Nicht alle tragen das Kreuz gern

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Ein Objekt der Begierde? Das Bundesverdienstkreuz.

Ein Objekt der Begierde? Das Bundesverdienstkreuz.

Hanseaten, so sagt man, lehnen Orden ab. So gesehen wäre Charlotte Feindt, Kölns bekannte Benefiz-Ball-Organisatorin, zumindest eine halbe Hamburgerin. Denn so sehr, wie sie sich über das Bundesverdienstkreuz gefreut hat - „Die Verleihung war unheimlich schön“ - so wenig denkt sie daran, die Schleife aus der Schatulle zu holen. „Ich muss nun wirklich nicht vor mir hertragen, dass ich ausgezeichnet worden bin. Meine Kinder und Enkel wissen das auch so.“ Und Ihr Ambrosius-Orden schlummert ebenfalls in der Schatulle.

Alexandra Kassen, Prinzipalin des Senftöpfchens, vertritt eine ganze andere Linie: Es vergeht kein Tag, an dem man sie nicht mit ihrer kleinen Spange am Revers antrifft.

Da sind sie klein und fein aufgereiht: Der Orden des Landes Nordrhein-Westfalen, das Bundesverdienstkreuz und der Verdienstorden Erster Klasse. „Ich kriege kein öffentliches Geld. Aber dies ist eine Ehrung, die gibt mir Kraft, weiterzumachen und bestätigt mich darin, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“ Einziger Nachteil der Nadel: „Es braucht schon einen festen Stoff darunter, Chiffon oder Seide reißen.“

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Allzu dick darf er auch nicht sein. Als BAP-Musiker Wolfgang Niedecken den Landes-Verdienstorden erhielt - stellvertretend für alle Mitglieder der Initiative „Arsch huh“ - „da hatte Ministerpräsident Rau echte Schwierigkeiten beim Anstecken“. Die obligatorische Lederjacke hatte Niedecken zwar zu Hause gelassen: „Da hätte das ja überhaupt nicht geklappt.“ Aber auch beim alternativ gewählten Bekleidungsstück kam Rau in Verlegenheit. Niedecken, der bei Orden „eigentlich immer noch an Militärisches denkt“, gibt zu, dass ihn die Zeremonie dennoch „ge- und berührt“ hat. Aber er trägt das Ehrenzeichen nicht, eben so wenig das Bundesverdienstkreuz, das er im zweiten Anlauf und ebenfalls in Würdigung der Initiative gegen Rechtsradikalismus akzeptierte - „in den 80ern hab' ich es abgelehnt“.

Bei Hans-Jürgen Wischnewski, Bundesminister a.D., stapeln sich die nobel ausgeschlagenen Etuis mit gewichtigen Orden in einem eigenen Schrank. „Ich habe viele, aber ich tragen sie kaum“, sagt der bekannte Kölner Politiker. Wenn überhaupt, steckt er das Bundesverdienstkreuz an: „Das ist mir der wichtigste Orden, der ist verdient, weil ich mehr für dieses Land getan habe als meine Pflicht und Schuldigkeit.“ Für Ben Wisch gibt es drei Arten von Orden: „Erdient. Erdiniert. Verdient.“ Wer Wischnewski kennt, weiß, was er von den beiden ersten Kategorien - erdiniert leitet er vom Wort Diner (festliches Essen) ab - hält.

Feine Unterscheidungen trifft auch John van Nes Ziegler, früherer Kölner Oberbürgermeister. All jene optisch wie akustisch opulenten Auszeichnungen aus Spanien und Dänemark, Luxemburg und Holland, die „ich in Ausübung meines Amtes bekommen habe, trage ich nur, wenn ich bei Vertretern des jeweiligen Landes Gast bin“. Das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland heftet van Nes Ziegler gern an seinen dunklen Anzug: „Die Auszeichnung trage ich gern, weil ich weiß, dafür habe ich etwas getan, den habe ich als Person für wirkliche Verdienste bekommen.“ Allerdings nutzt er meist die kleine Variante, die große „passt eigentlich nur zum Frack“. Norbert Burger - ebenfalls früherer Oberbürgermeister - hält es ähnlich. Sein Bundesverdienstkreuz mit Stern nennt er „durch langjährige Arbeit verdient“, und trägt es häufig - als Schleife. Seine anderen Orden liegen im Schrank; bei den Karnevalsorden (um die 2000) hat er fast den Überblick verloren.

Tayfun Keltek, lange Vorsitzender des Kölner Ausländerbeirates und Vorsitzender der Landesabreitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte NRW, seit dem vergangenen Jahr Träger des Bundesverdienstkreuzes, bekommt bei der Frage ein schlechtes Gewissen: „Bei der Überreichung hat Bundespräsident Rau ausdrücklich betont, man solle den Orden oft tragen, damit er seine Bedeutung auch erfüllt. Aber ich vergesse immer, ihn von einem Sakko aufs andere umzustecken.“ Er habe es als besondere Würdigung seines Engagements für Zuwanderer empfunden und sich sehr gefreut, dass man sich dafür entschied, ihm die Auszeichnung in Berlin zu überreichen. Dafür habe er sogar einen lange geplanten Familienurlaub verschoben. „Aber“, so sagt Keltek, „ich bin nicht der Typ, der mit so etwas angeben will. Da trage ich lieber den Pin vom Runden Tisch für Ausländerfreundlichkeit.“

Elisabeth Wilke gehört zu jenen, von denen bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes regelmäßig gesagt wird, sie „wirkten im Verborgenen“. Sie betreut seit 15 Jahren ehrenamtlich alte Menschen im St. Josef-Heim in Weiden. „Immer nach dem Mittagessen gehe ich da hin. Ich mache das gerne. Dass ich einen Orden dafür bekomme, war nicht Sinn der Sache, und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass meine Arbeit das wert ist“, sagt sie. Die 82-Jährige trägt „am Mantel die kleine Schleife“ - und legt sie zu Familienfesten an: „Weil meine Familie so stolz auf mich ist“. Den Orden wertet sie als Dankeschön - „eine soziale Einstellung hatte ich schon immer“.

Während die Franzosen Orden ausdrücklich „Décoration“ nennen und sich gern und zu allen offiziellen Anlässen mit ihrer Mitgliedschaft in der „Ehrenlegion“ schmücken, geht selbst das bundesdeutsche Protokoll zurückhaltend mit dieser Frage um. Bei Einladungen, so kölns Protokollchefin Ingeborg Adrians, erwähne sie Orden in der Anrede fast nie. Erst bei Todesanzeigen würden die Auszeichnungen erwähnt; dann aber „in aller Vollständigkeit“.

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