Art DüsseldorfWarum diese Messe die atomare Strahlung im Rheinland erhöht

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Ausstellungsbesucher gehen durch die Messehalle der Kunstmesse Art Düsseldorf, links das Werk Figurensäule Hai von Stephan Balkenhol.

Ein Hai von Stephan Balkenhol auf der Art Düsseldorf

Die fünfte Art Düsseldorf bietet punkige Sprayer-Kunst, reichlich Rheinland-Connections und nuklear verstrahlte Erde aus Großbritannien. Ein Rundgang mit Geigerzähler.

Wenn die Sonne durch die Oberlichter strahlt, verströmt die Art Düsseldorf eine weitläufige Wohnzimmeratmosphäre. Das gefällt nicht allen Galeristen, denn wenig verfälscht den Eindruck gemalter Hängeware so sehr wie direktes Sonnenlicht. Aber das lässt sich offenbar verschmerzen, zumal die Macher der Düsseldorfer Kunstmesse auf die wechselnden Wetterstimmungen in den alten Industriehallen des Areal Böhler nichts kommen lassen wollen.

Walter Gehlen betont, die Art Düsseldorf sei mehr als ein Marktplatz

Man braucht schließlich etwas, was einen von den alten, eher geschäftsmäßigen Messen in den tristen Funktionskästen unterscheidet. Und da passt das überdachte Flaniermeilen-Flair natürlich wunderbar zum Einkaufserlebnis auf der Düsseldorfer Königsallee. Wenn Walter Gehlen, der Kölner Direktor der Art Düsseldorf, hingegen betont, seine Messe solle mehr sein als ein Marktplatz, nämlich eine Plattform für aktuelle Debatten, klingt das verdächtig nach globalem Kunstmarkt-Marketing. Die drei großen Themen der fünften Art Düsseldorf: Vielfalt, Nachhaltigkeit und Rheinland-Connections, sind dann auch so allgemein gehalten, dass sich kaum etwas nicht darunter fassen lässt.

Eine fruchtbare Idee war dagegen, die 95 angereisten Galerien zu Einzelausstellungen zu ermuntern und so etwas Struktur in den Gemischtwarenladen zu bringen. Aus Köln hat etwa Philipp von Rosen einen Stand voller Werke der russischen Künstlerin Yelena Popova mitgebracht, die Steine und Erden im Vorhof stillgelegter englischer Atomreaktoren sammelt, um sie in Gemälde oder Gelehrtensteine zu verwandeln.

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Während man also sinniert, ob dieser Stein oder jene sandfarbene Leinwand die atomare Strahlung im Raum signifikant erhöht, erfährt man im Beipackzettel, dass Popova aus einem jener „geheimen Orte“ stammt, in denen die sowjetische Regierung einst an nuklearen Lösungen forschte. Wem das nichts zu denken gibt, liebt es vermutlich eher laut, schrill und bunt.

Gut vertreten ist auch die Sprayer-Kunst, teilweise mit Punk-Attitüde

Auch diese Publikumsschicht wird auf der Art Düsseldorf gut bedient; selbst seriöse Kunsthändler nehmen hier teilweise modischen Glitzer und buntes Tinnef ins Sortiment. Aber die Rheinland-Connection hält durchaus, was sie verspricht: Bei Ludorff oder Konrad Fischer (beide Düsseldorf) findet man beinahe alles, was im Rheinland Rang und Namen hat, und bei Sies + Höke sogar ein schönes Frühwerk von Konrad Fischer, als dieser noch kein legendärer Galerist war, sondern ein mit Gerhard Richter und Sigmar Polke befreundeter Maler namens Konrad Lueg. Wenn auf dieser Art Düsseldorf nur ein einziges Werk einen neuen Besitzer findet, dann hoffentlich dieser einsame Fußballer vor einem unendlich weit entfernten Tor.

Gut vertreten ist auch die Sprayer-Kunst, bei Dittrich und Schlechtriem sogar mit original punkigem Hauptstadtflair. Monty Richthofen sorgt mit großformatigen Sprüchen in Leuchtkästen jedenfalls für einiges Aufsehen, wobei diese eher in Richtung Kippenberger-Kalauer als Jenny-Holzer-Truisms gehen: „Jesus loves you from behind.“ Die intellektuelle Spielart der Sprühdosenkunst findet sich bei Priska Pasquer, an deren Stand Fabian Herkenhoener mit der Verrätselung der Sprache spielt. Vor seinen unscharfen Slogans wird einem mitunter schummrig, seine aus dem Bild schwingenden Buchstabenbögen haben etwas eindeutig Malerisches. Nennen wir es spätes Informel.

Im letzten Jahr hatten sich die Besucherzahlen der Art Düsseldorf pandemiebedingt halbiert, ein Rückgang, den vermutlich auch der neue digitale Messeshop nicht wettgemacht haben dürfte. Sollten die Verkäufe nicht wieder anziehen, hätte die junge Kunstmesse möglicherweise ein Problem. Während die dem Vernehmen nach kräftig erhöhten Standmieten derzeit noch durch das Neustart-Kultur-Programm des Bundes subventioniert werden, fällt diese Mietpreisbremse bei der nächsten Ausgabe weg. Spätestens dann braucht es mehr als Sonnenschein, um die Stimmung zu heben.

Art Düsseldorf, Areal Böhler, Hansaallee 321, Düsseldorf, 31. März bis 2. April 2023.

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