Kulturstaatsminister Wolfram Weimer spricht über die Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen und über die Anfeindungen gegen ZDF-Journalistin Hayali.
Wolfram Weimer„ARD und ZDF haben ein Akzeptanzproblem, weil sie politisch links geneigt wirken“

„Wenn politische und mediale Macht sich so verbrüdern, sind wir verloren“: Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien, im Bundeskanzleramt. Kira Hofmann
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An der Wand vor seinem Büro im Kanzleramt hängt ein Bild mit dicken weißen Pinselstrichen und Rudimenten der Europaflagge. Wolfram Weimer hat es sich gezielt ausgesucht. „Europa ist noch nicht fertig“, sagt der Staatsminister für Kultur und Medien zur Begrüßung auf dem Flur.
Bevor der heute 60-Jährige im Mai in sein neues Amt kam, hatte er mehr mit Medien als mit Kultur zu tun, unter anderem war er Chefredakteur der „Welt“. 2012 gründete er mit seiner Frau Christiane Goetz-Weimer die Weimer Media Group. Die Geschäftsführung hat er bei Amtsantritt verlassen. Im Interview geht es ihm vor allem um dieses Medium: Google.
Herr Weimer, Sie haben seit Neuestem einen Avatar, den „Weimatar“. Er spricht zwölf Sprachen, bespielt die sozialen Medien und macht Schulungsvideos. Wenn er bald mehr kann als Sie – wozu braucht es dann noch Menschen in der Regierung?
Weil wir ein Herz haben. Er ist jedenfalls verdammt schlau, schlagartig weltbekannt geworden und gerade für internationale Kommunikation sehr praktisch. Dahinter steht der Gedanke, Künstliche Intelligenz, ihre Risiken und ihre Chancen sichtbar zu machen. Wir haben in Deutschland immer davon gelebt, die technologische Avantgarde zu umarmen – und das Beste daraus zu machen.
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Und welche Gefahren bringt KI mit sich?
Ich kämpfe gegen die Monopolisierung des Medienbetriebs, die durch KI beschleunigt wird. Die großen Plattformen aus den USA, bald auch aus China, diese wenigen Big-Tech-Unternehmen, zentralisieren unsere Informationswelt und verhindern den wirtschaftlichen Wettbewerb, aber auch den Wettbewerb der Ideen, der Meinung, unseres demokratischen Fundus. Es gibt einen Raubzug, bei dem die Urheber nicht gefragt wurden. Texte, Optiken, Musik, einfach alles an Wissen wurde gescannt, kopiert und die KI damit gefüttert. Und jetzt spucken die KI-Systeme das als eine neue Form der Evidenz wieder aus, blitzschnell und komprimiert, ohne dass man sich groß durchklicken muss. Hier geht es um einen zentralen Baustein unseres medialen, politischen und demokratischen Gefüges.
Weimers Kampf gegen Google
Erklären Sie das einmal näher.
US-Präsident Donald Trump ist in seinem neonationalistischen Furor auf die Idee gekommen, dass der Golf von Mexiko nun Golf von Amerika heißen soll. Wenige Tage später ist Trumps Wunsch Realität, weil Google die Kartografie der Welt nach seinem Willen einfach umschreibt. Der Konzern hat über Google Maps die globale Definitionsmacht. Wenn politische und mediale Macht sich so verbrüdern, sind wir verloren.
Und was machen Sie dagegen?
Google behauptet, es sei kein Medienunternehmen und würde deswegen auch nicht der Logik des Medien- und Presserechts unterliegen. Das sehe ich anders. Wenn Sie in Sekundenschnelle über eine Google-Suche Informationen und Einordnungen bekommen, haben Sie es mit einem Medium zu tun. Damit ist Google verantwortlich für das eigene Handeln. Und deshalb sollten wir Google dem deutschen Presserecht und dessen Haftung unterwerfen. Wir können nicht zulassen, dass Big-Tech-Plattformen die Deutungsmacht bekommen und wir das nicht mehr demokratisch kontrollieren können.
