Kommentar zu einem Jahr Schwarz-GelbDie dicken Brocken kommen auf Laschet noch zu

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Armin Laschet im März 2018

Köln – Das politische Erdbeben in NRW ist am Montag genau ein Jahr her. Schwarz-Gelb feierte einen Überraschungscoup, Armin Laschet löste die am Ende taumelnde Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) ab und wurde neuer Ministerpräsident. Der CDU-Politiker aus Aachen, von Freund und Feind unterschätzt, hielt plötzlich die Strippen der Macht in der Hand und hatte ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten.

Was er daraus im ersten Regierungsjahr gemacht hat, kann sich sehen lassen. Größere Skandale blieben Laschet erspart. Es gab aber auch Patzer, Peinlichkeiten und Rückschläge. Und noch sind viele Projekte über die Ankündigungs- und Anfangsphase nicht hinausgekommen. Die dicken Brocken, an deren Bewältigung er gemessen wird, kommen erst noch.

Laschet befreit sich vom Image des rheinischen Strahlemanns

Unbestritten ist es der selbst ernannten „NRW-Koalition“ erstaunlich schnell gelungen, Pflöcke einzuschlagen und an Profil zu gewinnen. Der Ministerpräsident selbst hat sich vom Image des rheinischen Strahlemanns oder des spontanen „Luftikus“, wie ihn Rot-Grün gerne abstempelte, befreit. Laschet ist im Amt gewachsen, betreibt eine kohärente Agenda, zeigt große Energie und Selbstdisziplin. Großen Anteil an dieser Entwicklung hat einer seiner engsten Vertrauten: Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei. Er ist Laschets umtriebiger Top-Organisator und Spindoktor.

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Dass Laschet trotz früher Patzer wie der Degradierung des Medienministers Stephan Holthoff-Pförtner, dem kleinlauten Rückzug vom Rückzug beim Sozialticket und Kommunikationspannen bei der Affäre um Agrarministerin Christina Schulze Föcking (CDU) so gut dasteht, hat auch mit dem Koalitionspartner zu tun. Er kann froh sein, dass der FDP-„Egoshooter“ Christian Lindner nach Berlin gegangen ist. Mit Integrationsminister Joachim Stamp als neuem FDP-Chef sind die Liberalen zu einem verlässlichen Partner geworden. Die schwarz-gelbe Ehe läuft bislang ohne Eifersüchteleien und Verlustängste. Kein Vergleich zur letzten CDU/FDP-Regierung unter Jürgen Rüttgers, dem letztendlich Rachefeldzüge und Intrigen zum Verhängnis wurden.   

Laschet manchmal sozialdemokratischer als so mancher SPD-Politiker

Manchmal agiert Laschet – und darin ist er Angela Merkel ähnlich – sozialdemokratischer als mancher SPD-Politiker. Die von ihm wiederbelebte Ruhrgebietskonferenz ist ein kluger Schachzug, der den Genossen ihren Neuaufbau in NRW erschwert.

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Armin Laschet bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf

Nach einem Jahr Regierungsarbeit fällt das Zeugnis für Laschet ordentlich aus. Doch Vorsicht: Die aktuelle Stärke des Regierungschefs hat auch ihre Kehrseite. Er muss aufpassen, dass er sein Selbstbewusstsein nicht zu stark zur Schau trägt. Dass er (zu) oft verkündet, auch bundes- und europapolitisch ein Schwergewicht zu sein, kann eitel wirken. Zudem besteht für ihn im zweiten Regierungsjahr die Gefahr, der Ankündigeritis überführt zu werden.

Reul überzeugt schnell

Immerhin: In der Sicherheitspolitik hat sein zunächst belächelter Innenminister Herbert Reul schnell geliefert. Daran hat dessen Staatssekretär, der frühere Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies, großen Anteil. Das versprochene „Sicherheitspaket 1“ kommt noch vor der Sommerpause. Anfangserfolge gibt es auch in der Wirtschafts- und Bildungspolitik sowie beim Thema Digitalisierung, das von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) mit großer Expertise vorangetrieben wird.

In der Schulpolitik hat Ministerin Yvonne Gebauer (FDP)  auf vermintem Terrain klug agiert, doch die Mühen der Ebene kommen erst jetzt. Die Rückkehr zu G9 wird eine halbe Milliarde Euro kosten, das Tauziehen mit den Kommunen um die Finanzierung  wird heikel. Unruhe im Schulbereich kann sich Laschet nicht leisten. Ihn treibt die Furcht um, dass eine ausgeprägte Unzufriedenheit von Lehrern und Eltern die Stimmung im Land kippen lassen könnte. 

Frust-Potenzial auch beim Thema Verkehr

Auch in der Verkehrspolitik droht Gefahr. Gerade noch rechtzeitig zur Jahresbilanz hat Verkehrsminister Hendrik Wüst sein Infrastrukturpaket vorgestellt. Auf Autobahnen soll künftig durch Mehrschichtbetrieb und besseres Controlling schneller gearbeitet werden. Doch die Staus in NRW werden dadurch nicht verschwinden, sondern laut Verkehrsprognosen weiter zunehmen. Es droht also auch hier hohes Frust-Potenzial bei den Wählern. Zudem wird der von SPD und Grünen angestrebte Untersuchungsausschuss Schulze Föcking der Opposition ein Instrument an die Hand geben, um die Regierung härter zu attackieren.

Im Wahlkampf hatten CDU und FDP die aufgestaute Unzufriedenheit im Land genutzt und sie mit einer „Schlusslicht-Kampagne“ gegen die SPD verstärkt. Nach seinem Coup versprach Laschet einen neuen Politikstil gegen die „Selbstverzwergung“ des Landes. Von der „Entfesselung des Riesen NRW“ war die Rede. 

Ungemütliches zweites Regierungsjahr

Im zweiten Jahr wird Laschet liefern müssen. Er wird unter Beweis stellen müssen, wie handlungsfähig Schwarz-Gelb wirklich ist. Es wird sich herausstellen, wie nachhaltig die Ankurbelung der Wirtschaft ist. Ob die Rückkehr zum längeren Abitur ohne größere Mehrausgaben funktioniert. Ob die Zunahme des Verkehrschaos und ein Anstieg der Kriminalität  vermieden werden können.

Die Erwartungen sind immens, der Druck nimmt zu. Laschet hat viele Weichen gut gestellt, doch jetzt wird er zunehmend angreifbar. Sein zweites Regierungsjahr wird ungemütlich.

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