15 Jahre c/o pop„Im ersten Jahr machten wir eine Viertelmillion Euro Minus“

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Tash Sultana auf der c/o pop 2017, heute verkauft die Australierin das Palladium zweimal hintereinander aus.

Tash Sultana auf der c/o pop 2017, heute verkauft die Australierin das Palladium zweimal hintereinander aus.

  • Norbert Oberhaus gründete 2003 das c/o pop-Festival
  • Im Interview spricht er über die Anfänge, teure Künstler und die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln

Köln – Norbert Oberhaus, im August findet das 15. c/o pop-Festival statt. Damals reagierten Sie auf den Weggang der PopKomm. Was trieb Sie an?

Norbert Oberhaus: Wir hatten frühzeitig erfahren, dass die PopKomm 2004 nach Berlin ziehen wird. Ralph Christoph und ich hatten uns damals bereits überlegt, etwas Neues anzufangen. Vorher hatte ich zehn Jahre lang im Stadtgarten das Booking gemacht, und Ralph seit 1998 das Studio 672 geleitet. Wir wollten damals nicht nach Berlin gehen, und der frei gewordene Platz im August, war ein guter Ansatz. Also haben wir beschlossen, in Köln etwas Neues aufzubauen. Und weil uns klar war, dass wir das nicht alleine schaffen, haben wir alle, die nicht bei drei auf dem Bäumen waren, gefragt, ob sie nicht mit uns zusammen ein großes, neues Musikfestival schaffen wollen, eben die c/o pop.

Weshalb sich die erste c/o pop über einen halben Monat erstreckte …

.. über 17 Tage genau genommen. Es war aber auch so viel da, vom Elektrobunker über das Soma-Festival und die Poller Wiesen. Das waren Module, um die wir eine Klammer machten und die wir mit eigenem Programm ergänzten. Das war damals ein lokalpatriotischer und gleichzeitig sehr leidenschaftlicher Impuls. Es gab keinen Businessplan, nur eine halbe Seite DIN A4, auf die wir ein paar Zahlen geschrieben haben. Und das, obwohl ich BWLer bin. Hätten wir damals durchgerechnet, hätten wir es nicht gemacht. Es gab keine Förderung, es gab keine Sponsoren, es gab nur 20 bis 30 Verrückte, die Lust hatten, hier in Köln etwas zu bewegen. Im ersten Jahr machten wir eine Viertelmillion Euro Minus. Aber die begeisterten Reaktionen auf das Festival haben uns natürlich motiviert.

2005 gab es einen Businessplan?

Ja, den gab es dann. Die erste Maßnahme war, das Festival auf fünf Tage zu reduzieren. Die zweite, ein Team aufzubauen, um uns dann auch langsam um Förderung kümmern zu können. Das erste Jahr hätten wir ohne die Unterstützung des damaligen Referenten für Popkultur, Manfred Post, nicht überlebt. Wir hatten im zweiten Jahr das Glück, auch vom Land NRW ein bisschen Geld zu bekommen, auch die ersten Sponsoren fanden sich. Wir haben zwar immer noch kein Geld erwirtschaftet, aber das Festival war zumindest stabil.

Heute gibt es in Deutschland viele Stadtfestivals damals war die c/o pop fast allein auf weiter Flur.

Unser Vorbild war damals das Sonar-Festival in Barcelona. Wir wollten also mitten in die Stadt reingehen und auch an Orten spielen, die nicht die typischen Clubs oder Konzerthallen sind, zum Beispiel in Museen. Wir haben auch vergessene Orte in Köln wiederbelebt, wie etwa das Park Café, das Panoramahaus oder die alte Bundesbahndirektion. In den ersten Jahren war das noch sehr mühsam, in die Museen oder in die Philharmonie reinzukommen. Popmusik galt damals als etwas, das laut ist, Dreck macht und Drogen anzieht. Das andere Problem: Durch die Digitalisierung und das Wegbrechen des CD-Geschäfts ist die Live-Musik zu einem irre großen Markt geworden.

Nobert Oberhaus

Nobert Oberhaus

Die Künstler sind teurer geworden.

Der Markt ist überhitzt. Die Festivalgagen werden von Jahr zu Jahr höher. Unsere Headliner spielen bei Rock am Ring am Nachmittag auf der kleinsten Bühne, aber auch die sind inzwischen schwer erschwinglich. Weshalb wir uns ziemlich schnell auf kommende Bands verlegt haben. Wir haben also aus der Not eine Tugend gemacht.

Anfangs konnte man auf der c/o pop Bands wie Franz Ferdinand und Arcade Fire sehen. Ist es schwieriger geworden, Künstler kurz vor ihrem Durchbruch zu buchen?

Ja, wenn man heute zurückschaut, ist uns das in den ersten Jahren besser gelungen. Aber tatsächlich kommt das immer wieder vor. Wir hatten M.I.A., bevor sie ein Weltstar wurde, Janelle Monáe ist bei uns schon 2012 aufgetreten, Wanda haben noch im Club Bahnhof Ehrenfeld gespielt. Tash Sultana hat bei uns letztes Jahr im Gloria gespielt, die tritt jetzt zweimal hintereinander im Palladium auf.

Zu Person und Festival

Norbert Oberhaus (57), gründete 1999 das Summer-Stage- und 2003 das c/o pop-Festival. Seit 2011 ist Oberhaus außerdem im Vorstand der Klubkomm und Mitbegründer des Nachwuchsförderprogramms popNRW.

