Bestimmendes Thema der 19. Architekturbiennale in Venedig ist der Klimawandel. Der deutsche Pavillon wird zum „Stresstest“: Was tun, wenn sich die Welt immer weiter aufheizt?
Architekturbiennale in VenedigBauend die Welt retten, bevor es zu spät ist

Der zunehmenden Hitze in unseren Städten setzt der deutsche Beitrag auf der Biennale ein ebenso simples wie effektives Mittel entgegen: Bäume.
Copyright: Patricia Parinejad
Nachrichten von Hitzerekorden und Fernsehberichte von Überschwemmungen überschlagen sich, Bilder von überhitzten öffentlichen Plätzen werden von Nahaufnahmen schwitzender Kinder und älteren Menschen abgelöst; überall Beton, nirgends Schatten. Heat-Maps, Animationen, Fotografien und Daten verbinden sich in einer raumgreifenden Videoinstallation zur längst Realität gewordenen Dystopie – und empfangen die Besucher im deutschen Pavillon der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig auf unsanfte Art.
Die Relevanz des Themas – die dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung auf unsere Städte – wurde gerade in diesen Tagen auch hier in Köln wieder am eigenen Leibe spürbar; längst sind extreme Hitzewellen mit Temperaturen an die 40 Grad keine Ausnahme mehr in Deutschland. Dabei ist das Bauwesen in seiner aktuellen Form eine der treibenden Faktoren des Klimawandels, gleichzeitig aber, besonders im Städtebau, bislang kaum auf seine Folgen vorbereitet.
Kurator Carlo Ratti setzt auf Natürliche und Künstliche Intelligenz
Carlo Ratti, italienischer Architekt und Kurator dieser 19. Architekturbiennale, stellt die Veranstaltung unter das Motto „Intelligens. Natural. Artificial. Collective“. Um einer brennenden Welt zu begegnen, müsse die Architektur die gesamte Intelligenz einsetzen, die uns zur Verfügung steht, sagt er. Die Zukunft der Architektur liegt in seinen Augen nicht mehr in der Kontrolle über die Natur, sondern in Partnerschaft mit ihr. Dafür braucht es, so lehrt uns die von ihm kuratierte Ausstellung im Arsenale, sowohl Natürliche als auch Künstliche Intelligenz, Low-Tech und High-Tech-Lösungen, Lehmbau, Algen und natürliche Materialien genauso wie technisch versierte, mit KI optimierte Maßnahmen.
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Die Ziegel der „Elephant Chapel“ in der Hauptausstellung werden aus Elefantendung hergestellt, sind sehr leicht und trotzdem stabil.
Copyright: IMAGO/Avalon
Ratti bricht bewusst mit der kuratorischen Tradition der Veranstaltung und verleiht seinem Motto mehr Glaubwürdigkeit, indem er in einem offenen Prozess über 300 Projekte von globalen Teams aus hochkarätigen Architekten und Wissenschaftlern ausgewählt hat – ihre Lösungsvorschläge könnten kaum verschiedener sein und füllen die Ausstellungsräume bis unter die Decke. Modelle, Zeichnungen, Formeln, sprechende Roboter und Materialsammlungen schreien uns förmlich an: Es gibt mehr als genügend intelligente Ideen, wir müssen sie nur dringend und gemeinsam umsetzen.
Städte im Hitze-„Stresstest“
Die brennende Hölle der überhitzten Städte im deutschen Pavillon wird langsam abgelöst von grüner Idylle: Bäume, begrünte Fassaden und Dächer, Parks, Wasserspiele und Schattenspender tanzen zu lautem Operngesang über die Wände. An Dramatik haben die Kuratoren Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci nicht gespart. In den beiden weiteren Räumen können die Besucher die aufgemachte Dichotomie dann am eigenen Leibe erfahren: Erst werden sie mit Heizstrahlern innerhalb kürzester Zeit in einen unangenehm warmen Raum versetzt, eine Wärmebildkamera erfasst ihre Temperatur und zeigt auf großen Bildschirmen ein Hitze-Spiegelbild ihrer eigenen Körper.

„Building Biospheres“ von Bureau Bas Smets im Belgischen Pavillon erzeugt durch Pflanzen ein Mikoklima, das als natürliche Klimaanlage funktioniert
Copyright: Michiel De Cleene
Dann, auf der anderen Seite, sorgen Bäume für ein angenehmes Raumgefühl. Welche positiven Auswirkungen allein Bäume, Pflanzen und unversiegelte Flächen im Vergleich zu Betonoberflächen auf die Temperaturentwicklung in den Städten haben, zeigt ein anschauliches Wandbild. Während etwa der belgische Pavillon zum Testlabor für eine natürliche Klimatisierung von Innenräumen mithilfe von Pflanzen wird, oder Bahrain eine innovative, energiesparende Ingenieurslösung zur Klimatisierung öffentlicher Plätze präsentiert – und dafür den Goldenen Löwen gewinnt –, verfolgt das Kuratorenteam im deutschen Pavillon unter dem Titel „Stresstest“ eine andere Agenda.
Wer übernimmt Verantwortung?
Ja, innovative Lösungen sind gefragt, aber eben nicht nur. Schon die einfachsten Maßnahmen – wie das Pflanzen von Bäumen – wirken Wunder gegen die zunehmende Hitze in unseren Städten. Ein im Pavillon gezeigter Film endet mit einem Leuchtschriftband: „Übernehmen Sie Verantwortung - Die Zeit zum Handeln ist jetzt“. Subtil ist hier gar nichts, jeder soll die Botschaft verstehen, die im Grunde auch die Hauptausstellung und sehr viele weitere Länderbeiträge vermitteln wollen. Sie richtet sich an das (Fach-)Publikum, ist aber selbstredend auch ein dringender Appell an die Politik.
Fast am Ende des Rundgangs der Hauptausstellung im Arsenale steht das unscheinbare Modell einer kreisrunden Planstadt, das es bei genauerem Hinsehen in sich hat: Die Stadt ist überwölbt von einer Glocke und liegt unter Wasser – auf dem Mars. Dieses Modell ist vielleicht nicht als solches gemeint, steht aber, gerade in der Ernsthaftigkeit, mit der dieser mögliche letzte Ausweg ausgearbeitet wird, als bedrückendes Mahnmal da, unseren eigenen Planeten zu retten, bevor es zu spät ist. Wir haben keine Alternativen.
19. Internationale Architekturausstellung - La Biennale di Venezia, bis 23. November, Venedig. Informationen zu allen Beiträgen stehen auf labiennale.org.
Der Katalog zur Ausstellung „Stresstest“ im deutschen Pavillon erschien beim Distanz Verlag. 255 Seiten kosten 30 Euro.