Protest„Letzte Generation“ will Berlin tagelang lahmlegen – Polizei kündigt Großaufgebot an

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Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ haben sich auf der Neuen Kantstraße auf einer Kreuzung festgeklebt. Die Polizei sichert den Bereich, während eine Polizistin begonnen hat, die Aktivisten von der Straße zu lösen.

Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ haben sich auf der Neuen Kantstraße auf einer Kreuzung festgeklebt.

Die „Letzte Generation“ kündigt massive Proteste und zahlreiche Blockaden in Berlin an. 800 Menschen sollen daran beteiligt sein.

Ab dem kommenden Mittwoch sollen die Straßen der Hauptstadt wieder blockiert werden. „Wir kommen nach Berlin, bringen die Stadt zum Stillstand, um die Regierung zum Aufbruch zu bewegen“ kündigen die Aktivisten der „Letzten Generation“ auf ihrer Website an. Ihr Plan: Vor allem im Regierungsviertel mit Straßenblockaden den Betriebsablauf der Bundespolitik stören und auf ihre Forderungen für einen effektiveren Klimaschutz aufmerksam machen.

Doch es soll nicht bloß einen einzelnen Aktionstag geben – die „Klimakleber“ wollen Berlin vom 19. April bis zum Monatsende lahmlegen. Fast 800 Menschen wollen sich laut Angaben der Gruppe an diesen Blockadeaktionen beteiligen. Die „Letzte Generation“ spricht von „friedlichem zivilem Widerstand“.

Berliner Flughafen soll stärker bewacht werden

Die Ankündigung ruft ein Großaufgebot der Berliner Polizei auf den Schirm. Laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“, die aus einer internen Lageeinschätzung der Behörde zitiert, hat die Polizei im Vorfeld bereits „neuralgische Punkte“ definiert, die mutmaßlich im Fokus der Aktivisten stehen. Auch der Berliner Flughafen werde stärker bewacht als gewöhnlich.

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Die Polizei plane während des gesamten Aktionszeitraums, explizite „Klebeverbote“ nach dem Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz auszusprechen. Wer sich dann auf die Straße klebe, müsse mit einem Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro rechnen. In der vergangenen Woche hatten bereits Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe „Extinction Rebellion“ für Aufsehen gesorgt, weil sie unter anderem die Bundesgeschäftsstelle der FDP in Berlin mit schwarzer Farbe beschmiert hatten.

Grünen-Politikerin nennt Proteste der „Letzten Generation“ „elitär und selbstgerecht“

Die zunehmend radikalen Aktionen von Gruppen wie der „Letzten Generation“ und „Extinction Rebellion“ rufen nicht nur Kritik aus den politischen Parteien hervor, sondern sorgen auch für Verstimmungen in Teilen der Klimabewegung.

Die „Fridays for Future“-Sprecherin Annika Rittmann hatte die radikalen Protestformen vor wenigen Tagen kritisiert. Gesamtgesellschaftliche Lösungen für die Klimakrise gebe es nicht, „indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Aus der Politik kam Zustimmung: Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic etwa nannte die Proteste der „Letzten Generation“ „elitär und selbstgerecht“.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist nicht gespalten. Aber unterschiedliche Gruppen verfolgen unterschiedliche Strategien.
„Fridays for Future“-Sprecherin Annika Rittmann

Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) relativierte Rittmann ihre Kritik nun jedoch – und kündigte weitere Klimaproteste an. „Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist nicht gespalten. Aber unterschiedliche Gruppen verfolgen unterschiedliche Strategien“, sagte Rittmann. Alle Gruppen teilten „die Analyse, dass die Regierungspolitik uns mitten in die Klimakatastrophe geführt hat, und dass die Dringlichkeit zu handeln nie höher war“.

Gleichzeitig hätten „Fridays for Future“, „Letzte Generation“ und andere unterschiedliche Rollen. „Ich spreche auch mit Menschen, denen Klimaschutz sehr wichtig ist, aber die die Aktionen der Letzten Generation persönlich nicht verstehen. Auch diese Menschen braucht es auf der Straße.“

„Fridays for Future“ habe durch Großdemos und Dialog in den vergangenen Jahren „viel erreicht“, bilanzierte Rittmann: „Es gab ein Verfassungsgerichtsurteil, das wir mit erkämpft haben. Alle demokratischen Parteien haben sich bei der Bundestagswahl zu 1,5 Grad bekannt. Es ist ein Kohleausstieg beschlossen worden und es gab eine fundamentale Bewusstseinsänderung, die die Bedeutung von Klimaschutz in den Mainstream geschoben hat.“

Annika Rittmann: „Die abstrusen Vergleiche von Politikern sind katastrophal“

Rittmann sagte dem RND: „Das Klima wird durch mangelndes politisches Handeln zerstört. Was katastrophal ist, sind die abstrusen Vergleiche von Politikern, die gezielt Protest delegitimieren, um vom eigentlichen Diskurs abzulenken.“

Sie kündigte weitere Proteste von „Fridays for Future“ an: „Wir gehen am Freitag zum FDP-Parteitag auf die Straße. Wir werden vor dem Verkehrsministerium gemeinsam mit anderen Akteuren laut sein, solange Volker Wissing und seine Partei, die FDP, es anscheinend als ihre einzige Aufgabe in dieser Bundesregierung sehen, Klimaschutz zu blockieren.“

In den kommenden Monaten werde die Bewegung für einen früheren Kohleausstieg in Ostdeutschland demonstrieren und auf Hauptversammlungen von Unternehmen präsent sein. Im Herbst solle es einen weiteren globalen Klimastreik geben.

Markus Söder: Grüne schaden dem Klimaschutz und gefährden Wohlstand

Während die Klimaschützer von „Fridays für Future“ Proteste gegen das Verfeuern von klimaschädlicher Kohle planen, gingen am Samstag die letzten noch verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Am Brandenburger Tor in Berlin feierten einige Menschen, darunter der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, das Ende des deutschen Atomzeitalters bei einer Kundgebung. Bei einer weiteren Kundgebung auf der anderen Seite des Wahrzeichens sprach sich eine Gruppe von Atomkraft-Befürwortern für einen Weiterbetrieb der Meiler aus.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich noch vor wenigen Jahren vehement für den deutschen Atomausstieg ausgesprochen hatte, forderte am Wochenende eine nukleare Zukunft für Deutschland – oder zumindest für Bayern. Die Grünen schadeten mit dem Atomausstieg dem Klimaschutz und gefährdeten den Wohlstand in Deutschland, schrieb Söder auf Twitter.

„Solange die Krise nicht beendet und der Übergang zu den Erneuerbaren nicht gelungen ist, müssen wir bis zum Ende des Jahrzehnts jede Form von Energie nutzen“, forderte er. Der „Bild am Sonntag“ sagte Söder, er würde das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 gerne in Landesverantwortung weiterbetreiben. Dafür müsste der Bund allerdings das Atomgesetz entsprechend ändern, was als ausgeschlossen gilt.

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