Interview mit Kutschaty„Falscher Impfplan wäre fatal“

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Thomas Kutschaty warf der Landesregierung vor, zu wenig Tests für die Schulen beschafft zu haben.

Thomas Kutschaty warf der Landesregierung vor, zu wenig Tests für die Schulen beschafft zu haben.

  • Thomas Kutschaty spricht im Interview über die Corona-Krise und die Impfstrategie in NRW.
  • Der SPD-Landtagsfraktionschef äußert sich auch über das Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel.

Herr Kutschaty, die Impfungen haben begonnen: Sind Sie mit der Impfreihenfolge zufrieden? Thomas Kutschaty: „Ja, es macht absolut Sinn, den Empfehlungen der Impfkommission zu folgen und zunächst in den Alten- und Pflegeheimen mit den Impfungen zu beginnen. Sorge macht mir allerdings, ob wirklich genug Impfdosen für die erste Phase vorhanden sein werden. Man hätte deutlich mehr Impfstoff bestellen können und müssen. Die Hersteller hätten jedenfalls mehr Dosen liefern können, als letztlich geordert wurden. Es war richtig, die Impfzentren frühzeitig aufzubauen, um rechtzeitig vorbereitet zu sein. Es wäre allerdings fatal, wenn Mediziner wegen einer falschen Impfplanung dazu verdammt wären, dort untätig herumzusitzen.“

Befürchten Sie bei den Impfanmeldungen ein Chaos?

„Die Leute verlassen sich auf die Landesregierung. Sie ist dafür verantwortlich, einen reibungslosen Ablauf zu organisieren. Die Erwartungen bei der Bevölkerung sind hoch. Ich wünsche mir sehr, dass die Landesregierung Wort hält.“

Alles zum Thema Armin Laschet

2020 sollte das Jahr der Erneuerung werden. Warum profitiert die SPD nicht von den Fehlern der Landesregierung?

„Bei aller Kritik an der Landesregierung geht es immer darum, Probleme zu benennen und Verbesserungsvorschläge aufzuzeigen – und nicht darum, politischen Profit daraus zu ziehen. Wir nehmen unsere Aufgabe als Opposition sehr ernst. Der Zickzack-Kurs der Landesregierung hat für Verunsicherung gesorgt. Deshalb fordern wir schon lange eine klarere und längerfristige Strategie bei der Krisenbewältigung. Mit welchem Ergebnis sehen wir bei den nächsten Wahlen.“

Sind Sie in der Corona-Politik ein Fan von CSU-Chef Markus Söder?

„Ich bin kein Fan von Markus Söder, aber man muss ihm zugestehen, dass er in der Pandemiebekämpfung einen klareren Kurs gefahren hat als Armin Laschet. Söder hat die Entwicklungen oft schneller vorhergesehen als der Ministerpräsident von NRW, der meistens hinterher hinkte.“

Kann die SPD durch die Pandemie wieder zur Partei der Lehrer werden?

„Wir haben die Probleme in der Schulpolitik schon sehr früh angesprochen und auf eine Kurskorrektur der Schulministerin gedrungen. Dafür haben wir aus der Schullandschaft viel Zuspruch erhalten. Die Landesregierung hat viel Vertrauen verspielt, weil sie leichtfertig mit der Gesundheit von Lehrern und Schülern umgeht. Um dieses Vertrauen möchten wir als SPD werben.“

Sie haben früh auf den Wechselunterricht gesetzt. Wie kommen Sie auf die Idee, dass dieses Konzept der berufstätigen Mutter an der Supermarktkasse hilft?

„Unser oberstes Ziel dabei ist: Wir wollen vermeiden, dass letztlich das Virus darüber entscheidet, ob der Unterricht noch stattfinden kann, und dazu dient zum Beispiel der Wechselunterricht. Die Regel, dass man 1,5 Meter Abstand halten soll, muss doch auch an den Schulen gelten können. Und wo das nicht geht, müssen entweder größere Räumlichkeiten gefunden oder die Klassen verkleinert werden – zum Beispiel durch Schichtbetriebe oder den Wechsel von Präsenz- und Distanzlernen. Das ist ein vernünftiger Ausgleich zwischen Bildungsgerechtigkeit und Gesundheitsschutz.“

Das hilft der Kassiererin aber wenig…

„Der Wechselunterricht soll erst ab Klasse Acht gelten. Älteren Schülern kann man durchaus zutrauen, dass sie von zu Hause alleine am digitalen Unterricht teilnehmen können. Dazu muss die Landesregierung aber auch endlich dafür sorgen, dass digitaler Unterricht flächendeckend möglich ist.“

Muss es ein Abitur mit abgespeckten Inhalten geben?

„Wenn weiterhin wegen der Pandemie viel Unterricht ausfällt, muss es auch Abstriche bei den Anforderungen an das Abi 2021 geben. Wir haben dann ja sozusagen einen Jahrgang mit einem Abitur G7,5. Es wäre unfair, wenn Schüler, bei denen viel Unterricht ausgefallen ist, die gleichen Prüfungen ablegen müssten, wie an Schulen, in denen es weniger Ausfall gab. Wichtig ist vor allem, dass das Abitur auch von allen Bundesländern anerkannt wird.“

Die SPD hat den Rücktritt von NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gefordert. Haben Sie die Patrone nicht zu früh verschossen?

