Der französische Dirigent Stéphane Denève gab in der Kölner Philharmonie sein Debüt am Pult der WDR-Sinfoniker. Ausgerechnet bei seinem Landsmann Maurice Ravel fehlte es ihm etwas an Raffinesse.
WDR-Konzert in KölnWo war die Raffinesse, Stéphane Denève?

Stéphane Denève in Aktion, hier in Stockholm beim Nobelpreiskonzert
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Schon als Augustin Hadelich 2007 seine Debüt-CD mit dem Kölner Kammerorchester herausbrachte, war allenthalben vom besonderen „Ton“ des Geigers die Rede. In dieser Spielzeit ist der seit langem in den USA lebende Deutsch-Amerikaner „Artist in Residence“ beim WDR Sinfonieorchester. Der viel gerühmte „Ton“ galt im jüngsten Abokonzert dem Violinkonzert von Jean Sibelius, in dem er denn auch vom ersten Takt an seine Wirkung entfaltete: Nicht üppig romantisch, sondern silbrig und schlank; ein Ton, der den Hörer mit seiner insistierenden Sanftheit und zurückhaltenden Noblesse in Bann zieht.
Bei Augustin Hadelich gefielen vor allem die Zugaben
Die extrovertierte Virtuosengeste liegt Hadelich weniger; bei aller technischen Souveränität hätte der Schlusssatz etwas mehr Triebkraft und Sog durchaus vertragen. Das enthusiastische Publikum schien aber ohnehin mehr Freude an der Zugabe zu haben, Bachs Präludium aus der E-Dur-Partita, dessen angezogenen Perpetuum-Mobile-Charakter Hadelich in durchlässige Kantabilität auflöste.
Am Pult des WDR Sinfonieorchesters debütierte der Franzose Stéphane Denève, derzeit Musikdirektor in St. Louis, der als besondere Kapazität für die Musik seines Landsmannes Albert Roussel gilt. Roussel war der stärkste Gegenspieler der Impressionisten, ein Komponist der strengen Formen und klaren Konturen, die sich auch in der zweiten Suite aus seinem Ballett „Bacchus et Ariane“ deutlich gegen die antike Grazie des Stoffes durchsetzen.
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Stéphane Denève fällt aus dem Klischee des französischen Dirigenten
Stéphane Denève ist, anders als es das Klischee des französischen Dirigenten vorsieht, kein ausgesprochener Sensualist, eher ein Mann der rhythmischen Trittfestigkeit und klanglichen Stabilität. Der apokalyptische Strudel, der sich am Ende von Maurice Ravels „La Valse“ auftut, war eindringlich in Szene gesetzt, die feine Ballseide der Partitur hörte man dagegen eher verhalten rauschen. Die WDR-Sinfoniker fühlten sich wohl auch durch die weit ausgreifenden Bewegungen des hünenhaften Maestros animiert, kräftiger zuzufassen. Spieltechnisch war daran nichts auszusetzen; mit der orchestralen Raffinesse indes war es diesmal nicht ganz so weit her.
Begonnen hatte der Abend mit „Flammenschrift“ des 1970 geborenen Franzosen Guillaume Connesson. Das versiert komponierte und bravourös instrumentierte Stück verdankt den Meistern der Vergangenheit so viel, dass eine eigene Stimme des Komponisten (wenn er sie denn hat) überhaupt nicht zu vernehmen ist. Das neueste Stück des Abends war zugleich sein ältestes.