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Rückkehr der Flussbadeanstalten?Stadt Köln sucht Flächen für sicheres Schwimmen im Rhein

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Eine frühere Aufnahme des Rodenkirchener Strandbads.

Eine frühere, undatierte Aufnahme des städtischen „Cölner Strandbad Rodenkirchen am Rhein“.

Was neuerdings in Köln verboten ist, war früher populär: Baden im Rhein. Manche Schwimmer ließen sich sogar von den Lastkähnen ziehen. 

Mit diesem Bild will sich so mancher Anrainer in Rodenkirchen offenbar noch nicht abfinden: Einsatzkräfte des Ordnungsamtes, die in ihren schwarzen Uniformen am Rheinufer patrouillieren und Badegästen das Schwimmverbot erläutern – und bei Verstößen nach ein paar Wochen der Aufklärung bald auch Geldbußen erheben. „So ein Humbug“, schimpft ein Anwohner. „Ich schwimme seit Jahrzehnten hier im Rhein. Man muss nur die Stellen kennen, wo es gefährlich ist“, behauptet er.

Ein anderer sprengte vorige Woche an der Rodenkirchener Riviera eine Freiluft-Pressekonferenz des Ordnungsamtes zum Thema Badeverbot und polterte: „Vielleicht versuchen Sie es erstmal mit einer Schwimmwesten-Vorschrift, statt gleich alles zu verbieten.“ Allerdings wäre wohl auch der geübteste Schwimmer trotz Weste den tückischen Strömungen, dem Schiffsverkehr und den verborgenen Strudeln im Fluss hilflos ausgeliefert.

Köln: Alkoholisiert und unter Drogeneinfluss zum Baden in den Rhein

„Der Rhein hat eine Fließgeschwindigkeit von immer mindestens fünf km/h plus X“, sagt Edgar Muth von der Wasserschutzpolizei. „Da schwimmt niemand gegen an. Der Rhein ist saugefährlich.“ Nach zuletzt mehreren tödlichen Unfällen ist es daher seit voriger Woche verboten, mehr als knöcheltief ins Wasser zu gehen.

In Höhe des Bootsstegs am Rodenkirchener Leinpfad steht Ralf Meißner barfuß im Sand und zeigt in die Strommitte. Da hinten, sagt er, habe er schon mal einen Menschen aus dem Wasser gezogen und vor dem Ertrinken gerettet. Meißner ist im Sommer fast täglich hier. Vor allem junge Männer, die alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss in den Rhein gingen, überschätzten sich völlig, hat er beobachtet. Dann erzählt er von früher. Von einer Zeit, als es in Köln noch Schwimmbäder im Rhein gab, sogenannte Flussbadeanstalten. Als Kinder noch allein rausgeschwommen sind, sich an Schiffen festhielten, um sich von ihnen ein Stück ziehen zu lassen. Als Baden im Rhein populär war – und niemand auf die Idee gekommen wäre, es zu verbieten.

Eine Ansichtskarte von 1926 zeigt das am Kölner Rheinufer gelegene „Schwimm-, Licht-, Luft- und Sonnenbad“ an der heutigen Mülheimer Brücke. Die Aufnahme stammt von 1909.

Eine Ansichtskarte von 1926 zeigt das am Kölner Rheinufer gelegene „Schwimm-, Licht-, Luft- und Sonnenbad“ an der heutigen Mülheimer Brücke. Die Aufnahme stammt von 1909.

