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Solingen gedenkt der Opfer„Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir zu leben haben“

3 min
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, l), Ministerpräsident Hendrik Wüst (3.v.r, CDU), Tim Kurzbach (2.v.r, SPD), Oberbürgermeister der Stadt Solingen und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (r, Bündnis 90/Grüne) stehen zusammen bei der Gedenfeier in Solingen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, l), Ministerpräsident Hendrik Wüst (3.v.r, CDU), Tim Kurzbach (2.v.r, SPD), Oberbürgermeister der Stadt Solingen und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (r, Bündnis 90/Grüne) stehen zusammen bei der Gedenfeier in Solingen. 

Ein Mann sticht beim Stadtfest in Solingen mit einem Messer wahllos auf Menschen ein. Ein Jahr danach versammeln sich dort viele Menschen.

Viele Menschen drängen sich um den kleinen Gedenkstein und legen Blumen nieder. Auf dem kleinen Platz, dem Fronhof, verweilen andere, halten sich in den Armen oder fragen einfach: Wie geht es Dir? 

Solingen, der 23. August 2025, genau ein Jahr nach dem Terroranschlag mit drei Toten und zahlreichen Verletzten. Die Stadt hat am ersten Jahrestag zur Gedenkveranstaltung eingeladen. Dort, wo die Tat geschah. 

„Wir sind Menschen, die den Schmerz aushalten, aber auch die Kraft haben, wieder aufzustehen“, sagt Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) vor Hunderten Zuhörern. Es gehe darum, beides zuzulassen: Trauer und Freude. „Das vergangene Jahr es hat uns auch gezeigt: So schwer es fällt, wir finden zurück ins Leben, Stück für Stück, manchmal zaghaft, manchmal mutiger“, beschreibt er den langen und schwierigen Weg zurück zur Normalität. 

Es wird wieder gefeiert in Solingen

Weihnachtsmarkt, Rosenmontagszug, Stadtteilfeste und große Sommerparty vor zwei Wochen: „Wir lassen uns die Freude am Leben nicht nehmen. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir zu leben haben“, sagt Kurzbach. 

Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) schildert den schwierigen Weg zurück zur Normalität.

Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) schildert den schwierigen Weg zurück zur Normalität.

Die Tat sei auch ein Angriff auf das Miteinander, auf die offene Gesellschaft, auf Freiheit und Vielfalt gewesen. „Das Attentat traf Solingen, aber gemeint waren wir alle in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland“, sagt der OB. Er ruft dazu auf, nicht nur nach Solingen zu kommen, „wenn wir trauern“. „Kommen Sie auch, wenn wir feiern“. Denn Solingen sei mehr als dieser schreckliche Abend, eine Stadt mit Geschichte, Kultur und Lebensfreude.

„Wahllos auf Menschen eingestochen“

Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) blickt zurück: „Es ist 21.37 Uhr, als hier im Fronhof ein islamistischer Extremist wie aus dem Nichts und ohne Vorwarnung und völlig wahllos auf Menschen eingestochen hat.“ Der Anschlag habe „unser Land ins Herz getroffen“. Der Täter habe auch versucht zu spalten, sei damit aber gescheitert. Die Menschen hätten Mut, Solidarität und Mitgefühl gezeigt. Verletzten sei schnell geholfen worden. 

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, legt eine weiße Rose am Gedenkstein zum Terroranschlag in Solingen ab.

Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, legt eine weiße Rose am Gedenkstein zum Terroranschlag in Solingen ab.

Maßnahmenpaket der Landesregierung

Der Regierungschef verweist auf das knapp 100 Millionen Euro schwere Maßnahmenpaket der Landesregierung mit umfangreichen Maßnahmen zur Stärkung von Polizei und Verfassungsschutz und auch der Prävention. 

Richtung Berlin spricht sich Wüst für die Vorratsdatenspeicherung zur Terrorabwehr aus. Er sei dankbar dafür, dass auch auf Bundesebene verabredet worden sei, die Vorratsdatenspeicherung möglich zu machen. 

Politiker und Angehörige der Opfer stehen zusammen bei der Gedenkfeier ein Jahr nach dem Terroranschlag von Solingen.

Politiker und Angehörige der Opfer stehen zusammen bei der Gedenkfeier ein Jahr nach dem Terroranschlag von Solingen.

„Es ist nicht alles wieder gut“

Drei Glockenschläge und ein stilles Gedenken. An der Stadtkirche hinter den Redner ist das Wort „Frieden“ auf drei entrollten Bannern zu lesen mit je einem anderen Satzzeichen: Fragezeichen, Ausrufezeichen und Punkt. 

„Es ist nicht alles wieder gut. Manche sind noch mittendrin, in der Trauer, kämpfen mit den Folgen, körperlichen und seelischen“, sagt Superintendentin Ilka Werner vom evangelischen Kirchenkreis Solingen.

Im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichtes Düsseldorf läuft seit Ende Mai der Prozess gegen den angeklagten Syrer Issa al H., der den Messerangriff gestanden hat. Zum Vorwurf der IS-Mitgliedschaft äußerte er sich bisher nicht. Der Strafprozess könnte im September enden. (dpa)