Was tun Sie für die Urheber, die das Wissen, die Werbung, die Kreativität erzeugt haben und nun von Google abgeschöpft werden?
Wir sollten gegen das Monopol von Google kartellrechtlich, regulatorisch, steuerlich vorgehen. Wir können Kartelle und Monopole nicht dulden, wir müssen sie aufbrechen, letztlich zerschlagen. Das ist das ordnungspolitische Erbe von Ludwig Erhard. Er war der Vater des Kartellrechts.
Besinnung auf Ludwig Erhard
Sie haben bereits Gegenwind von der Bundeswirtschaftsministerin und dem Unionsfraktionsvorsitzenden für ihre Idee einer Digitalsteuer bekommen.
Inzwischen habe ich für meine Initiative zu einem Plattform-Soli breite Rückendeckung in den Regierungsfraktionen und auch bei den Grünen. Widerspruch gibt es allerdings von den USA, und zwar direkt aus dem Weißen Haus. Denn wenn wir in Deutschland Google endlich faire Abgaben zahlen lassen, werden viele europäische Länder folgen. Wir haben zwei Möglichkeiten: eine Digitalsteuer zu erheben, wie es die Österreicher machen, oder eine Sonderabgabe zu verlangen. Wir neigen, gerade nach dem jüngsten Experten-Hearing im Bundestag, zur Abgabenlösung. Dazu werde ich im Herbst ein Eckpunktepapier vorlegen.
Wie viel Geld würde das Abgabenmodell bringen?
Es wird ein nennenswerter Betrag sein und der hängt von der Höhe der Abgabe ab.
Was, wenn Donald Trump sauer wird und Zölle anhebt?
Kann sein, dass ich mich dann beugen muss. Europa ist leider nicht stark genug, um auf Augenhöhe mit den Amerikanern zu Ergebnissen zu kommen, die wir wollen. Das ist eine bittere Erkenntnis aus den Zollverhandlungen. Deswegen müssen wir Europa und seine Wirtschaft dringend stärken. Und ich werde das Thema Google dann neu auf die Tagesordnung setzen. Der Konzern steigert in Deutschland seit Jahren seine Gewinne und schleicht sich mit Steuersparmodellen über Dublin hinaus. Das geht nicht.
Haben wir noch eine Chance, die Welle zu brechen, mit der vor allem in den USA Lügen und Manipulationen in sozialen Medien von Populisten, Extremisten, Rassisten verbreitet werden?
Es ist zum Glück noch nicht so schlimm wie dort, aber die Richtung geht dahin. Zusehends wird auch unser öffentlicher Diskurs, unsere politische Kultur vergiftet. Journalisten werden persönlich angegangen. Das ist ein Alarmzeichen. Da müssen wir Stopp sagen.
Gefahr für Journalisten
Solidarisiert sich die Politik mit der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali, die wegen inhaltlicher Kritik am Wirken des erschossenen Trump-Anhängers Charlie Kirk Morddrohungen erhält?
Das ist ein Zeichen dafür, wie gefährlich der polarisierte, vergiftete öffentliche Diskurs inzwischen ist. Er bringt Journalisten in Gefahr. Dagegen muss jeder vernünftige Politiker der politischen Mitte Haltung beziehen. Und wir sind da auch alle einer Meinung, dass das zu verurteilen ist.
Welche Bedeutung hat für Sie der öffentlich-rechtliche Rundfunk?
Ich bin ein Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch wenn ich manches an ihm kritisiere. Er ist wichtig für die politische Kultur des Landes. Und er muss über die Rundfunkbeiträge finanziell abgesichert bleiben. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat ein Akzeptanzproblem, weil er politisch links geneigt wirkt. Es ist nicht gut, wenn viele Millionen Deutsche zwar Zwangsbeiträge zahlen müssen, aber das Gefühl haben, dass sie dort nicht vertreten werden. Das sollte sich ändern.
Erleben wir einen Kulturkampf in Deutschland?
