NRW-Minister Laumann im Interview„Die Stimmung im Land bereitet mir Sorgen“

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Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

Laumann, NRW-Arbeitsminister und Chef des CDU-Sozialflügels, über Kindergrundsicherung, eine Arbeitsmarktoffensive und die Kanzler-Fähigkeiten von Friedrich Merz.

Herr Laumann, die CDU steckt in einer Krise, hat in Umfragen eingebüßt und zofft sich öffentlich. Wann kommt die Partei wieder auf einen grünen Zweig?

Die CDU hatte keine gute Sommerpause, aber ich bin überzeugt, dass es jetzt besser wird. Das weitaus größere Problem ist, dass wir wegen der Preissteigerungen und des Krieges in der Ukraine eine große Verunsicherung in der Bevölkerung erleben. Währenddessen haben wir eine Ampel in Berlin, die mit ihrer Art und Weise des Regierens die Leute ratlos zurücklässt. Wir haben eine merkwürdige Stimmung im Land, die mir Sorgen bereitet. Das wird durch die Umfragewerte der AfD ebenfalls deutlich.

Umso wichtiger ist eine konstruktive Oppositionspartei, die überzeugende Vorschläge macht, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen.

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Alle Parteien im demokratischen Spektrum geben offensichtlich nicht überzeugende Antworten. Das ist nicht nur die Herausforderung für die Union. Die Bundestagsfraktion hat in vielen Bereichen gute Alternativen auf den Tisch gelegt, etwa zum Ausländerrecht oder Bürgergeld. Unser Kernproblem ist ein anderes: die personelle Aufstellung der Partei und Fraktion.

Wie meinen Sie das?

Als ich meine politische Karriere begann, war es selbstverständlich, dass Einzelhändler, Unternehmer und Arbeitnehmer die Gremien der Partei und der Fraktion bildeten. Diese unterschiedlichen Erfahrungswelten führten dazu, dass man mit gemeinsamen Grundwerten Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln anpackte. Das ist gelebte Volkspartei. Das ist heute aber nicht mehr so.

Was muss sich ändern?

Um als CDU gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, müssen sich in den politischen Gremien alle wiederfinden. Die CDU sollte sich gemäß den Strömungen, die die Partei ausmachen, breiter aufstellen. Wenn 80 Prozent der Bundestagsfraktion der Mittelstandsunion angehören, ist das schlecht. Schlicht und ergreifend schlecht! Auch in der CDU-Führung sind zu viele Vertreter des Mittelstands. So können und sollten wir nicht weitermachen.

Was heißt das für Sie persönlich? Wollen Sie den durch Carsten Linnemanns Aufstieg zum Generalsekretär frei gewordenen CDU-Vizeposten übernehmen?

Diese Frage stelle ich mir nicht neun Monate vor dem Parteitag 2024. Bis dahin ist noch viel Zeit.

Ihre Partei macht aktuell vor allem Schlagzeilen mit Forderungen nach mehr Arbeit: Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, Aktivrente, steuerfreie Überstunden. Ist das die Antwort der CDU auf die Wirtschaftsflaute?

Dass man das Renteneintrittsalter und die Lebenserwartung zusammen denken muss, ist auch meine Meinung. Was Carsten Linnemann richtigerweise immer dazu sagt, ist, dass wir bei längerer Arbeitszeit auch eine gute Erwerbsunfähigkeitsrente brauchen. Längeres Arbeiten wäre ein Hebel, um Menschen in Zeiten des Arbeitskräftemangels im Arbeitsmarkt zu halten. Lieber wäre mir ein anderer.

Und zwar?

Wir brauchen eine Arbeitsmarktoffensive in Deutschland. Bürgergeldempfänger, die arbeiten können und nicht gesundheitlich beeinträchtigt sind, müssen auch arbeiten. Die Arbeitsagenturen müssen genauer hinschauen und die Menschen viel mehr an die Hand nehmen, damit sie schnell in sozialversicherungspflichtige Jobs kommen. Dafür braucht es mehr Kapazitäten in der Arbeitsverwaltung, damit alle Langzeitarbeitslosen zum Gespräch geladen werden können, um sie in Jobs zu vermitteln. Die Ampel muss die geplante Kürzung der Eingliederungsmittel um 500 Millionen Euro zurücknehmen.

Die Ampel streitet über die Ausgestaltung der Kindergrundsicherung. Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Wenn man eine Kindergrundsicherung einführen will, muss sie mehr sein als eine Verwaltungsreform. Zentral sollte bei dieser Reform sein, dass Kinder besser durch die Schule kommen. Bei der Kindergrundsicherung darf es nicht nur um höhere Leistungen gehen, sondern vor allem um eine Verbesserung der Aufstiegschancen für Kinder und Jugendliche im Bildungssystem. Darauf sollte sich die Ampel bei der Umsetzung konzentrieren.

Zum Schluss eine Personalfrage: Ist Friedrich Merz der geeignete Kanzlerkandidat für die Union?

Ja, der Parteivorsitzende der CDU ist immer der geeignete Kanzlerkandidat der Union. Natürlich muss die Frage gemeinsam mit der CSU geklärt werden. Aber wenn man CDU-Chef ist, ist man der geborene Kanzlerkandidat.

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