Selbst innerhalb der städtischen Gebäudewirtschaft ist der Umgang mit dem Gebäude in der Kölner Innenstadt offenbar hoch umstritten.
350-Millionen-Euro-ProjektUngereimtheiten beim Mietvertrag der Stadt Köln für Kaufhof-Zentrale

Die ehemalige Kaufhof-Zentrale an der Leonhard-Tietz-Straße.
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Der Mietvertrag, den die Stadt Köln für die ehemalige Kaufhof-Zentrale in der Leonhard-Tietz-Straße in der Innenstadt abgeschlossen hat, weist weiterhin viele Ungereimtheiten auf. Die Politik blickt äußerst kritisch auf das Projekt und versagt im Stadtrat bislang mehrheitlich die Zustimmung, der städtischen Gebäudewirtschaft unter Leitung von Baudezernent Markus Greitemann weitere 50 Millionen Euro für den Umbau des Gebäudekomplexes freizugeben und den Mietvertrag vorzeitig um weitere fünf Jahre zu verlängern (wir berichteten mehrfach). Die Miete wird bis zum Jahr 2050 insgesamt 300 Millionen Euro kosten.
In der Ratssitzung am 3. Juli will die Stadtverwaltung einen weiteren Anlauf nehmen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll es auch innerhalb der für den Mietvertrag zuständigen städtischen Gebäudewirtschaft Differenzen über den Vorgang gegeben haben. Außerdem sollen der Baudezernent und die Betriebsleitung zwei Nachträge zum Mietvertrag unterzeichnet haben, ohne die Politik dabei zu beteiligen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Die Stadt Köln wollte die ehemalige Kaufhof-Zentrale ursprünglich als Interimsstandort für die Innenstadt-Feuerwache nutzen, zog das Vorhaben dann aber zurück, weil das zu teuer sei. Wie viel Geld würde das Interim kosten?
Alles zum Thema Bernd Petelkau
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Zunächst war die Rede von rund 120 Millionen Euro, welche die Vermieterin des Gebäudes, die Agrippina Quartier GmbH, vertreten durch die Swiss Life Kapitalverwertungsgesellschaft, für den Umbau haben wollte. Diese Summe bezog sich jedoch auf ein größeres Paket, in dem auch andere Teilprojekte enthalten waren, wie etwa der Umbau der Kantine zu einem Kunst- und Lesesaal für die Museumsbibliothek und die Herrichtung von Räumen für weitere Ämter. Die Stadt teilte der Politik erst auf explizite Nachfrage mit, dass eine Grobschätzung der Vermieterin für das Feuerwachen-Interim aus dem September 2023 eine Summe von 35 Millionen Euro ergeben hatte.
In den Akten zu der Kaufhof-Anmietung, die mehrere Ratsfraktionen gesichtet haben, soll es dem Vernehmen nach jedoch ebenfalls aus dem September 2023 eine Grobkostenschätzung geben, in der das Feuerwachen-Interim mit rund 20 Millionen Euro beziffert wird. Wie sich die deutliche Abweichung von 15 Millionen Euro zwischen den beiden Zahlen erklärt, konnte die Stadt am Freitag zunächst nicht beantworten. Eine Stadtsprecherin erklärte, die Beantwortung der Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ werde voraussichtlich einige Tage in Anspruch nehmen.
Das Feuerwachen-Interim soll nun statt in der Kaufhof-Zentrale auf einer Grünfläche an der Löwengasse nahe der Severinsbrücke entstehen. Was würde das kosten?
Die Stadt Köln geht laut einer Schätzung davon aus, dass dieses Projekt 26,5 Millionen Euro kosten wird. Je nachdem, welche der beiden Zahlen (35 oder 20 Millionen Euro) für die Feuerwachen-Lösung im Kaufhof-Gebäude tatsächlich zutrifft, wäre die Löwengasse entweder 8,5 Millionen Euro günstiger oder 6,5 Millionen Euro teurer. Solange die Frage unbeantwortet bleibt, dürfte es für die Politik schwierig sein, auf der Grundlage fehlender Informationen in der Ratssitzung am 3. Juli eine Entscheidung zugunsten der Löwengasse zu treffen.