Ja, zum Beispiel im Bundestag. Die AfD-Fraktion ist nicht nur groß, sie benimmt sich auch feist und aggressiv. Sie lädt das Parlament emotional auf mit Ressentiments, Respektlosigkeit und Intoleranz. Das Verhalten erinnert zuweilen an die Weimarer Republik. Auf der anderen Seite geht die Linkspartei lautstark vor und provoziert. So schaukelt sich das Parlament an den Rändern hoch.
Was macht ein Kulturstaatsminister gegen Kulturkampf?
Wir dürfen nicht schweigen, wenn Extremisten lauter werden. Die bürgerliche Mitte muss sich äußern, sie darf ihre Räume, ihre Symbole nicht preisgeben, sonst besetzen sie andere. Das Hambacher Schloss zum Beispiel, ein Ort unserer Frühdemokratie. Rechtsextremisten machen dort Aufmärsche. Oder das Hermannsdenkmal. Das gehört nicht der AfD! Das ist unser Robin Hood und nicht deren Nationalist.
Weimer: Der Antisemitismus hatte sich nur verkrochen
Gehört der Islam für Sie zu Deutschland?
Menschen islamischen Glaubens gehören natürlich zu Deutschland, wir haben Religionsfreiheit. Aber falls Ihre Frage darauf abzielt: Nicht alle Vorstellungen des politischen Islam passen zu unserer Verfassung. Ein Befund ist entsetzlich: Antisemitismus in Deutschland ist in Dimensionen gewachsen, die wir vor wenigen Jahren für unmöglich gehalten hätten. Auch hier gilt: Es darf keine Schweigespirale geben. Politik und Gesellschaft dürfen sich nicht wegducken.
Gab es den Antisemitismus, wie wir ihn seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel und dem anschließenden Krieg im Gazastreifen offen erleben, schon vorher in der deutschen Gesellschaft?
Der Antisemitismus war nie wirklich weg in Deutschland. Er hat sich nur verkrochen. Wir haben einen rechtsextremistischen Antisemitismus, wir haben einen linksextremistischen und einen islamistischen Antisemitismus. Und wir werden als Regierung dagegenhalten.
An diesem Freitag ist die Deutsche Einheit 35 Jahre alt. Der Osten hat sich bei Wahlen AfD-blau gefärbt – das wirkt wie eine neue Mauer. Seit wann wächst nicht mehr zusammen, was zusammengehört, und warum?
Ich würde es nicht als eine neue Mauer beschreiben. Ich glaube auch nicht, dass rund 30 Prozent der Ostdeutschen ernsthaft mit einem neonationalistischen, halb aus dem Nazi-Jargon herkommenden Gedankengut sympathisieren. Solche Stimmungslagen können sich schnell ändern. Bei der nächsten Bundestagswahl kann das AfD-Soufflé auch wieder zusammenfallen. Denken Sie an den großen Erfolg der Klimaschützerin Greta Thunberg, vor fünf Jahren galten sie und ihre Bewegung als Jahrhunderterscheinung. Inzwischen ist auch da die Luft völlig raus.
Der russische Krieg gegen die Ukraine und der Nahost-Konflikt drängen die Bekämpfung des Klimawandels leider in den Hintergrund. Und in den USA droht eine Demokratie zu kippen, das hat Auswirkungen auf Deutschland.
Umso mehr sollten wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Es hat niemand gesagt, dass wir im Sinne Friedrich Schillers mit der Aufklärung beginnen, diese Freitreppe einfach herunterlaufen und es von Stufe zu Stufe immer besser wird. Nein, wird es halt nicht. Es gibt immer Phasen in der Geschichte, in denen wir um unsere Werte kämpfen müssen, und in so einer Phase sind wir jetzt. Wir müssen die Fackel der Aufklärung hochhalten. Und ist unser Problem wirklich noch dieses Ost-West-Ding?
Offensichtlich.
Ich glaube das nicht. Aufkommender Autoritarismus, Polarisierung, sozialer Zerfall - das haben wir doch im Westen genauso. Wir sollten Teile unserer Bevölkerung nicht regional pathologisieren. Ich finde es unfair, den Ostdeutschen zu sagen, das AfD-Thema ist euer Problem. Die gesamte Gesellschaft hat hier ein Problem.