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Klimanotstand in KölnWie können jetzt die Fahrpreise für Bus und Bahn erhöht werden?

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Pendler-Alltag für Millionen Menschen an Rhein und Sieg: volle Züge, volle Bahnsteige.

  1. Die Verkehrsbetriebe in Köln und im Rheinland brauchen mehr Geld. Darum wollen sie die Fahrpreise erhöhen – wieder einmal.
  2. Für den Klimaschutz aber wäre es wichtig, dass das Gegenteil passiert. Gegen eine Erhöhung spricht auch die stetig sinkende Qualität: Zugausfälle, Unpünktlichkeit und mangeldne Kapazitäten.
  3. Aber wer zahlt dann für die drohenden Verluste? Am Freitag wird entschieden, ob die Preiserhöhung trotzdem kommt. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu vorab.

Köln – Düsseldorf, Leverkusen und Bonn. Immer mehr Städte im Rheinland rufen den Klimanotstand aus. Doch wenn es um den öffentlichen Nahverkehr geht, werden die gleichen Kommunalpolitiker, die den Klimanotstand beschließen, die Fahrpreise im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) weiter erhöhen. Nach wochenlangem Streit über eine Nullrunde steht am Freitag, 12. Juli, in der Verbandsversammlung die Entscheidung an, ob die Politiker sich der Forderung der 27 Verkehrsunternehmen anschließen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Worum geht es bei der Entscheidung am Freitag?

Die Preise sollen 2020 und 2021 jeweils um 2,5 Prozent steigen. Weil die Einzeltickets ausgenommen werden sollen, beträgt die geplante Preiserhöhung, die allein von den Dauerkunden geschultert werden muss, rund 2,8 Prozent.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Wer sitzt in der Verbandsversammlung?

Im Gremium sitzen 37 Politiker der Städte und Kreise, die dem VRS angehören. Höhere Preise müssen mit Dreiviertel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Sonst gelten sie als abgelehnt.

Wie kommen die 2,5 Prozent zustande?

Das ist der Vorschlag des Tarifbeirats, in dem Vertreter der Politik und der Verkehrsunternehmen sitzen. Auch die 2,5 Prozent waren umstritten. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) hatten sie zunächst abgelehnt, weil sich damit die gestiegenen Kosten für das Personal und die Energie nicht abdecken ließen. Die KVB wollte 3,5 Prozent erreichen, konnte sich damit aber im Unternehmensbeirat der 27 Verkehrsunternehmen nicht durchsetzen.

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Wird es eine Mehrheit für die Preiserhöhung geben?

Bisher wurde darüber nie diskutiert. Die Beschlüsse gingen immer glatt durch. Doch das sieht diesmal anders aus. Der Bonner Stadtrat hat am Montag einen Antrag von CDU, Grünen und der FDP angenommen, wonach in der Verbandsversammlung die Preiserhöhung „möglichst vermieden werden“ sollte. Gabi Mayer, im Gremium Vertreterin der Bonner SPD-Fraktion, hat angekündigt, gegen die Erhöhung zu stimmen. „Statt die Preise immer weiter zu erhöhen, müssen Busse und Bahnen viel eher preiswerter werden“, sagt sie. Auch die SPD im Rheinisch-Bergischen Kreis plädiert für Nullrunden.

Was würden Nullrunden für 2020 und 2021 kosten?

Das ist schwer zu sagen. Der VRS hat im Jahr 2018 rund 675 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen erzielt. Sollte die Erhöhung von 2,5 Prozent wegfallen, würden für die Jahre 2020 und 2021 rein rechnerisch jeweils rund 17 Millionen Euro fehlen. Allerdings hat der VRS im ersten Quartal 2019 einen Boom erlebt und fast 5,5 Prozent mehr Tickets verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die KVB in Köln geht von deutlich höheren Verlusten aus. Sie rechnet bei Nullrunden mit jährlichen Mehrbelastungen von 22 Millionen Euro. Selbst bei einer Preiserhöhung von 2,5 Prozent müsste der Stadtwerke-Konzern, aus dessen Überschüssen das Minus der KVB ausgeglichen wird, für zwei Jahre sechs Millionen Euro mehr zuschießen.