„Nein, wir brauchen in der Schulpolitik jetzt einen Neustart. Frau Gebauer hat bei Lehrkräften und bei den Eltern zu viel Chaos ausgelöst. Ich kenne keinen, der noch Vertrauen in sie hat, die Schulen sicher durch die Krise zu führen. In den vergangenen Monaten hat sie das durch Verbohrtheit und mangelnde Gesprächsbereitschaft selbst verspielt. Sie ist eine Kapitänin, der keiner mehr folgt.“

Bei der Herstellung von Schutzausrüstung kritisiert die SPD die Auftragsvergabe der Landesregierung an die Firma van Laack. Wie wollen Sie in dem Fall weiter vorgehen?

„Die Regierung Laschet hat hier offenbar rechtswidrig gegen Vergaberichtlinien verstoßen und einer Firma, die der Ministerpräsident persönlich angerufen hat, den Auftrag zugeschanzt. Im Kern geht es dabei um die Frage: Hat der Ministerpräsident nur dieses eine Unternehmen angerufen? Und falls ja, warum? Die Landesregierung hat bisher keine plausiblen Antworten dafür liefern können. Und wie sich jetzt herausstellt, haben die Krankenhäuser für teures Geld auch noch Material von schlechter Qualität erhalten. Da sind leichtfertig 45 Millionen Euro in den Sand gesetzt worden.“

Wie wollen Sie die Landesregierung weiter in die Mangel nehmen? Ist auch ein Untersuchungsausschuss denkbar?

„Zunächst setzen wir die Befragung im Parlament fort. Wir kennen aber auch unsere parlamentarischen Rechte.“

Wegen des Lockdowns haben vielen Menschen in diesem Jahr Gutscheine verschenkt. Wie sehr hilft das dem Handel?

„Ja, das hilft dem Handel. Wir müssen dabei aber auch an die Verbraucher denken und ihre Rechte ausweiten. Häufig verfallen Gutscheine, weil vergessen wird oder es keine Gelegenheit gibt, sie rechtzeitig einzulösen. Da brauchen wir längere Verjährungsfristen. Der Bund sollte die Verjährungsregel um das verlorene Corona-Jahr auf vier Jahre ausweiten.“

Großbritannien steht vor dem Brexit. Mit welchen Folgen muss NRW rechnen?

„Der Brexit hat bereits massive Auswirkungen. Vor allem im Handel macht sich das längst bemerkbar. Es wäre in dieser Phase wichtig gewesen, wenn NRW einen aktiven Brexit-Beauftragten gehabt hätte. Aber Armin Laschet und Friedrich Merz hatten und haben sich offenbar in der Sache nicht mehr viel zu sagen. Anders kann ich mir auch nicht erklären, warum Herr Merz so sang- und klanglos aus seinem Amt geschieden ist. Die Landesregierung hat seinen „Mexit“ jedenfalls gut unter der Decke gehalten. Aber Laschet hätte einen anderen Brexit-Beauftragten benennen sollen, nachdem klar wurde, dass Merz sich nicht mehr für das Thema engagiert. Ausbaden muss das jetzt die NRW-Wirtschaft.“

Sie treten beim SPD-Parteitag im März gegen den Parteichef Hartmann an. Was hat er aus Ihre Sicht falsch gemacht?

„Ich trete nicht gegen jemanden an, sondern für meine Ziele. Wir müssen die SPD in zwei erfolgreiche Wahlkämpfe führen. Ich bin sicher, dass uns das gelingen kann, wenn Partei und Fraktion an einem Strang ziehen.“

Sie waren schon Justizminister in der Zeit von Rot-Grün. Ist es ein Malus, dass Sie nicht für einen Neustart stehen?

„Nein, ganz im Gegenteil. Es ist doch ein großes Pfund, wenn man weiß, wie Regierungen funktionieren und schon einmal ein starkes Ressort erfolgreich geführt hat. Diese Erfahrung kann und möchte ich bei kommenden Aufgaben mit einbringen.“

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Würde eine Kanzlerkandidatur von Laschet die Wahlchancen der SPD verbessern?

„Ja, in jedem Fall. Ich bin mir sicher, dass die Menschen in Deutschland Olaf Scholz im Vergleich zu Laschet für den bessern Kandidaten halten werden. Sollte Laschet nicht Parteichef der CDU werden, wäre er in NRW auf jeden Fall angeschlagen. Als Chef des größten CDU-Landesverbands auf dem Parteitag keine Mehrheit zu bekommen, wäre durchaus eine Niederlage, mit der es ihm schwer gelingen dürfte, in NRW einfach zur Tagesordnung in NRW zurückzukehren.“

Das Gespräch führte Gerhard Voogt

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