Bei seinem Besuch in der Ukraine fordert Kanzler Merz mit Verbündeten eine 30-tägige Waffenruhe. Sonst folgen Sanktionen gegen Russland.
Merz besucht UkraineEuropa droht Russland mit Sanktionen – Putin reagiert mit Verzögerungstaktik

Bundeskanzler Friedrich Merz (links, CDU) wird von Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, vor dem Marienpalast in Kiew empfangen.
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Genau das haben der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine wichtigsten europäischen Verbündeten bei ihrem Gipfeltreffen in Kiew befürchtet: Dass der russische Präsident Wladimir Putin auf ihre Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe mit der für ihn typischen Verzögerungstaktik reagiert. Denn genau darum handelt es sich bei seinem vergifteten Gegenangebot, direkte Friedensgespräche mit der Ukraine aufzunehmen.
Putin versteht sich meisterhaft darin, Friedenswillen zu simulieren, während er ukrainische Städte mit Drohnen und Raketen terrorisieren lässt. Ginge es ihm um eine Friedensperspektive, könnte er mit einem Federstrich die Waffen schweigen lassen – und damit die Grundlage für ernsthafte Verhandlungen schaffen. Was Moskau von der Initiative der Europäer wirklich hält, machte Putins Mann fürs Grobe, Dmitri Medwedew, deutlich: Sie könnten sich ihre Friedenspläne „in den Hintern“ schieben, verkündete der Vizechef des nationalen Sicherheitsrates – auf Englisch, damit es im Westen auch jeder versteht.
Sanktionen gegen Russland: Trump trägt die Initiative offenbar mit
Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Ministerpräsident Donald Tusk haben Putin durchschaut. Bei ihrem gemeinsamen Besuch bei Selenskyj in Kiew haben sie ihre Forderung daher mit einem Ultimatum verknüpft: Sollte der Kremlchef einer Waffenruhe ab diesem Montag nicht ohne Vorbedingungen zustimmen, haben sie eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland angedroht. Jetzt müssen sie beweisen, dass sie es ernst meinen.
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Weder Selenskyj noch seine europäischen Verbündeten dürften ernsthaft damit gerechnet haben, dass Putin einer Waffenruhe umgehend zustimmt. Dennoch hat das Spitzentreffen in Kiew, das Teil eines Gipfels der „Koalition der Willigen“ zur Unterstützung der Ukraine gewesen ist, den Druck auf Moskau besonders aus einem Grund erhöht: Nach übereinstimmender Aussage Selenskyjs und seiner Besucher trägt US-Präsident Donald Trump die Initiative mit. Der Westen, den der unberechenbare US-Präsident gerade noch zu spalten drohte, scheint nun wieder als Bollwerk gegen Putin zusammenzustehen.
Selbst wenn diese Einigkeit allerdings heute herrschen sollte: Angesichts von Trumps Unberechenbarkeit könnte sie morgen schon wieder Geschichte sein. Noch vor kurzem hat Trump ausgerechnet Selenskyj für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht – eine absurde Täter-Opfer-Umkehr. Gut, dass Merz und Co. das Offensichtliche nun noch einmal klargestellt haben: „Dieser Krieg ist ausschließlich von Russland ausgegangen“, betonte Merz. Macron bescheinigte dem Gastgeber: „Sie stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.“
Putin ist nicht isoliert: China und Ungarn stehen Russland zur Seite
Von Kiew mag ein Signal der Geschlossenheit ausgegangen sein. So isoliert, wie die demonstrative Einigkeit bei dem Spitzentreffen glauben machen könnte, ist Putin allerdings nicht. Das hat er gerade erst mit seiner als Weltkriegsgedenken getarnten Machtdemonstration bewiesen. Chinas Präsident Xi Jinping gab Putin die Ehre, auch der Slowake Robert Fico war zu Gast – immerhin Regierungschefs eines EU- und Nato-Staates. Fico ist nicht der einzige Europäer, der den Kriegsverbrecher im Kreml hofiert, das tut auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der zugleich Trump nahesteht.
Dass der Vorstoß für eine Waffenruhe wohl keinen schnellen Frieden bringen kann, wissen auch Merz und seine Mitstreiter. Das ändert nichts daran, dass die Initiative richtig ist. „Vielleicht eine kleine Chance“ auf ein Ende des Krieges rechnet sich der neue Bundeskanzler aus. Nach mehr als drei Jahren der russischen Aggression ist das allemal besser als keine Chance.