Die Vermieterin will aktuell für den Umbau 50 Millionen Euro haben, das Feuerwachen-Interim und der Lesesaal wurden gestrichen. Was ist in dieser Summe enthalten?
Neben dem Kundenzentrum Innenstadt sollen das Kulturdezernat, das Kulturamt, der Museumsdienst, das Standesamt, die Einbürgerungsstelle, das Gesundheitsamt sowie das Amt für Kinder, Jugend und Familie in der ehemaligen Kaufhof-Zentrale unterkommen. Alleine für das Standesamt, das in einer Villa auf dem Gelände einziehen soll, sind 15 Millionen Euro vorgesehen.
Wer hat die Zahlen und Schätzungen vorgenommen, auf deren Grundlage der Stadtrat die 50 Millionen Euro freigeben soll?
Wie zu erfahren war, soll die zuständige Abteilung der städtischen Gebäudewirtschaft gegenüber der eigenen Betriebsleitung die Verantwortung für die in der Ratsvorlage genannten Zahlen und Schätzungen abgelehnt haben, weil diese nicht belastbar und nicht valide seien. Es soll zu einer „Remonstration“ gekommen sein. Dabei handelt es sich um eine Einwendung, die eine verbeamtete Person gegen eine Weisung erhebt, die sie von einer ihr vorgesetzten Person erhalten hat. So lassen sich Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geltend machen.
Welche vertraglichen Vereinbarungen gibt es zwischen der Stadt Köln und der Vermieterin der ehemaligen Kaufhof-Zentrale?
Der Mietvertrag zwischen der Stadt Köln und Swiss Life wurde am 9. Juni 2022 auf Basis eines Ratsbeschlusses vom 3. Februar 2022 geschlossen. Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) gab sein Okay für die Konditionen.
Dem Vernehmen nach soll es in der Folge zwei Nachträge zum Mietvertrag gegeben haben. Die Politik wurde dabei aber offenbar nicht einbezogen.
Der erste Nachtrag datiert vom 28. Juni 2022, also lediglich 19 Tage nach Unterzeichnung des ursprünglichen Mietvertrags. Dabei soll die Stadt Verpflichtungen in bis zu zweistelliger Millionenhöhe eingegangen sein. Unterzeichnet wurde der Nachtrag vom kaufmännischen Betriebsleiter und von der technischen Betriebsleiterin der Gebäudewirtschaft. Grund für den Nachtrag war offenbar die Entscheidung, den Lesesaal der Kunst- und Museumsbibliothek doch nicht in der Kantine, sondern an anderer Stelle im Gebäude unterzubringen, obwohl die Planung für die Kantine bereits vorlag.
Der zweite Nachtrag stammt vom 4. April 2025, unterzeichnet vom kaufmännischen Betriebsleiter und Baudezernenten Markus Greitemann, der auch Erster Betriebsleiter der Gebäudewirtschaft ist. Darin soll sich die Stadt zur Zahlung von Vorauszahlungen an die Vermieterin verpflichtet haben. Der Nachtrag geschah, während gleichzeitig die politischen Beratungen zum Thema liefen, die Politik wurde aber dennoch nicht in den Vorgang einbezogen oder darüber informiert.
Was sagt der Eigentümer der früheren Kaufhof-Zentrale?
Die Gebäude gehören der Agrippa Quartier GmbH. Sie wiederum gehört drei Gesellschaftern, eine davon ist Swiss Life. Eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ließ Swiss Life inhaltlich größtenteils unbeantwortet.
Beispielsweise bleibt die Frage offen, warum Kaufhof als früherer Nutzer laut Geschäftsbericht für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. September 2019 nur rund 4,8 Millionen Euro Miete zahlen musste. Die Stadt soll ab Ende 2026 aber jährlich 12,3 Millionen Euro jährlich zahlen, das entspräche einem Plus von 156 Prozent. Laut eines Sprechers von Swiss Life hat das Unternehmen seinen Geschäftsberichten nichts hinzuzufügen.
