Von russischem Oligarchen bezahltSeipel bot ARD Putin-Interview kurz vor Angriff auf Ukraine an – Filmemacher bereut nichts

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Hubert Seipel (l.) im Jahr 2016 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau.

Hubert Seipel (l.) im Jahr 2016 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau.

Die Putin-Beiträge von Seipel liefen über Jahre in der ARD. Selbst Anfang Februar 2022 bot er ein Interview mit dem Kreml-Herrscher an.

Der wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin in die Kritik geratene Filmemacher Hubert Seipel hat der ARD noch kurz vor Beginn des russischen Angriffes auf die Ukraine ein Interview mit dem Kreml-Diktator angeboten. Das berichtet der „Spiegel“. Demnach verhinderten Mitarbeitende des Westdeutschen Rundfunks (WDR), dass Seipel Anfang Februar 2022 einen Auftrag für das Putin-Interview bekam. 

Ende 2023 hatte sich herausgestellt, dass Seipel in der Vergangenheit Geld aus Russland erhielt. Ein geheim gehaltener „Sponsorenvertrag“ für ein Buchprojekt wurde 2018 mit 600.000 Euro dotiert. Die Zahlung erfolgte durch einen Vertrauten Putins, den russischen Oligarchen Alexei Mordaschow, wie „Spiegel“ und das ZDF-Magazin „Frontal“ berichteten. Auch für seine Putin-Biografie 2013 sollen verdeckte Zahlungen aus Russland gekommen sein.

Seipel selber äußerte sich inzwischen in einem Gespräch mit der „Zeit“ zu seinen Motiven, Geld aus Russland anzunehmen. Der Grimme-Preisträger sagt, er habe das Geld für seine Arbeit benötigt.

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Hubert Seipels Putin-Porträt läuft in der ARD

In den Jahren vor 2022 waren Seipels Filme und Interviews immer wieder im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu sehen gewesen. Die Dokumentation „Ich Putin – ein Porträt“ aus dem Jahr 2012  hatte der NDR in Auftrag gegeben. Der Film wurde mehrfach in den Programmen der ARD wiederholt.

Es gab schon damals Kritik an Seipel und seinem sehr freundlichen Putin-Bild, allerdings wurden die Sender-internen Stimmen nicht ernst genommen. Der langjährige Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies berichtete der „Bild“, es habe ARD-interne Diskussionen gegeben. „Wir beim WDR waren für Moskau zuständig und haben die vom Kreml eingeforderte und auch über Gazprom angebotene Nähe stets abgelehnt“, zitiert die Bild Lielischkies.

Nun wird bekannt, dass die Diskussionen innerhalb der ARD sich fortsetzten. Das ist im Hinblick auf die sich Anfang 2022 massiv verdichtenden Hinweise auf einen russischen Angriff auf die Ukraine besonders brisant. Wie der „Spiegel“ berichtet, wandte sich Seipel Anfang Februar an den Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) und sagte, er sei gerade drei Tage im Kreml gewesen und hätte die Möglichkeit, Wladimir Putin zu interviewen. Der RBB fragte beim WDR an, der für das Studio Moskau verantwortlich ist.

WDR-Chefredakteurin lehnte Hubert Seipels Interview-Angebot ab

Chefredakteurin Ellen Ehni lehnte das eindeutig ab, es ist sogar von „Entsetzen“ die Rede. Man wolle nichts mehr mit Seipel zu tun haben, hieß es dort – auch wenn die Zahlungen an den Filmemacher erst Ende 2023 enthüllt wurden. WDR-Journalistin Ehni schrieb laut „Spiegel“ an den ARD-Chefredakteur Oliver Köhr, schon Seipels Putin-Interview 2014 sei ein „Desaster“ gewesen, zudem sei Seipel 2016 gemeinsam mit Putin auf einer Buchmesse aufgetreten. Außerdem würde ein Interview angesichts der angespannten Lage wirken, als habe man „kein Rückgrat“. 

Mit ihrer Intervention beim ARD-Chefredakteur wollte Ehni auch verhindern, dass Seipel bei anderen Sendeanstalten erfolgreich mit seinem Angebot ist. Köhr stimmte Ehni laut „Spiegel“ uneingeschränkt zu.

Ob Seipel anschließend eine formelle Absage vom RBB bekommen hat, ist unklar. Dort konnte man aktuelle Anfragen des Nachrichtenmagazins zu den Vorgängen vom Februar 2022 nicht ausführlicher beantworten. Ex-Intendantin Patricia Schlesinger bestreitet allerdings, dass es ein offizielles Angebot von Hubert Seipel gab.

Hubert Seipel: „Bereue ich es? Nein“

Seipel selber erklärt der „Zeit“ die Situation, in der er Geld aus Russland annahm, so: Er konnte als Freiberufler höchstens zwei Filme im Jahr drehen, weil er immer in Vorleistung gehen musste, auch für die aufwändigen Recherchen in Russland. Als Honorar habe er in der Regel 25.000 Euro bekommen, nur für das Putin-Porträt das Doppelte.

Das Geld von Mordaschow habe ihm die Möglichkeit gegeben, tief in ein Thema einzusteigen, das ihn wirklich interessiere. Mit dem Vorwurf, korrupt zu sein, müsse er nun leben. „Bereue ich es? Nein. Es war spannend und hat mir viele Erkenntnisse gebracht, die ich sonst nicht gewonnen hätte“, sagt Seipel, der Putin auch nach Beginn des Angriffes auf die Ukraine traf. Es sei nicht Aufgabe von Journalisten zu moralisieren, sondern zu analysieren, findet er.

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