Historische Lesung bei lit.ColognePersische Liebeslyrik im Kölner Dom

Lesezeit 3 Minuten
20160319_ths_dom_lesung_03

Jasmin Tabatabai und Klaus Peter Wöhler lasen im Wechsel die Dichtung.

  • Die finale Lesung der lit.Cologne, die erneut in Kooperation mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ stattfand, lockte über 4000 Besucher an.
  • Dompropst Gerd Bachner rechtfertigte das singuläre Ereignis in seiner kurzen Ansprache.

Köln – „Das kann doch nicht wahr sein“ sagte ein Passant, als er die abendliche Menschen-Schlange erblickte. Die schlängelte sich vom Westportal des Kölner Domes über die Domplatte und vorbei am verwaisten Dom-Hotel bis zum Brauhaus Früh. Doch – das konnte wahr sein. Denn die finale Lesung der lit.Cologne, die erneut in Kooperation mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ stattfand,  lockte  über 4000 Besucher an. Mehr Karten standen nicht zur  Verfügung für diese historische Lesung.

Historisch? Tatsächlich hatte es das noch nie an diesem geweihten Ort gegeben: Gelesen wurde nicht nur aus dem „Hohelied“ der Bibel, sondern auch aus dem Werk der persischen Mystiker Rumi (1207 – 1273) und Hafis (1320 – 1389/90). Dompropst Gerd Bachner  rechtfertigte  das singuläre Ereignis in seiner kurzen Ansprache.  Das Zweite Vatikanische Konzil habe ausdrücklich festgestellt, dass die katholische Kirche nichts von dem ablehne, was in anderen Religionen wahr und heilig sei. Und weil die Gottessehnsucht in der persischen Lyrik unübersehbar sei, dürfe diese durchaus im Dom zu Köln vorgetragen werden.

Quellen der Hoffnung

Dies  zumal in einer Zeit des Terrors, der Gewalt und des Unrechts.  Da suchten die Menschen nach Quellen der Hoffnung. Das Gebet sei eine solche  Quelle, so der Dompropst, aber auch die Lyrik könne eine sein. Und damit waren genug Gründe angeführt, warum diese  „interreligiöse Brücke“, dieser „literarisch-spirituelle Dialog“   am rechten Ort stattfand.

20160319_ths_dom_lesung_07

Vor der Lesung bildeten sich lange Schlangen vor dem Kölner Dom.

Joachim Frank, Chefkorrespondent dieser Zeitung, hatte die Lesung  konzipiert. Er führte ein in die Welt der persischen Mystik und in die des „Hohenlieds“. Da wie dort geht es immerzu um die Liebe, die sehnsuchtsvolle und die körperliche Liebe, um die zu einem Geliebten oder einer Geliebten – und womöglich immerzu um die Liebe zu Gott. Denn als Allegorie  werden die Texte  gerne gedeutet: Die Liebe unter den Menschen entspreche der Liebe von Gott zu seinem Volk. Dass nicht zuletzt das „Hohelied“ vor  Sinnlichkeit leuchtet,  ist dabei so klar wie nur etwas klar sein kann: „Berauscht Euch an der Liebe!“.

Drei großartige Schauspieler trugen die Texte vor

Drei großartige Schauspieler   trugen diese Texte vor. Jasmin Tabatabai, die  persische Wurzeln hat, eröffnete mit einem Ghasel – so der Name dieser Gedichtform –  von Hafis im persischen Original. Dieses wunderbare Schwingen im schier unendlichen gotischen Raum packte die Besucher sogleich. Katharina Thalbach, von der man im kalten Gemäuer zunächst nur die Augen aus einem Berg aus Jacken und Decken hervorlugen sah, ließ es dann fantastisch, schier alttestamentarisch  Rauschen, Raunen und Rollen. Ihre Stimme schlang sich, vom langen Echo getragen, um Pfeiler und Streben und war mehr als einmal ein Ereignis. So lebte sie, was sie las: „Ich bin der Hall und Widerhall“. 

20160319_ths_dom_lesung_01

Katharina Thalbach, von der man im kalten Dom zunächst nur die Augen aus einem Berg aus Jacken und Tüchern hervorlugen sah, ließ es dann fantastisch Rauschen.

Gustav Peter Wöhler schließlich fügte sich perfekt ein und trug im souveränen Wechsel die Dichtung vor, die eine Botschaft hatte: So stark wie die Liebe ist nur der Tod. Die achtköpfige „Vokalexkursion“, das Kölner Ensemble für Vokalmusik, rundete diese sehr besonderen Dialog der Kulturen ab. Mit Liedern, die auch nur von dem einen handelten – von  „amor“, „love“ und  „Liebe“.

KStA abonnieren