Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Kommentar zu Angela MerkelDie Kanzlerin der Krisen

Lesezeit 3 Minuten
Merkel dpa Auto

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Was bleibt von Angela Merkel? 16 Jahre lang war sie Bundeskanzlerin. In dieser Zeit hatte sie es mit gewaltigen politischen Krisen zu tun – beispielsweise der europäischen Schuldenkrise oder der Flucht vieler Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika nach Europa. Merkel hat viel dazu beigetragen, dass am Ende Lösungen gefunden wurden. Merkel, die Krisenmanagerin.

Ist es das, woran man sich in erster Linie erinnern wird? Oder sind es ihre seltsam einsamen Entscheidungen wie der Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe oder ihr Agieren in der Flüchtlingskrise, mit dem sie Teile der Bevölkerung vor den Kopf stieß? Merkel, die machtpolitische Entscheiderin.

Angela Merkel ist eine uneitle Spitzenpolitikerin

In erster Linie bleibt das Bild einer uneitlen Spitzenpolitikerin, die nüchtern und emotionsarm das Land führte. Merkel hatte ein eigenes Verhältnis zum Amt, gab ihrer Aufgabe größeres Gewicht als ihrer Position – im Gegensatz zu manchen testosteron-gesteuerten Männern, die mit großem Ich gegen sie zu Felde zogen. Ob Gerhard Schröder, Friedrich Merz, Horst Seehofer oder Markus Söder – Merkel hat den Angriffen standgehalten und sich behauptet.

Dies gelang ihr vermutlich auch deshalb, weil sie die Machtspiele der Männer sehr früh dechiffrierte. Nicht selten bediente sie sich dann ähnlicher Mittel. Das Instrument ihrer Wahl aber ist die diplomatische Mission: Ruhe bewahren, die Dinge erwägen, abwarten – bis zum manchmal quälend langen Aussitzen. Das man ihr dann – bisweilen zurecht – auch als Zaudern und Entscheidungsschwäche auslegen musste.

Angela Merkel hat das Land verändert

Merkel hat den Pragmatismus zur politischen Leitidee erhoben. Von ihr konnte man keine großen politischen Visionen erwarten – ganz abgesehen davon, dass glanzvolle Rhetorik ohnehin nicht zu ihren größten Talenten gehört. Aber ohne ihr realpolitisches Vorgehen und ihre Beharrlichkeit wäre von Europa und der EU nach den Krisen der jüngeren Vergangenheit deutlich weniger übrig.

Wenn man so will, hat Merkel eine Politik des größten gemeinsamen Nenners gemacht. Dabei nahm sie in Kauf, dass sie konservative Gruppen in der Union – gelinde gesagt – irritierte. Man kann sicher nicht sagen, dass Merkels Kurs eine AfD erst möglich gemacht habe. Aber eine CDU, die mehr und mehr politische Positionen einer sachte nach links verschobenen Mitte für sich reklamierte, hat damit sichtbar ihren konservativen Stammplatz verlassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Merkel hat das Land verändert. Sie hat – ohne ihre Ost-Biografie jemals politisch auszuschlachten – viel für das Zusammenwachsen getan. Und sie hat die Emanzipation der Frauen vorangebracht, ohne sich selbst plakativ an die Spitze der Bewegung setzen zu müssen.

Wahrscheinlich bleibt noch viel mehr in Erinnerung. Ihr Humor, der dann und wann aufblitzt. Ihre kühle Beherrschtheit und ihre höfliche Distanz. Und nicht zuletzt die Raute, mittlerweile eine der bekanntesten Gesten der Welt. 16 Jahre Merkel – eine Ära unaufgeregter, aber auch uninspirierter Politik geht zu Ende. Wer Merkel folgt, wird diesem Land wieder Aufbruchsgeist und Mut zur Veränderung vermitteln müssen.