Beim jüngsten Gürzenich-Abokonzert konnte Solistin Alina Pogostkina an der Violine mit technischer Perfektion beeindruckten, blieb aber an anderer Stelle hinter den Erwartungen zurück.
Gürzenich-Konzert in der Kölner PhilharmonieDem mediterranen Flair fehlte die romantische Wärme

Violinistin Alina Pogostkina
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Mit kärglicher Stimme, im philharmonischen Rund kaum vernehmbar, kündigte Alina Pogostkina, die illustre Solistin des jüngsten Gürzenich-Abokonzerts, ihre Zugabe an: Pablo Casals' „Gesang der Vögel“, den sie von den Orchestercelli stimmungsvoll grundieren ließ. Leider passte der Modus dieser Ankündigung irgendwie zu ihrer vorangegangenen Interpretation des Mendelssohn'schen Violinkonzerts. Wenn hier in diesem Sinn Kritik geübt wird, dann geht es nicht um technische Perfektion, die bei der russischen Geigerin unstrittig ist. Es geht aber und vielmehr um Fragen der Klanggebung, der grundsätzlichen Auffassung, der emotionalen Intensität.
Es fehlt die romantische Wärme
Pogostkina verfügt über einen feinen, dabei dichten und oft, allerdings längst nicht immer durchsetzungsfähigen Ton, der in der Höhe in einer etwas aseptischen Reinheit strahlt. Sie phrasiert und artikuliert sorgfältig und sucht auch stets den Kontakt mit ihren Begleitern. Aber es fehlt jene romantische Wärme, auch jene Portion musikantischer Überschwang, die dieses Werk bei entsprechendem Angang nach wie vor unwiderstehlich machen. Auch aus der Tiefe kommt es nicht sonderlich blut- und glutvoll, und man ist angesichts der stupenden Virtuosität der Künstlerin fast geneigt, von einer Poetik der Auszehrung zu sprechen. Bezeichnenderweise geriet das spritzige Elfen-Finale, in dem innige Versenkung weniger als in den beiden ersten Sätzen verlangt ist, am besten. Hier imponierte sie mit einer fabelhaft spielerischen Verve und Leichtigkeit.
Constantinos Carydis: Ein temperamentvoller Ausdrucksmusiker
Die Defizite fielen auch deshalb auf, weil die Begleiter unter dem griechischen Gastdirigenten Constantinos Carydis ganz anders agierten: Der ist ein temperamentvoller Ausdrucksmusiker, der die Gürzenicher teils wuchtig, eben mit großem romantischem Sound aufspielen ließ. Der wurde dann auch nach der Pause in Schumanns Rheinische Sinfonie investiert, die gerade Kölner Musikfreunde besonders gern hören mögen, weil das Finale die unvermeidliche Wiederbegegnung mit dem Pausensignal der Philharmonie zeitigt.
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Gerahmt wurde die deutsche Hochromantik von zwei griechischen Stücken
Carydis also ist kein Mann vornehmer Zurückhaltung, sondern durchaus auch griffigen Effekten geneigt. Indes kommen immer wieder und zumal dann, wenn einem die etwas grobgestrickte Vitalität auf den Senkel zu gehen droht, schönste Augenblicke der Versenkung, der Zurücknahme, auch der elegant-kammermusikalischen Ausdifferenzierung der Stimmen. Der munter-triumphale fünfte Satz folgte übrigens pausenfrei auf den vierten in seiner düsteren, parsifalesk-sakralen Aura. Das hatte seinen guten Sinn: Die strenge kirchliche Polyphonie des einen wird am Schluss in die fröhliche der rheinischen Lebenswelt verkehrt. Die vier Gürzenich-Hörner belobigte Carydis in den rauschenden Beifall hinein zuerst. Klar, sie hatten tatsächlich eine Sternstunde absolviert.
Gerahmt wurde die deutsche Hochromantik von zwei ausschließlich streicherbesetzten Stücken aus der Feder von Landsleuten des Dirigenten – deren Hereinnahme ins Programm auch auf diesen zurückgehen dürfte. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, das Griechenland der Komponisten ist aus hiesiger Perspektive, wer will es leugnen, weithin eine Tabula rasa. Periklis Koukos' „Adagio“, das zuerst erklang, erinnert in seiner Lamento-Haltung ein wenig an das berühmte Pendant von Samuel Barber und teilt mit diesem auch den klanglichen Wellness-Aspekt. Gewichtiger sind da schon „Fünf Griechische Tänze“ von Mikos Skalkottas, die Carydis der Schumann-Sinfonie hinterherschickte. Hier entwickelt sich eine Manie des Repetitiven, die mit harmlosem Folklorismus nichts zu tun hat. Das Kölner Orchester machte unter fachkundiger Anleitung wirkungsvoll in mediterraner Fiesta – und erinnerte auf diese Weise daran, dass es zu den Sommerferien nicht mehr weit hin ist.