Es war allerdings auch eine Zeit, in der die Flüsse nicht so stark begradigt waren wie heute. In der die Fließgeschwindigkeiten geringer, Sog und Strömungen weniger stark und die Schiffe weniger schwer beladen und deutlich langsamer waren. Für das Jahr 1913 zählt der städtische Verwaltungsbericht in Köln insgesamt sechs Landesbadeanstalten, fünf Flussbadeanstalten und ein Strandbad auf, zum Beispiel in Riehl, an der Frankenwerft und im rechtsrheinischen Langel. Die Bereiche, in denen geschwommen werden durfte, waren abgetrennt und gesichert. Manche Becken befanden sich auf sogenannten Badeschiffen. Sie sind auch heute wieder im Gespräch. Der Stadtrat hat die Verwaltung als Ausgleich zum kürzlich verfügten Badeverbot beauftragt, Flächen zu finden, an denen im Rhein geschwommen werden darf.

„Wir ließen uns als blinde Passagiere ein Stück den Rhein hinauf mitnehmen“

Einer, der sich früher wagemutig an die Schiffe klammerte, ist Andreas Hartmann (Name geändert). Der Pensionär aus Neuehrenfeld erinnert sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, wie er sich Ende der 50er Jahre als 17-Jähriger vom Bootshaus unterhalb der Rodenkirchener Brücke in „heute nicht mehr vorstellbare Abenteuer“ stürzte. „Wir schwammen sehr gezielt und mit zunehmender Erfahrung immer genauer und erfolgreicher an einen der Lastkähne heran, die von Raddampfern gezogen wurden, schwangen uns auf den Rand des Kahns und ließen uns als blinde Passagiere ein Stück den Rhein hinauf mitnehmen.“ Das sei damals noch möglich gewesen, weil die Lastkähne „sehr langsam fuhren“ und ihr Rand nicht höher als zwanzig Zentimeter über der Wasseroberfläche gewesen sei.

Zwei Joche der Schiffbrücke sind ausgefahren, um den eleganten Dampfer passieren zu lassen.
 Blick nach Deutz

Ein Dampfer passiert die Deutzer Schiffbrücke. Die Aufnahme stammt von 1910, als der Verkehr auf dem Rhein deutlich langsamer und ruhiger war als heute.

„Wenn man sich mit Schwung auf den Schiffsrand hochgezogen hatte, dauerte das Vergnügen allerdings oft nicht lange. Wenn nicht ein Mann der Besatzung uns wegscheuchte, machte das oft ein Hund. Seltsamerweise hatten diese Lastkahn-Familien fast immer einen kleinen Spitz, der giftig bellend angerannt kam und uns vertrieb.“ Die Schleppzüge waren seinerzeit fast täglich auf dem Rhein unterwegs und transportierten Kohle aus dem Ruhrgebiet rheinaufwärts – anfangs noch als Reparationsleistungen an Frankreich nach dem verlorenen Krieg.

Gefährliche Strudel, erinnert sich Andreas Hartmann, habe es damals höchstens an den Kribben gegeben, „nicht aber zehn Meter vom Ufer entfernt in Richtung Flussmitte“. Inzwischen ist der Rhein längst unberechenbar geworden, und so sagt auch Andreas Hartmann: „Ich halte das Badeverbot für vollkommen gerechtfertigt.“ Wenngleich es offenkundig auch nicht jeden vom Leichtsinn abhält. Erst am Sonntag war ein Mann in Höhe der Bastei im Rhein untergegangen und abgetrieben, als er laut Zeugen einem Ball hinterher gesprungen war. Den Ball fand die Feuerwehr später wieder, der ungefähr 50 Jahre alte Mann ist bis heute verschwunden.

Wann die Stadtverwaltung ihre Vorschläge für sichere Badezonen in Köln vorlegen will, ist noch unklar, das werde zurzeit geprüft, heißt es. Ein Standort könnte der Deutzer Hafen nach dem geplanten Umbau sein. Das Architekturbüro Cobe aus Kopenhagen will dann auf der westlichen Seite unter anderem ein Freibad bauen. Doch das könnte noch eine Weile dauern. Das neue Quartier für knapp 7000 Bewohner und 6000 Arbeitsplätze rund um das Deutzer Hafenbecken wird wohl frühestens Mitte der 2030er-Jahre fertig sein.