Navid KermaniKölner Schriftsteller erhält „Bürgerpreis“ der deutschen Zeitungen

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Schauspielerin Jamin Tabatabai mit Preisträger Navid Kermani beim Selfie.

Schauspielerin Jamin Tabatabai mit Preisträger Navid Kermani beim Selfie.

So manches Schmeichelhafte hat Navid Kermani, der vielfach preisgekrönte Kölner Schriftsteller, schon gesagt bekommen. Aber als „kluger, sanfter und schöner Perser“ dürfte er aus offiziellem Anlass noch nicht beschrieben worden sein. Jasmin Tabatabai fand diese Worte, als sie die Verleihung des „Bürgerpreises“ der Tageszeitungen in Berlin musikalisch mit einem persischen Volkslied eröffnete, bei dem ihr Vater – wie Kermanis Eltern iranischer Herkunft – immer dagesessen, geraucht und geweint habe.

Kermani als Freigeist und Universalgelehrter bezeichnet

So stimmungsvoll und persönlich wie der Auftakt mit der „singenden Schauspielerin“ (Tabatabai über sich) war die ganze Feierstunde. Der gastgebende Präsident des Bundes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Mathias Döpfner, würdigte Kermani als großartigen Freigeist und „Universalgelehrten“ zwischen Rockmusik und der Schönheit Gottes, womit der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG auf zwei wichtige Bücher Kermanis über Neil Young beziehungsweise die Ästhetik des Korans anspielte.

Kermanis Werk und Wirken bringe immer wieder den frischen Wind der Freiheit und der Aufklärung in die Gesellschaft, sagte Döpfner und zeigte sich deshalb erfreut, dass der Autor, den die Chefredaktionen der im BDZV organisierten Zeitungen wegen seines zivilgesellschaftlichen Engagements als „Bürger des Jahres“ ehrten, zuletzt auch Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch gewesen war. Geärgert habe ihn nur, so Döpfner, dass diese Wahl noch nicht möglich gewesen sei. „Wie großartig wäre das denn gewesen?“

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Auch in der Laudatio des Soziologen Wolf Lepenies, den Kermani anschließend als seinen wichtigsten Lehrer und Mentor rühmte, spielte der Begriff „Freiheit“ eine zentrale Rolle. Als „freier Schriftsteller“ sei Kermani mitnichten ein „freischwebender Intellektueller“, sondern durch und durch dem Gemeinwesen verpflichtet – mit „entschiedenem Patriotismus für die Demokratie und dem Mut zum Pathos“. Dessen bedürfe auch die an sich nüchterne Demokratie von Zeit zu Zeit, damit sie nicht in geschäftsmäßige Kühle verfalle.

Navid Kermani (Mitte) zwischen Vertretern der Zeitungen, die Anfang 2016 die „Kölner Botschaft“ veröffentlichten: Helge Matthiesen, Chefredakteur des Bonner „General-Anzeiger“, Peter Pauls, Chefautor des „Kölner Stadt-Anzeiger“,  Cordula von Wysocki, Chefredakteurin der „Kölnischen Rundschau“ und Michael Bröcker, Chefredakteur der „Rheinischen Post“ (v.l.n.r)

Navid Kermani (Mitte) zwischen Vertretern der Zeitungen, die Anfang 2016 die „Kölner Botschaft“ veröffentlichten: Helge Matthiesen, Chefredakteur des Bonner „General-Anzeiger“, Peter Pauls, Chefautor des „Kölner Stadt-Anzeiger“,  Cordula von Wysocki, Chefredakteurin der „Kölnischen Rundschau“ und Michael Bröcker, Chefredakteur der „Rheinischen Post“ (v.l.n.r)

Kermanis Beziehung zu Köln ist essenziell

Lepenies betonte überdies, dass Kermani nicht zu verstehen sei ohne seine Beziehung zu Köln. Dies komme in seiner Leidenschaft für den hiesigen Fußballverein ebenso zum Ausdruck wie in seinem bürgerschaftlichen Engagement. Dafür stehe besonders auch die von Kermani initiierte „Kölner Botschaft“. Der Text, Anfang 2016 als Reaktion auf die Gewaltexzesse der Silvesternacht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht wurde, „gehört in jedes Schulbuch“, sagte Lepenies, „als Musterbeispiel überzeugender staatsbürgerlicher Meinungsäußerung“.

Zur Entstehungsgeschichte der Botschaft erinnerte Kermani im Gespräch mit Helge Matthiesen, dem Chefredakteur des Bonner „General-Anzeiger“, an eine „allgemeine Sprachlosigkeit“ in Köln nach der Silvesternacht. Niemand habe gewusst, wie mit den Angriffen männlicher Migranten auf Frauen und dem eklatanten Versagen der Polizei umzugehen sei. Die Gewalt zu verurteilen, die Täterschaft klar zu benennen und zugleich die offene Gesellschaft zu verteidigen – darauf sei es ihm und den Mitunterzeichnern der „Kölner Botschaft“ angekommen, sagte Kermani. Vom Erfolg dieses Ansinnens sprach Peter Pauls, bis Ende 2016 Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die „Kölner Botschaft“ habe die Schockstarre der Silvesternacht aufgelöst und Debatten neu in Gang gesetzt. Nicht zuletzt deshalb sei Kermanis Auszeichnung als „Bürger des Jahres“ hoch verdient.

Kermani seinerseits würdigte den Beitrag der Medien zur Aufklärung der Geschehnisse am Kölner Hauptbahnhof. „Ohne die Medien wäre nicht zum Vorschein gekommen, was passiert ist.“ Überhaupt täten sich die Zeitungen dadurch hervor, dass ihre Journalisten „vor Ort sind und auch Gefahren auf sich nehmen“, um die Öffentlichkeit zu informieren. Stellvertretend für viele bedrohte und verfolgte Journalisten nannte Kermani den „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, der unter Terrorverdacht in türkischer Untersuchungshaft sitzt.

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