Bischof Georg Bätzing und Irme Stetter-Karp nehmen an der vierten Synodalversammlung der katholischen Kirche in Deutschland teil.
Copyright: dpa
ANZEIGE
Nach dem großen Crash beim „Synodalen Weg“ in Frankfurt AnfangSeptember, als eine Sperrminorität der katholischen Bischöfe einem Reformpapier der katholischen Sexualmoral die Zustimmung verweigerte und es damit durchfallen ließ, haben die deutschen Bischöfe auf ihrer Herbstvollversammlung in Fulda mit sich selbst mehr als genug zu tun. Selten waren die Risse innerhalb der Bischofskonferenz so tief – und so offensichtlich.
Für kaum mehr versöhnlich hält zum Beispiel der Passauer Bischof Stefan Oster die Positionen im Mehrheitslager der Reformer und in der kleinen Minderheit von Oberhirten, die sich auf dem „Synodalen Weg“ unter Verweis auf die Treue zum römischen Lehramt und zur Tradition praktisch allem widersetzen, was Veränderungen in der katholischen Lehre und Bewegung in die kirchlichen Strukturen bringen könnte.
Der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp hatte dazu in Frankfurt auf mehrere Eide verwiesen, die er als Bischof geschworen habe – was die Frage nahelegt, ob er auf der anderen Seite eine Phalanx von Meineidigen am Werk sieht.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing (Limburg), machte schon zum Auftakt des viertägigen Treffens, das an diesem Donnerstag zuende geht, deutlich, dass auch er keinen Konsens erwartet, der in Fulda gleichsam vom Himmel fiele. Fast wie in der Politik sortierte und gewichtete er die Stimmenverhältnisse in der Bischofskonferenz.
Die meisten Bischöfe wollten Reformen und würden sich da auch nicht aufhalten lassen, befand Bätzing fast trotzig – und vielleicht auch ein bisschen zu forsch. Denn spätestens wenn die Bischöfe im November turnusgemäß beim Papst antreten müssen, werden sie in Rom auch mit dem geballten Widerstand gegen Neuerungen wie die Öffnung der geistlichen Ämter für die Frauen, eine Neubewertung der Homosexualität oder auch gegen mehr Mitbestimmung der Laien in der Kirche treffen.
Einen Eindruck davon konnten die Bischöfe in Fulda schon vorab durch das Grußwort des Päpstlichen Nuntius, Nikola Eterovic, gewinnen. Zum wiederholten Mal und mit kaum verhohlenem Bezug zur Synodalversammlung in Frankfurt beschwor der diplomatische Vertreter des Vatikans in Deutschland die Gefahr des „Parlamentarismus“. Ein letztlich demokratiefeindliches Ressentiment musste im Grunde jedem zeigen: Mehrheiten sind kein Pfund, mit dem sich in einer Kirche wuchern ließe, die Funktionäre vom Schlage Eterovics für wahrhaft katholisch halten.
Reformer setzen auf demokratische Verfahren
Gleichwohl setzen die Reformer auf Verfahren und Regularien, wie sie in der parlamentarischen Demokratie gang und gäbe sind. Der in Frankfurt gescheiterte Grundlagentext zur Sexualmoral sei „immer noch da“, beharrte der Aachener Bischof Helmut Dieser in Fulda und habe schließlich nicht nur die breite Mehrheit der Synodalversammlung, sondern auch der Bischöfe hinter sich.
„Wir sind jetzt dran an der Frage, was dieser Text noch für uns sein kann“, sagte Dieser. Ohne die darin geleistete Grundlegung einer neuen, an den Erkenntnissen der Humanwissenschaften orientierten Sexualmoral hingen Einzelbeschlüsse – etwa zur Homosexualität – in der Luft, argumentierte Dieser und deutete damit an, wie sich das Reformlager um Bischof Bätzing jetzt aufzustellen sucht.
Stephan Ackermann: Machtmissbrauch in der Kirche ist „unabschließbar“
Einen konkreten Beschluss – und diesmal sogar einstimmig - fasste die Bischofskonferenz in Fulda ihrerseits zum Missbrauchsskandal: Der seit 2010 für das Thema zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann wird von Bischof Dieser an der Spitze einer neuen „bischöflichen Fachgruppe“ abgelöst. Zusätzlich wollen die Bischöfe einen unabhängigen Expertenrat einrichten, der neben den bereits bestehenden Betroffenenbeirat tritt.