Die 15. Ausgabe des Kölner Musikfestivals findet vom 29. August bis zum 2. September statt. Unter anderem mit Beginner, The Notwist, William Fitzsimmons, Drangsal und Haiyti.

Pop, sagten Sie, war vor ein paar Jahren noch das Schmuddelkind. Welche Institutionen waren besonders schwer zu überzeugen?

Am Anfang wurden wir oft nett mit einem Kaffee empfangen – und nach einer Viertelstunde wieder hinauskomplimentiert. Das ist langsam aufgebrochen. Spätestens 2009, als wir am Offenbachplatz, auf der Dachterrasse des Museum Ludwig und zwei Tage in der Philharmonie präsent waren, war es dann jedem klar, dass es durchaus Popmusik gibt, die an diesen Orten ihre Berechtigung hat. Irgendwann sind die Institutionen dann zu uns gekommen, haben gefragt, ob wir nicht auch einmal bei ihnen etwas machen wollen, etwa im WDR-Sendesaal oder beim Acht-Brücken-Festival. Eine schwere Nuss war damals auch das NRW-Kultusministerium. Die zuständige Referentin kam von der Klassik, und ich musste mich ziemlich ins Zeug legen, um sie von der Qualität von dem, was wir machen, zu überzeugen. Schließlich nahm sie den Keks von ihrer Kaffeeuntertasse, schob mir den rüber und sagte: Junger Mann, machen sie mal einen Antrag.

Und bei der Stadt Köln?

Agieren wir inzwischen auf Augenhöhe und sehr kooperativ. Wir hatten hier Glück, mit Manfred Post, der schon 1989 die PopKomm nach Köln holte, das Brett zu bohren. Insgesamt muss man sagen, dass Popmusik in den letzten fünf bis zehn Jahren eine andere Wahrnehmung bekommen hat in dieser Stadt. Auch bei den Musikern. Viele Bands wären doch früher nie unter einem Banner der Stadt oder des Landes aufgetreten. Deshalb haben wir auch das Label popNRW gegründet. Heute rufen uns Bands an und sagen: Schickt uns doch mal euer Logo. Und genauso ist es auch in den Köpfen der Politik angekommen, dass Pop Kultur ist. Und ebenso förderwürdig, wie Film, Oper oder Theater.

Das Reeperbahn-Festival in Hamburg war später am Start, doch die Politik hat da schneller reagiert?

Ja, das muss man mit Bedauern sagen. In Hamburg gab es sowohl Lokalpolitiker als auch Bundestagsabgeordnete, die die Chancen, die sich aus so einem urbanen Musikfestival für einen Standort ergeben, viel schneller erkannt haben. Die da mit mehr Geld und Risiko reingegangen sind, und sich auch viel früher bemüht haben, Geld auf Bundesebene zu besorgen. Zu der Zeit mussten wir noch in Köln und auf Landesebene die Klinken putzen. Im Jahr 2009 waren wir laut Umfragen das wichtigste Branchenevent in Deutschland. Damals hätten wir die Unterstützung dringend gebraucht. Stattdessen hat sich Hamburg den Vorsprung erarbeitet – das Land gibt fast eine halbe Million Euro für das Reeperbahn-Festival –, den wir jetzt erst langsam aufholen. Solche Festivals sind einfach keine Business-Modelle, die sind wirtschaftlich allein nicht tragbar. Das ist nicht anders, als bei Film- oder Theaterfestivals: Wenn du etwas kulturell Wertvolles machen willst, brauchst du einfach Zuschüsse. Wenn eine Stadt so etwas will, muss sie also investieren. Und es geht ja nicht um Riesensummen.

Zwischendurch haben Sie versucht, mit Künstlern, die eine breitere Masse ansprechen, höhere Einnahmen zu generieren. War das ein Fehler?

Ja. Wir haben zwei Fehler gemacht. Zum einen, dass wir nach 2009 vom August in den Juni wechselten. Das hatte zwei Gründe: Die Gamescom war auf unseren alten Termin gegangen. Und die Politik hat uns gelockt, uns im Juni mit dem damals noch sehr großen Medienforum zu verbinden. Damit haben wir den Hamburgern quasi das Feld frei geräumt. Und weil wir dann in der Messe waren, haben wir versucht, das im Tanzbrunnen programmatisch aufzufangen, mit Leuten wie Philipp Poisel und Tim Bendzko. Das würde ich heute nicht mehr machen. Die Künstler müssen inhaltlich zu uns passen.

Köln hat als Pop-Standort ja eine durchaus ruhmreiche Geschichte, könnte man da noch mehr machen?

Im Gegensatz zu Berlin gibt es in Köln ein Miteinander zwischen den einzelnen Szenen, das hat man zum Beispiel im Januar auf der „Cologne Music Conference“ gesehen, die wir veranstaltet haben, da waren wirklich alle da. Es ist in den letzten Jahren auch noch einmal sehr vieles gewachsen. Aber man wünscht sich, dass sich Politik und Verwaltung noch sehr viel mehr zum Musikstandort Köln bekennen. Wir haben es in diesem Jahr geschafft, die „Music Tourism Convention“ nach Köln zu holen. Das ist eine internationale Konferenz, die sich dem Thema Musik und Tourismus widmet. Die gab es bis jetzt zweimal, die erste fand in Liverpool statt, die zweite in Nashville. In beiden Städten kann man sehr gut sehen, wie man mit dem Thema Musik Standortmarketing macht. Vielleicht gibt das ja einen Impuls in die Kölner Politik hinein.

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