Und dort findet sich auch die finanzielle Größenordnung, die Swiss Life dem Deal mit der Stadt beimisst: Nach Abschluss des Mietvertrages mit der Stadt gab Agrippa 2022 den Verkehrswert der Gebäude mit 181 Millionen Euro an, im Jahr davor waren es nur 125,6 Millionen Euro, eine Steigerung von 55,4 Millionen Euro. Christian Dinger, Geschäftsführer der Swiss Life, sagte im September 2022: „Mit diesem Mietvertrag konnten wir die Stadt als für uns denkbar attraktivsten Mieter für das Agrippa Quartier gewinnen.“ Viele Politiker im Rat werten hinter vorgehaltener Hand diese Aussage als Beweis dafür, dass der Mietvertrag ein schlechtes Geschäft für die Stadt ist.
Was sagt die Politik?
„Natürlich hängen für uns die beiden Entscheidungen zum Feuerwehr-Interim an der Löwengasse und die Entscheidung zur Leonhard-Tietz-Straße zusammen. Wir möchten das gleichzeitig entscheiden. Wir haben noch Beratungsbedarf und werden dafür sorgen, dass wir diesen geltend machen“, sagt Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin.
Die Entscheidung zur Anmietung der ehemaligen Kaufhof-Zentrale ist im Zusammenhang mit der Abmietung von anderen städtischen Büroimmobilien zu sehen
„Die Entscheidung zur Anmietung der ehemaligen Kaufhof-Zentrale ist im Zusammenhang mit der Abmietung von anderen städtischen Büroimmobilien zu sehen“, sagt CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. Dadurch würden Kosten dauerhaft gesenkt und interne Prozesse optimiert. Ein Interim für die Feuerwache in dieser Büroimmobilie passe weder in die Optimierungsstrategie noch sei sie kosteneffizient. Deshalb sei es sinnvoll, das Interim in die Löwengasse zu verlegen.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuerwehr müssen nun schon viel zu lange in einem untragbaren Arbeitsumfeld ihren Dienst in der Feuerwache Innenstadt tun. Die Verantwortung dafür tragen die beiden CDU-Dezernenten Greitemann und Blome, die durch völliges Missmanagement diese Situation überhaupt erst heraufbeschworen haben“, sagt SPD-Fraktioschef Christian Joisten. Die Löwengasse könne eine sinnvolle Lösung für das Feuerwachen-Interim sein. „Zu den Vorgängen Rund um die Skandal-Immobilie Leonhard-Tietz-Straße haben wir nun Akteneinsicht genommen. Daraus ergeben sich gravierende Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor wir eine Entscheidung treffen“, sagt Joisten.
„Wir würden einen Neubau favorisieren und in der aktuellen Lage mindestens ein Vorkaufsrecht im Vertrag verankert sehen, damit die Stadt langfristig planen kann und sich die hohen Mieten und Umbaukosten rechnen“, sagt Jörg Detjen (Linke). „Ohne unseren Antrag nach Vorkaufsrecht im Grundbuch gibt es keine Zustimmung.“ Einem Interim für die Feuerwehr in der Löwengasse werde Die Linke zustimmen, weil die Feuerwehr das inzwischen favorisiere.
„Die Interimswache an der Löwengasse ist aus unserer Sicht die pragmatischste, schnellste und damit auch wirtschaftlich sinnvollste Lösung. Die Feuerwehr braucht endlich Planungssicherheit und keine weiteren Diskussionen ins Blaue hinein“, sagt Stefanie Ruffen (FDP). Wer weiter auf die ehemalige Kaufhof-Zentrale als Interimslösung spekuliere, ignoriere die Realitäten. „Das Gebäude ist nicht nur teuer und überdimensioniert – es ist auch schlicht nicht rechtzeitig verfügbar“, sagt Ruffen. Die FDP werde eine Akteneinsicht rund um die Anmietung des Gebäudes in der Leonard-Tietz-Straße beantragen.