Ackermann – seit geraumer Zeit selbst mit Vorwürfen unzulänglicher Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in seinem Bistum konfrontiert - bedauerte, dass die Bischöfe insgesamt lange zu defensiv gewesen und nicht früher, strukturierter und beherzter gegen sexualisierte Gewalt und andere Formen des Machtmissbrauchs in der Kirche vorgegangen seien. Inzwischen sei klar: Die Aufgabe sei „unabschließbar“, zumindest was die Prävention angeht.
Helmut Dieser spricht sich für unbequemes Handeln aus
Sein Nachfolger Dieser kündigte ein entschlossenes, notfalls auch unbequemes Handeln an – im Sinne der Betroffenen. Es gehe um das Los tief verletzter Menschen. In ihrem „Kampf um mehr Lebensglück“ und Gerechtigkeit verdienten sie Anerkennung und Unterstützung. Dafür würden er und sein Stellvertreter, Erzbischof Stephan Burger (Freiburg), ihre Mitbrüder „nicht in Ruhe lassen“.
Eine von Opfervertretern geforderte Revision des Systems zur Entschädigung lehnte Dieser aber bis auf Weiteres ab. Für eine Stärkung der staatlichen Aufarbeitung per Gesetz und ein Recht auf Akteneinsicht für Betroffene zeigten Ackermann und Dieser sich einerseits offen. Andererseits betonte der Aachener Bischof, dass Kriterien für eine Aufarbeitung in den Händen des Staates dann auch „für die Gesamtgesellschaft“ gelten müssten. Der Fokus könne „nicht weiterhin immer nur bei uns sein“, so Dieser.
Erst am Dienstag hatte die „Unabhängige Kommission“ bei der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung eine Studie zum Missbrauch im Sport vorgestellt und massive Defizite bei Aufarbeitung und Prävention angeprangert. „Menschen anderswo sind genauso tiefenverletzt“, sagte Dieser.
Opfer warten weiterhin auf angekündigte Hilfe
Der Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ stoßen solche Empathie-Bekundungen von Bischöfen sauer auf. „Alle sind tief betroffen. Aber: Es ist noch kein einziger Bischof zurückgetreten. Verantwortung diffundiert in Dutzende von Studien und Gutachten“, erklärte die Gruppierung. Derweil warteten die Opfer immer noch auf die versprochene schnelle Hilfe. Kein einziger Betroffener habe eine angemessene Entschädigung erhalten. Vielmehr seien alle mit „Freiwilligen Anerkennungsleistungen“ abgespeist werden. Die Kirche dagegen sei „so vermögend wie nie zuvor“.
Für die Frage, warum Aufarbeitung – auch und gerade in der Kirche – so schleppend und „holprig“ (Ackermann) vonstatten gehe, hatte Dieser in Fulda bemerkenswerte und erstaunlich offene Erklärungen parat: „Wir verstoßen gegen katholisches Lebensgefühl, wenn wir unsere Vorgänger belasten“, erläuterte er. Genau das sei unumgänglich. Nur habe die Kirche dafür „noch keine Kultur“ entwickelt.
Einschreiten der Politik wird gefordert
Noch gravierender aber sei die Tatsache, dass Missbrauch „ein höchst giftiges Thema“ sei. Sozialpsychologisch wirke es - ähnlich wie Radioaktivität – unendlich nach und sei zerstörerisch für alle Beziehungen – im Fall der Kirche „extremst zerstörerisch“. Missbrauch rühre an das Gottesverhältnis, verletze die Heiligkeit des Lebens, verrate den Auftrag Jesu zum Einsatz für die Schwachen. Daran könne die Kirche „kaputtgehen“, warnte Dieser.
Den „Eckigen Tisch“ kann auch das nicht beeindrucken. „Es ist alles gesagt. Auch ein neuer Beauftragter und neue Gremien werden nichts ändern. Von der Kirche erwarten wir nichts mehr. Jetzt ist die Politik gefordert.“