg, deshalb wird die Kirche eigentlich nur von uns als Kirche benutzt“, sagt Richard Gardiner, der ehrenamtlich arbeitet.

Kontakte zum Kölner Erzbischof Kardinal Woelki oder zu Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die anglikanische Gemeinde nicht. „Wir haben zur 150-Jahr-Feier im Jahr 2000 den damaligen Kölner Erzbischof Joachim Meisner und auch den damaligen Oberbürgermeister eingeladen, leider ohne Erfolg. Wir laufen in dieser Millionenstadt scheinbar etwas unter dem Radar oder sind schlicht nicht prominent genug“, berichtet der Seelsorger. Und es schwingt hörbar Enttäuschung mit, wenn er hinzufügt: „In drei Jahren feiern wir das 175-jährige Bestehen der anglikanischen Gemeinde in Köln, und ich werde wieder alle einladen. Ob jemand kommt, das weiß ich nicht.“

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