WDR-SinfonieorchesterJapanische Stargeigerin in der Philharmonie

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Die japanische Stargeigerin Midori.

Die japanische Stargeigerin Midori.

Das WDR-Sinfonieorchester unter Constantinos Carydis und die Weltklasse-Geigerin Midori spielten in der Kölner Philharmonie.

Illustre Komponisten im Spannungsfeld von Spätromantik und Moderne, aber im Licht deutlich weniger geläufiger Kompositionen aus ihrer Feder – das schien die programmatische Leitlinie des jüngsten WDR-Abokonzerts in der Kölner Philharmonie zu sein. Wer kennt schon Mahlers frühen Sinfoniesatz „Blumine“? Auch Schostakowitschs neunte Sinfonie steht im Schatten seiner Fünften und Siebten, und Bernsteins Serenade nach Platons „Symposion“ kann es mit den Rennern aus seinem Oeuvre ebenfalls nicht aufnehmen.

Der Grieche Dimitri Mitropoulos (1896-1960) wiederum ist als charismatischer Pultstar in die Musikgeschichte eingegangen, aber kaum als Komponist. So war es sehr aufschlussreich, einmal sein „Burial“ (Begräbnis) zu hören, einen das bewunderte Vorbild Bach spätromantisch aufrüstenden orchestralen Klagegesang des 19-jährigen Junggenies.

Hintergründig ließ Gastdirigent Constantinos Carydis, ebenfalls Grieche, auf diesen in einem zwingenden großen Bogen musizierten Satz unmittelbar, ohne Pause den Schostakowitsch folgen. Dessen 1945 entstandene neunte Sinfonie hätte ein klingender Triumph angesichts der im Krieg gegen Nazi-Deutschland siegreichen Sowjetunion sein können. Wurde sie aber nicht, sondern ein provozierend unheroisches, spielerisches Stück mit kalkuliert trivialen Anwandlungen und deutlichen Anklängen an Haydn und Mozart (im ersten Satz unüberhörbar an dessen Es-Dur-Sinfonie KV 543).

Gut aufgelegtes WDR Sinfonieorchester

Carydis ließ es das gut aufgelegte WDR Sinfonieorchester mit jener ausgestellten Brillanz spielen, die angesichts des historisch-politischen Entstehungskontextes als purer musikalischer Hohn herüberkam. Nachdrücklich erstand hier ein Schostakowitsch der Uneigentlichkeiten, dem das einleitende Burial als antizipierte Klage angesichts von Krieg und Gewaltherrschaft gleichsam die Maske vom Gesicht zog. Wenn ein Dirigent es schafft, diese Interpretationslinie zwingend und ohne jede wortsprachliche Erläuterung zu vermitteln, dann bleibt einem als Hörer nur übrig, entwaffnet „Hut ab!“ zu sagen.

Seine künstlerische Klasse hatte Carydis bereits in der ersten Hälfte unter Beweis gestellt – mit großem Sound und großem Atem bei Mahler (die Vorne-Postierung der Trompete war allerdings überflüssig, ihr Solo wäre auch, besser integriert in den Gesamtklang, von der Rückwand her gut vernehmbar gewesen), mit einer ausgefeilten Dramaturgie der Übergänge und Kontraste, der Tempo-, Metrum- und Farbenwechsel bei Bernstein.

Künstlerische Klasse

Die szenische Situation des Gesprächs mit aufbegehrenden Statements und sich verlaufendem Gemurmel kam allemal prall-drastisch herüber. Das war allerdings auch der Verdienst der japanischen Stargeigerin Midori, die ihren Part mit edlem, reinem, auch in den Strecken introvertierter Kantabilität stets durchdringendem Ton spielte. Was Wunder, hatte sie doch das Werk mit 14 in Tanglewood noch unter dem Dirigat seines Schöpfers gespielt.

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