Köln – Das neue Zivilschutzkonzept der Bundesregierung hat hohe Wellen geschlagen. Die größte Bedrohung gehe von „hybriden Konflikten“ aus, heißt es dort. Terroristen oder Staaten könnten mit Cyber-Angriffen versuchen, die Strom- oder Wasserversorgung lahm zu legen. Bürgern wird nun geraten, sich Vorräte für zehn Tage anzulegen. Was für die einen reine Panikmache ist, hält Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen für eine sinnvolle Diskussion. „Unsere Infrastruktur hängt massiv von einer digitalen Steuerung ab. Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst werden.“
Doch wie ist die Stadt für Katastrophen aller Art gerüstet? Zumindest bei lang anhaltenden Versorgungs-Engpässen größerer Teile der Bevölkerung gäbe es wohl arge Probleme. Viel von der Infrastruktur, die der Bund einst im Kalten Krieg aufgebaut hat, ist längst wieder abgeschafft worden.
Die Maßnahmen im Überblick:
Krisenstab
Im Katastrophenfall würde der Krisenstab in der Feuerwehr-Zentrale an der Scheibenstraße zusammentreten. Er besteht unter anderem aus dem Stadtdirektor, den Versorgungsbetrieben, der Feuerwehr und der Polizei. Die Mitglieder organisieren die Versorgung der Bürger, kümmern sich aber auch um die Verkehrsregelung. Zuletzt tagte der Krisenstab beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009. Die Mitglieder üben immer wieder Krisenlagen, zuletzt etwa ein stadtweiter Stromausfall oder ein Attentat auf die U-Bahn-Station Neumarkt.
Der Krisenfall geübt wurde jahrelang auch im Katastrophenschutz-Zentrum an der Robert-Perthel-Straße. Feuerwehr, THW und andere Rettungsorganisationen arbeiteten hier eng zusammen, der Bundesverband für den Selbstschutz informierte Privatleute und Unternehmen, wie sie längeren Versorgungs-Engpässen vorbeugen können. Ab den 1990er Jahren wurde das vom Bund finanzierte Zentrum nach und nach aufgelöst.
Sirenen
Die sirenenfreie Zeit dauerte nur wenige Jahre. Als Anfang der 1990er Jahre der Kalte Krieg für beendet erklärt wurde, war es in Köln erstmal vorbei mit den heulenden Warnanlagen. Doch ihr Comeback ließ nicht lange auf sich warten. Mittlerweile gibt es in Köln wieder 81 Sirenen auf Schuldächern, Bezirksrathäusern oder Feuerwachen. Bis Ende 2017 lässt die Stadt weitere 54 errichten – für 1,2 Millionen Euro.
Bis 1992 gab es im Stadtgebiet rund 200 Sirenen, die die freiwillige Feuerwehr alarmierten, wenn es brannte. Sie sollten aber auch die Bevölkerung bei größeren Katastrophen oder gar bei einem Atomangriff warnen. Neben der Kölner Feuerwehr konnte auch der Bund als Betreiber der Anlagen Alarm auslösen.
Als dann die alten Feindbilder des Kalten Kriegs wegfielen, bot der Bund der Stadt Köln an, die Sirenen zu übernehmen. Doch die Stadt lehnte ab, denn die Technik galt als veraltet. „Jede einzelne Sirene hatte eine Telefonnummer, die man anrufen musste, dann haben sie losgeheult“, so Jürgen Opladen von der Feuerwehr. Der Bund baute die Sirenen größtenteils ab, Feuerwehrleute wurden fortan nur noch über Pieper alarmiert, die Bevölkerung über Lautsprecher auf Einsatzfahrzeugen.
1995 folgte das Umdenken: Der Stadtrat beschloss den Neuaufbau des Sirenennetzes. Warum? „Weil wir nach Hamburg mit Abstand das größte Gefährdungspotenzial auf dem Stadtgebiet haben“, sagt Opladen. Sowohl auf dem Rhein als auch auf den Schienen werden gefährliche Chemikalien transportiert, dazu kommen die großen Chemieanlagen an der Peripherie. Der große Vorteil der Sirenen: Sie können direkt von der Feuerwehr ausgelöst werden, während ein Lautsprecherfahrzeug erst zum Einsatzort fahren muss. „Die Sirene ist das schnellste Warnmittel“, so Opladens Stellvertreter Guido Rahm. Die meistgenutzten Sirenen Kölns sind die in der Nähe der Godorfer und Wesselinger Chemie-Unternehmen. Hier kommt es immer wieder zu Störfällen.
Tanklager
Die Hamburger Tanklagergesellschaft Petrotank bestätigt auf Anfrage, unter anderem in Köln Vorräte an Diesel und Heizöl vorzuhalten, die im Ernstfall von Behörden oder zum Betrieb von Krankenhaus-Notstromaggregaten verwendet werden dürfen. Zum Standort der Kölner Tanklager sowie zu Mengen wollte Petrotank sich nicht äußern.
Lebensmittelreserven gibt es dagegen laut Feuerwehr in Köln nicht. Der Getreidespeicher im Rheinauhafen, der als nationale Notfallreserve diente, wurde bereits nach dem Ende des Kalten Kriegs 1990 abgeschafft.
„Viele Dinge müssten kurzfristig beschafft werden“, sagt Jürgen Opladen, bei der Kölner Berufsfeuerwehr für den Bevölkerungsschutz zuständig. Infrastruktur aus dem Kalten Krieg sei nur dann erhalten geblieben, wenn sie im Unterhalt nichts mehr gekostet habe. Im Ernstfall würden Nahrungsmittel, aber auch Benzin rationiert, die Bevölkerung würde mit Lebensmittel- oder Benzinkarten ausgestattet. Allerdings gebe es zur Verteilung solcher Karten kein Konzept. Die neue Zivilschutzplanung könnte hier zum Nacharbeiten zwingen: „Wir gehen davon aus, dass noch Aufgaben auf uns zukommen“, so Opladen.
Fraglich ist auch, wie lange die Lebensmittel in Köln reichen würden. „Wir haben zwar viel mehr Supermärkte als vor 20, 30 Jahren“, sagt der Experte: „Aber ihre Vorratshaltung ist nun auf wesentlich kürzere Zeiträume ausgelegt.“ Nach der neuen Zivilschutz-Strategie des Bundes sollen Bürger Lebensmittel und Trinkwasser für zehn Tage vorhalten. Opladen hält auch batteriebetriebene Radios und Kerzen für angebracht. So etwas sei aber immer sinnvoll – nicht nur bei ganz großen Katastrophen.