Warnung auf KVB-TafelnSorge um geflüchtete Ukrainerinnen nach dubiosen Hilfsangeboten

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Vor allem Frauen und Minderjährige flüchten aus der Ukraine.

Düsseldorf/Köln – Einen Schlafplatz in der privaten Wohnung, eine Mitfahrgelegenheit, sogar Geld: In Berlin gibt es Hinweise darauf, dass die Not der mehrheitlich weiblichen und minderjährigen ukrainischen Geflüchteten ausgenutzt werden könnte. Mit dubiosen Hilfsangeboten soll versucht worden sein, sie direkt von den Bahngleisen zu sich zu locken. Die Bundespolizei warnt nun auch auf den Werbetafeln an KVB-Haltestellen in Köln auf deutsch, ukrainisch und russisch vor derartigen Angeboten.

Die Sorge vor Menschenhandel und Prostitution ist groß. In Nordrhein-Westfalen kommen seit rund einer Woche tausende Menschen aus der Ukraine an - und sehen sich womöglich ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie in Berlin. Fluchtexpertinnen fordern daher nachhaltige Schutzstrukturen.

Bundespolizei sieht noch keine Fälle in NRW

„Die Bundespolizei warnt allein reisende Jugendliche und Frauen vor auffälligen Übernachtungsangeboten – wenden Sie sich nur an offizielle Stellen!“. Diesen Warnhinweis der Berliner Kollegen teilte die Bundespolizei NRW nicht nur auf Werbetafeln, sondern auch auf Twitter. „Wir haben glücklicherweise noch keine Hinweise auf solche Fälle in NRW“, sagt Sprecher Jens Flörens dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Wir sind aber dafür sensibilisiert.“ Das Landeskriminalamt NRW teilte auf Anfrage mit, dass es noch keinen erfassten Fall von Menschenhandel im Zusammenhang mit der Ukraine gebe. 

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Hier wartet eine Ersthelferin auf die Geflüchteten am Kölner Hauptbahnhof. In Berlin sollen Kriminelle versucht haben, die Frauen direkt wegzulocken.

Auch die Stadt Köln, die am Breslauer Platz am Hauptbahnhof eine Anlaufstelle für ukrainische Geflüchtete aufgebaut hat, kann derartige Vorkommnisse bislang nicht bestätigen. „Mir ist nicht bekannt, dass die Frauen an der Anlaufstelle so etwas berichten.

In den städtischen Unterkünften bekommen die Flüchtlinge abgeschlossene Wohneinheiten. Mit der privaten Unterbringung haben wir nichts zu tun“, so eine Stadt-Sprecherin. Sind die Sorgen um die ukrainischen Frauen und Kinder also unbegründet?

„Situation von geflüchteten Frauen wird ausgenutzt“

Keineswegs, sagen Expertinnen aus der Fluchtforschung und des Menschenhandels. „Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass die Situation von geflüchteten Frauen und Kindern ausgenutzt wird, um sie auszubeuten und zu missbrauchen“, sagt Sophia Wirsching, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel (KOK). „Daher sind die Angst und die Vorsicht der ukrainischen Frauen ebenso wie die Sorge um sie durchaus berechtigt, wenn auch durch uns nicht verifizierbar.“

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Am Breslauer Platz in Köln gibt es eine Anlaufstelle für die Geflüchteten.

Wichtig sei daher vor allem, „dass die Flüchtlinge Informationen darüber erhalten, wo sie sich hinwenden können.“ Dazu würden bereits Informationsflyer erstellt. Private Helferinnen und Helfer, die Menschen transportieren oder bei sich zuhause unterbringen wollen, sollen sich zudem demnächst registrieren und ihre Identität nachweisen.

„Frauen haben die Verantwortung für die ganze Familie“

Ulrike Krause forscht seit 15 Jahren zu Flucht, auch im Hinblick geschlechtsspezifische Unterschiede und Gewalt. Sie ist Professorin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück. Auch sie habe aktuell zwar keine konkreten Hinweise auf Übergriffe auf ukrainische Frauen von humanitären Organisationen.

„Das heißt aber nicht, dass es das Problem in Bezug auf die Ukraine nicht gibt“, sagt sie dieser Zeitung. „Aus anderen Fluchtbewegungen weltweit, zum Beispiel die Flucht aus Afghanistan, wissen wir, dass organisierter Menschenhandel eine große Gefahr für alle Fliehenden darstellen kann.“

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Da die ukrainischen Männer im Land bleiben sollen, „obwohl nicht jeder Mann ein geborener ‚Kämpfer‘ ist“, hätten nun die Frauen die volle Verantwortung für die Familie. „Die Frauen müssen nun alle Hindernisse der Flucht bewältigen, die lange Strecke zurücklegen, die Familien versorgen.“ Sie müssen ad hoc Entscheidungen treffen: Kann ich an der Grenze zu jemandem ins Auto steigen, oder ist es zu gefährlich?“, erklärt Krause.

Forderung nach nachhaltigen Schutzstrukturen

Prostitution sei dazu ein grundsätzliches Problem. „Menschen in prekären Verhältnissen müssen von irgendetwas leben.“ Daher sei es „umso wichtiger, dass nun alle Schutzstrukturen greifen: die Registrierung der Geflüchteten, die Erstaufnahme und ihre Versorgung. Die Geflüchteten brauchen möglichst schnell Zugang zu ihren Grundrechten, wie Arbeit, Zugang zur Sprache und insbesondere die Kinder zu Bildung. Neben den physischen muss aber auch auf die psychischen Bedürfnisse eingegangen werden“, so Krause. Die Schutzstrukturen müssten zudem auch nachhaltig sein.

„Dass es aktuell so eine große Aufnahmebereitschaft in Deutschland gibt, ist zweifelsohne positiv. Die Erfahrungen aus 2015 zeigen aber auch, dass Hilfsbereitschaft schnell ansteigen, aber auch schnell wieder abflauen kann. Wenn jemand eine traumatisierte Person aufgenommen hat, mit der es dann schwierig wird, müssen die Geflüchteten oft schnell wieder gehen“, sagt die Wissenschaftlerin.

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