Was spricht neben Umwelt- und Klimaschutzgründen noch für Nullrunden?

Die stetig sinkende Qualität im Nahverkehr, vor allem auf der Schiene. Das geht aus dem Qualitätsbericht 2018 des Nahverkehr Rheinland (NVR) hervor, zu dem neben dem VRS auch noch der Aachener Verkehrsverbund gehört. Danach haben sich die Leistungen zum dritten Mal in Folge nach 2016 und 2017 „bei Zugausfällen, Pünktlichkeit und Kapazitäten“ zum Teil deutlich verschlechtert. Allein die Verspätungen haben um sieben Prozent zugenommen. Die Hauptgründe sind viele Baustellen, ein völlig überlastetes Schienennetz und Probleme mit den Fahrzeugen.

Warum tun sich die Politiker in der Verbandsversammlung so schwer mit einem Nullrunden-Beschluss?

Weil jeder Euro, der bei den Fahrgeldeinnahmen fehlt, von den Kommunen ausgeglichen werden muss. „Das können wir schon deshalb nicht machen, weil die Stadt Köln dann auch für die höheren Verluste zahlen muss, die nicht von der KVB, sondern von anderen verursacht werden“, sagt Andreas Wolter, Vertreter der Grünen in der Verbandsversammlung.

Warum ist das so?

Weil der Kostendeckungsgrad – das ist der Anteil, den die Verkehrsbetriebe durch die Fahrgelder erzielen – höchst unterschiedlich ist. Bei der KVB liegt er bei 77 Prozent, bei den SWB in Bonn bei 73 Prozent. Der Schienennahverkehr, also die S-Bahnen und Regionalzüge, kommt auf 60 Prozent. Die privaten Busunternehmen, die im Auftrag verschiedener Verkehrsunternehmen unterwegs sind, müssen natürlich mehr als 100 Prozent erreichen, um Gewinne zu erzielen. Im Durchschnitt kommt der VRS auf einen Kostendeckungsgrad von 70 Prozent.

Was müsste sich ändern?

Aus Sicht der Politiker in der Verbandsversammlung muss die Finanzierung neu geregelt werden. Einigkeit herrscht auch darüber, dass angesichts des Klimawandels und der miesen Qualität im Nahverkehr die Preise nicht endlos erhöht werden können. „Die Verkehrswende können die Kommunen nicht alleine finanzieren“, sagt Verbandsvorsteher Bernd Kolvenbach (CDU). „Da sind Land und Bund gefordert.“ Jeder Euro, den die Kommunen zusätzlich zum Ausgleich der Verluste aufbringen müssen, fehle auf der anderen Seite für Investitionen in den Nahverkehr.

Warum kommt der Aufschrei erst jetzt?

Weil der öffentliche Nahverkehr erst mit der Diskussion um Dieselfahrverbote und Klimaschutz stärker ins Bewusstsein gerückt ist und in der Wachstumsregion Rheinland aber längst an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen ist.

Wie sieht der VRS die Nullrunden-Diskussion?

Nullrunden seien das falsche Signal, sagt VRS-Geschäftsführer Michael Vogel. Man könne nicht den jahrelangen Investitionsstau bei der Infrastruktur und den Betriebsmitteln beheben, viel Geld in neue Antriebsformen wie Elektrobusse investieren und gleichzeitig Nullrunden bei den Tarifen fordern, sagt VRS-Geschäftsführer Michael Vogel. Hinzu kämen „dramatisch steigende Kosten beim Personal“, weil es zu wenig Bus- und Bahnfahrer gebe. Es sei „die größte Herausforderung für die Politik und die Verkehrsbranche“, den Widerspruch zwischen den steigenden Ansprüchen an den ÖPNV und der Forderung nach kostenlosem Nahverkehr aufzulösen.